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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0060
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— 2407 ---

Gezeichnet von P. Bauer.


Der gvldne Zrikgötze.
Alter Götter Nacht und Größe
Ist versunken und verblichen,
Ihre Tempel sind gefallen,
Ihre Namen sind verklungen;
Ja, sogar der Ghristen Airchen,
Die noch stolz und mächtig ragen,
Bilden nicht die Zuflucht Derer,
Die bedrückt und schmerzbeladen,
Denn die Tröstung, die sie spenden.
Weist ins räthselhafte, dunkle,
Weist ins unbekannte Jenseits.
Unsrer Tage einz'ger Götze
Ist das Gold, das blank gemünzte;
Gold, ja Gold! Das ist die Losung
In dem Hasten, in dem Jagen,
In dem wilden Wettbewerbe,
Welcher die Uulturwelt wieder
Zunr Barbarenthum hinabstößt.
Wer im reichen Goldbesitze
Rann an vollen Tafeln prassen,
Uann des edlen Weins genießen,
Uann sich Lust und Kreude kaufen,
Lieht geachtet und geehrt sich,
Und er schaut als Herr hernieder
Uuf die Urmen, die des Goldes,
^-ie des Götzen Gunst entbehren.
Doch wie in der Zeiten Wandel
Zeder Götze noch gefallen,
Wird der Götze unsrer Tage,
wird des Soldes blanker Schimmer
Ewig nicht die Welt beherrschen.
Denn der Zukunft Tempelstürmer
Uah'n sich schon mit keckem Nuthe,

Spotten des metallnen Götzen,
Spotten seiner Nammonspriester;
Hoch ein Banner sie entfalten,
Leuchtend wie die Norgenröthe,
Und der Tyrannei des Goldes
Uünden sic ein nahes Ende
Mit dem Wahlspruch: Sozialismus!
Schwelgt, ihr Neichen, im Genüsse;
Ueberhört der Urmuth Ulage,
Ueberhört des Zeitgeists Mahnung -
Dennoch, dennoch naht das Ende.
Und ihr Armen, ihr Enterbten,
Gb euch schwer das Joch auch drücke,
Mcht verzaget, nicht verzweifelt,
Denn des Tages goldner Götze
Hallen wird er, und die Stunde
Der Erlösung bricht euch an. m. u.

Der Kamerl-Höcker.
Line naturgeschichtliche Studie für den Unterricht in
preußischen Schulen.
Das vornehmste Thier wäre ohne Zweifel das
Dromedar, welches so glücklich ist, einen ganz ge-
hörigen Höcker zu besitzen, wenn nicht das Trampel-
thier — zwei Höcker hätte. Diese wissenschaftlich
erwiesene Thatsache liefert den unumstößlichen Be-
weis, daß die Gleichheit Aller den Grundgesetzen der
Natur, Moral und Hofrangordnung widerspricht.
Was ist der Höcker? Die nützlichste Einrichtung
in der Schöpfung, eine große Fett-Reservedose. Ihr
entnimmt das Thier bei langen Wüstenmärschen,
ohne sich umzusehen, immer neue stärkende Körper-
kräfte. Das nennt die Wissenschaft Kapitalansamm-
lung; denn das Fett ist das Kapital des Kameels.
Wenn die sozialistische Gleichmacherei zum Siege
gelangte, so würden sofort sämmtlichen Kameelcn
die Höcker abgeschnittcn. Damit hört die nützliche
Ansammlung auf, und das arme Thier lebt dann

hinsichtlich seines Fettverbrauchs nothgcdrungeu
von der Hand in den Mund.
Ein solches verstümmeltes Thier ist ebenso
unglücklich daran wie eine sozialistisch eingerichtete
Gesellschaft, der Zukunstsstaat oder eine Vorstufe
von diesem. Ohne die segensreiche Kapitalansamm-
lung kann der Staat oder die Gemeinde nicht be-
stehen. Wie sollten in Preußen und anderswo
die stets wachsenden Armenlastcn aufgebracht
werden, wenn nicht auch die großen Vermögen
in fortwährendem Zunehmen begriffen wären?
Das Schrecklichste, was uns treffen könnte, ein
so grauenvolles Unglück, daß schon der Gedanke
daran uns zittern macht, wäre dies, wenn die
Besten und Tüchtigsten des Volkes, die großen
Geldleute, durch einen übertriebenen Arbeiterschuh
und schrankenlose Volkssreiheit, wie wir sie fast
schon haben, verbittert, aus dem Vaterland aus-
wandern würden! Dann hätten wir kein Vater-
land mehr. Die höchsten Tugenden, wie nur der
gesicherte Besitz sie hervorbringt, würden mit von
unseren Grenzen fliehen. Oesterreich steht nahe
vor dieser entsetzlichen Möglichkeit. Kaum haben
dort die tugendvollcu Großindustriellen den Kaiser
und die Regierung angeflcht, sie vor dem zu-
nehmenden Uebermuth ihrer Arbeiter zu schützen,
so erschallt auch schon der Jammerruf der Groß-
grundbesitzer, daß der durch Besitzlosigkeit un-
produktive Theil der Nation ihnen die Früchte
ihres selbstverleugnenden Fleißes aus der Hand
reißt und sie dem sicheren Untergang entgegen-
treibt. Ohne angehäuften Besitz kein Volkswohl,
ohne Höcker kein Kameel.
Darum Heil dem Höcker, dem Hort und der
Zierde des vornehmsten Säugcthieres! Anmuthig
wackelt er, ohne hcrunterzufallen, beim Gehen von
einer Seite auf die andere, wie der goldene Uhr-
behang am Bauche des staatserhaltenden Bürgers.
Aber darum heilige Ehrfurcht auch vor dem Schmer-
bauch, in welchem der wackere besitzende Bürger
zum Heil und Gedeihen seines Volkes seinen Ent-
behrnngslohn selbstlos ansammelt!
 
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