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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0090

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—2435 - --


eben

Sultan und sein

denen der Jüng-
hatte; er wurde
seiner Raserei die

"LU Man
m»-mA--- kann sich
D" .' t':"'" den Schreck
des Sultans und des
Leibarztes bei diesen Worten
denken. Beide verfielen in eine Ohnmacht,
"Eck wobei zugleich das Mcdizinglas zerbrach.
— Klirr! fiel's zu Boden und zersprang
in tausend Stücke; der Floh aber hüpfie
«4. einen Meter hoch vor Bergungen und ver-
schwand dann sozusagen spurlos. Doch das
ist nicht richtig; er fand einen talentvollen
Jüngling, dein er sich ins Ohr setzte und ihm
allerlei zuraunte über Dinge, von
ling bislang gar nichts gewußt
schließlich rasend und steckte nut
ganze Nation an.
Soweit war Alles gut. Der
Leibarzt erholten sich von der Ohnmacht; beim
_ Erwachen glaubten sie das Türen des vor-
beiziehendcn Nachtwächters zu hören, — als
Augen und Ohren ganz ans-
-M machten, hörten sie Drommetenklängc
und sahen die Nation in hellster Revo-
lution; Keiner ivollte mehr etwas wissen
von dein früheren Dattelschnapswirth
Mustafa, der gar nicht früh genug
mit seinen: Leibarzt in die Wüste ent-
weichen konnte. Ob er dort wieder eine
neue Nation gegründet hat, ist nicht
bekannt geworden. Nur eins ist histo-
risch festgestellt: der Thron mit der

Fürs Zweite bezog er ans der Rumpelkammer der Welt-
geschichte um wenig Geld eine noch wie neu aussehcnde
Portion Unschlbarkeit; des Weitern kaufte er von einem
hausirenden Juden eine Taschenuhr, die sich nach Be-
liebet: zurücksicllcn ließ, ohne dadurch Einbuße ai:
Dauerhaftigkeit zu erleiden. „Detin so", sagte er sich,
„habe ich die Zeit in meiner Hand beziehungsweise
in meiner Westentasche und bin Herr über sie."
Endlich versammelte er ein Volk nm sich nnd
nannte es Na tio n, was allgemeinen Beifall fand, s" .
So saß er manches Jahr auf seinem
Thron, trank diverse Ligneure, regierte
beständig unfehlbar, zog seine Taschen- ,! s
uhr ans, wenn er es für gut hielt,
nnd wurde von Tag zn Tag besser k'
beleibt.
Eines Vor-
mittags, als
er

unteren nnd oberen Abthcilung ist nie wieder besetzt

worden und trotzdem existirt das Reich heute noch!

vr. o.

