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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0066

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—WeilkM zum ^Wahren Akicov" -Rr. 279. Lsr

Die orientalische Frage.


D>as alte Kreta, ein Wunderland
War's, wie die Sagen uns melden,
Dort gab es mancherlei zu schau'n
An Ungeheuern und Helden.
Einst war eine griechische Königin,
So flüstert die alte Kunde,
Die hatte gar lieb einen Weißen Stier,
Den sah sie zur unrechten Stunde.
Und als sie darnach eines Knäbleins genas,
Da glaubt' sie vor Schreck, daß sie sterbe:
Es trug einen richtigen Ochsmkopf
Des Thrones künftiger Erbe.
Der Vater, der König, er riß sich in Wuth
Das purpurgcwand in Fetzen
And schrie: Aus diesen Ochsenkopf
Werd' nie die Krone ich setzen! —

Die weisen Männer standen stumm
Knd grübelten viele Tage;
Der Oberpriester hat endlich gelöst
Die heikle Thronerbensrage.
Zwar wär's, sprach er, nicht das erste Mal,
Daß ein Ochs thät' in: Lande regieren,
Allein ich fürchte, die Dynastie,
Sie könnte ihr Anschn verlieren.
Wir sperren ihn ein ins Labyrinth,
Aus dessen verschlungenen Gründen
Kein Mensch, der einmal hincingcräth,
Den Ausgang kann wieder finden. —
Knd so geschah es. Die Mißgeburt
Ward Minotaurus geheißen,
Der liebte das zarteste Menschenfleisch
Ganz ungebraten zu speisen.

Zum Tribut der Athener verpflichtet ward,
Der stellte sich etwas theuer;
Man brachte Knaben und Mädchen dar
Dem gefräßigen Ungeheuer.
Das war ein Jammer! So jung und schön
Zum Tode sich müssen bequemen!
Doch Alte und Häßliche wollte partout
Der Minotaurus nicht nehmen.
Es heischte das Opfer jedes Jahr
Stierköpfig der Menschenfresser,
Ms endlich kam von Athen daher
Herr Thescus, da ward es besser.
Er schlug den Minotaurus todt,
Des Landes schreckliche Plage;
Doch heut' noch besteht das Labyrinth
Als orientalische Frage.

Die österreichischen Walz lern
Die Arbeiter Oestreichs zum ersten Mal
Zur allgemeinen direkten Wahl
Lah man sie zur Arne marschiren,
Den Willen des Volks zu votiren.
Lie zogen mit frohem Muth in die Schlacht
Wohl gegen die dreifache Uebermacht
Zum tapferen Streite entboten
vom wallenden Banner, dem rothen.
Gewaltig war ihr Heerbann schon.
Und siegte in Wien auch die Reaktion,
Lie wird mit kühnem Wagen
Im nächsten Kampfe geschlagen.
Erzitternd sieht es die Luegerei,
Bald ist es mit ihrer Macht vorbei.
Die Liberalen verschwanden.
Doch der Arbeit Heer ist erstanden.
Und siegreich auch wehet der Arbeit sanier,
Erschlossen ist ihr des Reichsraths Chur',
Gewählt sind in Oesterreichs Staaten
Die ersten Sozialdemokraten.
Im ersten Sturme der erste Sieg!
Ein glückliches Vmen im Freiheitskrieg!
So kämpfet mit Zuversicht weiter.
Wir grüßen Luch, tapfere Streiter!
Die Konservativen irr Dresden.
Von Blienrchen.
Mid Freden ergreife ich die Fädcr, um Sie
aus unsere Dräsden so ä bedeidcudes Ereiguitz
zu bcrichdcn, wie seid 'n Brande der Kreizkärche
gar geens müder dagewäsen is.
Dcuken Se mal an: de Gonservadiefen aus
allen deidschen Gauen, aus Dribbsdrille, Meißen,
Kuhschmbüel, Glodsche n. s. w. Ham bei uns
under Mühnerd-Paule fein' Vorsitz änne Ard von
Gongreß abgehalden, wo Sie's aber sehre ge-
scheht un schdaadserhaldend zugegangen is.
Der erschde Redner war der gleene Herbcrd
Bismarck, der blecherne Sohn von unfern eisernen
Ganzler. Der dahd een scheenen Gruß von sein'

