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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0089

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2434

Amtliche Bekanntmachung.


Amtliche Bekanntmachung.
(Frei nach tzeine.)
Jer Magistrat von unsrer Stadt,
Der Luer Wohl im Auge hat.
Läßt folgendes hiermit erklären, —
Drum sperrt die Ghren auf, zu hören.
Ls mehret sich in letzter Zeit
Im Vrt die Unzufriedenheit,
Sie wird geschürt von Sozialisten
Und glaubenslosen Atheisten.
Paßt auf, jetzt rückt die Wahl heran.
Da ist es Pflicht, daß Jedermann
Die Stimme giebt dem Uandidaten,
Ter stets des Staates Wohl berathen.
Denn wenn der böse Bebel siegt
Und der Herr Landrath unterliegt.
Wird man von Haus und Hof Luch treiben.
Das soll, so Lott will! unterbleiben!
Der Landrath weiß es, was Luch fehlt
Und hat's im Reichstag nie verhehlt;
Lr war für Prämien auf den Zucker —
Die helfen manchem armen Schlucker.
Auch daß zu uns nicht kommt herein
vom Ausland Vchs, Uuh, Pferd und Schwein,
Habt Ihr dem Landrath zu verdanken;
Vhn' ihn wär' längst der Staat im Wanken.
Und für des Reiches Sicherheit
War er zu spenden stets bereit.
Lr hat bewilligt Millionen
Für Panzerschiffe und Uanonen.
Rremblem! Jetzt seid Zhr gut berathen.
Wählt nicht den rothen Demokraten;
In Ztadtraths und in Lottes Ramen
Wählt den Herrn Landrath Schnauzer! Amen,
s. s.

Bei einer Damenrechtlrrin.
Sehr wahrer Jacob!
Ich hab' was für Dich! Eine rare Sache!
Das nationallibcrale Blatt meines Wohnortes war
bei Gelegenheit des Franenkongresses in Berlin mit
natürlicher Sympathie für das schwache Geschlecht
eingctreten, so daß die Damenfrage denn auch als-
bald in den Kaffeelesekränzchen mit Lebhaftigkeit
erörtert wurde, so lebhaft, daß man einen Verein
mit einer Präsidentin gründen mußte. Was lag
mir näher, als daß ich, Schlaumeier und gerissener
Journalist, der ich bin, die Präsidentin sofort für
den „Wahren Jacob" interviewte. Hier das Er-
gebnis;.
Nachdem ich ein paar Worte auf meine Karte
geschrieben, diese dem allerliebsten Stubenmädchen
gegeben und höchstens zwanzig Minuten im Salon
gewartet hatte, erschien eine circa hundert Kilo
schwere Dame mit höchst energischen Zügen und
einem hoheitsvollen Lächeln um die mit einem
Schnurrbart gezierten Lippen.
»Ist Ihr Blatt nationalliberal?"
„Nein, meine Gnädige; aber da wir gerade
bei den Nationalliberalen sind: wie gedenkt Ihr
Verein die Frage der Prostitution zu lösen?"
„Eine deutsche Hausfrau versteht dieses Wort
nicht!" sprach sie in einem Tone, wie wenn man
mit einem Messer über ein Reibeisen führt.
„Bravo, gnädige Frau. Verachten mir die
Prostitution. Behandeln wir sie als Lust. Wie
behandeln gnädige Frau Ihre Dienstboten? Vor-
züglich natürlich; aber ich wüßte gern, wie vor-
züglich."
„Ja, so gut wie bei mir können sie's nun frei-
lich nicht überall haben. Ich behandle sic ja wie
meine Kinder. Natürlich rede ich sie mit ,Du' an."
„Entzückend! Ganz wie Ihre Kinder."
„Ja. Und dann laß' ich ihnen nicht zu viel
Freiheit. Ich sorge dafür, daß sic immer etwas
zn thun haben, bis sie zn Bett gehen; dann ver-
fallen sie von selbst nicht auf böse Gedanken."

„Und wann gehen sie zu Bett?"
„Sobald sie nichts mehr zu thun haben."
„Sehr wohl. Und wann müssen sie wieder
aufstehen?"
„Präzise fünf Uhr; das lange Schlafen macht
nur faul."
„Das glaub' ich Ihnen. Wie oft lassen Sie
Ihre Mädchen ausgehcn?"
„Jeden vierten Sonntagnachmittag von sieben
bis neun Uhr dürfen sie ihre Verwandten be-
suchen, natürlich nur, wenn sie hier abkömmlich
sind. Außerdem schicke ich sie des Sonntags ab-
wechselnd in die Kirche, vorausgesetzt, daß ich sie
entbehren kann. Tanzvergnügungen u. dgl. ge-
statte ich natürlich durchaus nicht. Da werden
sie nur unzufrieden mit ihrem Loos, und außer-
dem leidet die Moral."
„Gewiß. Wenn nicht einmal die unteren
Volksschichten anständig blieben, wohin sollten wir
dann wohl kommen? Wie halten es gnädige
Frau, wenn ein Dienstmädchen sich verlobt?"
„Ich mache es bei jedem Engagement zur
ersten Bedingung, daß das unter keinen Um-
ständen vorkommen darf. Wenn sie nicht mehr
in meinen Diensten sind, können sie sich meinet-
wegen verloben —"
„Das sag' ich auch."
aber so lange sie bei mir sind, dnlde ich
solchen Unsinn absolut nicht."
Die Gnädige stieß das mit außerordentlicher
Erregung hervor.
„Ucberhaupt", fuhr sie fort, „wozu brauchen
denn diese Art Leute zu heirathen. Sie haben es ja
so gut. Sic haben weder Sorgen noch sonst etwas."
„— noch sonst etwas", pflichtete ich bei.
„Was haben sie denn, wenn sie nachher solch'
einen Trunkenbold am Halse haben?"
„Nichts als Kinder", gab ich zu.
„Pfui!" rief die Gnädige, sich nut dem Taschen-
tuche fächelnd. „Es ist tief traurig!"
„Gestatten Sie mir noch wenige Fragen! Was
essen Ihre Dienstboten?"
 
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