Alden ieberbringen un sagde, er häddc die alde
Rakedengiste gerne selber midgcbrachd, die wär'
aber jetzd so vernageld, daß heechstens de
„Hainborger Nachrichden" noch middels Ründchen-
Schdrahlen was aus ihr rausquedschen gennden.
Der Abbedid wär' aber noch gud, denn der Alde
dähde rechd gerne de Sozialen verschlingen; sei
Maul wär' noch groß genug daderzu, blos mid'u
Zähnen dähd's hapern, desterwügen mechdcn de
Bismarcke gerne mid än neien Ausnahmegesetze
de Sozialen zermalmen.
Der scheenen Rede folgden begeisterde „Ei
ja's" und „Nu äben's" un den Herberd morden
lorbcergeschnnckde Gäscgcilchcn zugemorfen.
Nachher dahden noch viele große Herrn ihre
Gcscheidheed gaffeegannemveise zum Besten güb'n.
E gewisser Fetisch wollde 'n Mecsterdidel besser
in Flor bringen, weil de Leide uff'n Weld-
marchde än gans andern Reschbckd Ham, wcnn's
heeßd, 's is Jemand ä Schdraßenkehrer-Meester,
ä Mistgrubenreime-Meester oder änne Merdebbchen-
Abschbiele-Meestcrin. (Fr-nedisHer Beifall.)
Der Graf Roon sagde, der Milledärschdand
mär' ooch ä broduktiefer Schdand (weil 'r nämlich
Soldadenmißhandlungen un Gasernenhofblicden
broduzird. (Beifall mid Händen UN Beenen.)
Nadicrlich dahd ooch der Bräsendcnd der
Liebesgabenschlucker, der Metz, sein großes Maul
uff, um Sozialisten un Juden uff ceuen Habben
zn verschlingen; Graf Stimburg-Lirum winschdc
daderzu eene gesegnede Mahlzeid, ivoruff Professor
Dolpadscheck noch bedaucrde, daß mcr Ackcrmauue
seine ivciße Weste gar nich mehr fiehd. (Orkanischer
Beifall.)
Nu soliden de needigcn Beschlisse gefaßt wär'»,
ums Vaderland zu redden, da dahden aber leider
de Gellner än Schdrich dorch de Rechnung machen,
indem fe vermeldeden, 's Festmahl mär' an-
gerichd. Nadierlich Heerde da die ganse Quasselei
mit een Male uff, un in Ermangelung von
Sozialdemogradcn dahd mer gebradnc Hiehnchen
vcrdilgcn bis uff'n letzden Schdumpf.
So is vor dasmnl de gonscroadiefe Schdaads-
rcdderci noch nich in Schwung gegommen un die
agrarische Weldherrschafd is noch nich broglamird
— aber 's nächste Mal werd's sicher, passen Se
ämal uff — wceß Gnebbchen!

Eigenlob.
Den eig'nen Ahn lobhudelt früh und spät,
Die eig'ne Dynastie, der Fürst von Birma.
Am Anfang schien es laut're Pietät,
Und schließlich war's Reklame für die Firma,
Stimmt.
A. : Sagen Sie mal, warum erscheint denn
eigentlich die „Neue Preußische Zeitung" unter
dem Kreuz?
B. : Weil sic unter dem Kreuz nm besten zu
gebrauchen ist. —.... .
Rost ksstnrn.
Längst schlief der erste Wilhelm ein.
Nun soll er schnell ein „Großer" sein.
Ja, meine Herrn, das sind so Sachen —
Nachträglich läßt sich das nicht machen.
Vorschlag.
A. : Was meinen Sie zu der Idee, eine Ge-
denkhalle für die 1870/71 gefallenen deutschen
Krieger zn erbauen?
B. : Mir wäre es lieber, wenn diese Gedenk-
halle den noch lebenden Kriegstheilnehmern
gewidmet würde.
A. : Wieso?
B. : Man müßte in der Halle eine Suppeu-
Anstalt errichten, in welcher die Hunger leiden-
den Invaliden gratis gespeist würden.
Umgekehrte Welt.
In dieser Welt, mein Sohn, bei Zeiten lern':
Was rechts ist, das ist links, was links, ist rechts.
Man sagt: „Es itzt der Knecht das Brot des Herrn",
Und dabei ißt der Herr das Brot des Knechts.
Gum ini.
Da auf einigen meiner Bilder durch ein Versehen des
Zeichners mehrere nackte Menschenbeine zum Vorschein ge-
kommen sind und hierdurch eine Gefahr für gewisfe zart-
jüngferliche Seelen entstanden ist, so werde ich in Zukunft
den geehrten Abonnenten auf Wunsch gummirte Papierstreisen,
nötigenfalls mit darauf gezeichneten Hosen, Unterhosen und
Strümpfen, zum Ueberkleben, soweit der Vorrath reicht,
gratis beilegen. Eventuellen Bestellungen ist, wenn möglich,
ein Attest des Pfarrers beizufügen.
Der Wahre Jacob.
 
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