„Sie haben also täglich jeder ein Viertelpfund
schönes, kräftiges Suppenfleisch mit Kartoffeln,
und voi: der Suppe dürfen sie auch nehmen, wenn
etwas übrig bleibt. Ebenso von Kaffee und Thee,
und wenn einmal nicht genug nachbleibt, thu' ich
etwas gut gekochtes Wasser dazu, so daß sie reich-
lich genug daran haben. Die Leute mögen den
Kaffee gar nicht so stark. Außerdem haben sie
das schöne gesunde Graubrot und Zwctschgenmus,
das ist viel gesünder als Butter. Ueberhaupt:
einfache Kost ist bei der Arbeit das Gesündeste.
Die Leute haben ja ein so gesundes Leben: immer
Bewegung nnd immer frische Luit!"
„Meine Gnädige! Ich gedenke Sie in meinen:
Interview als ein Muster aller weiblichen Tugen-
den zu feiern und allen deutschen Frauen und
Jungfrauen als leuchtendes Vorbild hinznstellen.
Erlauben Sie mir deshalb noch eine Frage: Was
thun Sie eigentlich den ganzen Tag über?"
„Ja", seufzte sic, „da heißt es: wo anfangcn
und wo aufhören? Ich komme ja kann: zu Athen:.
Ehe ich aufgestanden bin nnd Toilette gemacht
habe, ist es ein Uhr geworden. Die Zeit fliegt
ja nur so. Dann heißt es nur eilig in den
Wagen steigen und hierhin und dahin fahren,
um Besuche und Einkäufe zu machen, und da hat
es Noch, daß ich nur um fünf Uhr zum Diner
daheim bin. Nach dem Diner beginnen neue ge-
sellschaftliche Verpflichtungen, Bälle, Theater,
Konzerte!"
„Und dann haben gnädige Frau noch den Vor-
sitz im Frauenverein."
„Ja, das Hütt' ich fast vergessen. Ich glaube
aber kann:, daß ich ihn noch lange führen werde;
die Last ist zu groß. Wühlen Sie vielleicht einen
Ersatz?"
„Es ist natürlich schwer, eine Dame zu finden,
gnädige Frau, die so human und so liberal ist,
wie Sie. Aber halt — eine weiß ich!"
„Nun?"
„Bennigsen!"
„Aber das ist doch ein Mann!"
„Ein Mann? Komische Idee! Wieso?"
„Er heißt doch Rudolf!"
„Ja, macht denn der Vorname den Mann?"
„Nein!" rief die Gnädige überzeugt.
„Na also! Nehmen Sie diese alte Dame; sic
hat Empfehlungen aus den allerhöchsten Kreisen.
Und nun noch eine Bitte, meine Gnädigste: wenn
Ihr Verein die Frauenfrage gelöst hat, dann
lassen Sie mich es doch wissen?"
Sie sicherte es mir feierlichst zu, und nach-
dem ich sie noch zu einen: Abonnement auf den
„Wahren Jacob" überredet hatte, ging ich.
Auf dein Treppenflur traf ich das wirklich
allerliebste Stubenmädchen. Natürlich interviewte
ich sie sofort und erfuhr von ihr, daß die ehe-
maligen Dienstboten der gnädigen Frau einen
Verein gegründet hätten, der jetzt schon hundert-
dreiundfünfzig Mitglieder zähle.

Sultan Ziegeukäs und der Floh.
Lin Märchen.
Än der Wüste Sahara liegt eine Oase, um-
fangreich genug, um ein kleines Sultanat dar-
zustcllen.
Dies erkannte und durchschaute vor langer,
langer Zeit ein ehrgeiziger Dattelschnapswirth
Namens Mnstafa Ziegenkäs und verfuhr ent-
sprechend.
Zuerst erbaute er einen Thron, den: er, um
ihn nie auch blotz für einen Moment verlassen
zu müssen, die Fähigkeit verlieh, als Schlafdivan
und gleichermaßen auch zu anderen diskreten
Neigungen menschlicher Körperlichkeit zweckdienlich
zu sein.

den zwölften Kognak zu sich genommen hatte und
wohlwollend in die Höhlung der Flasche blickte,
fühlte er mit einem Mal einen stechenden Schmerz
in der Gegend des linken Schulterblattes.
Die milde Freundlichkeit seines Antlitzes ver-
wandelte sich in Unwillen; aber er bezwang sich.
Denn die Augen seiner Nation waren auf ihn
gerichtet.
Der Schmerz jedoch dauerte fort und frequen-
tirte im Verlauf qualvoller Stunden die gestimmte
Hinterflüche des mächtigen Selbstherrschers und
Selbstbeherrschcrs.
Endlich kam der Abend; die Augen der Nation
schlossen sich, und der Leibarzt konnte sich un-
gestört auf die dringend erwünschte wissenschaftliche
Forschungsreise machen, wobei er endlich einen
veritablen Floh entdeckte, den er in ein Medizin-
glas setzte.
„Uf!" seufzte der Sultan und kratzte sich.
„Was ist denn das für ein Quälgeist?"
Das Thier in: Medizinglas lächelte ironisch,
machte einen kleinen Sprung und sprach: „Ich
bin ein Revolutionär und Untergrabe:' aller
Autorität und guten Sitte."

Meiner Tochter.
von Lugene Pottier.
Fünf Jahr ist sie alt, ungetauft noch zur Stund',
Kleines tzeidenkind! Gleich dem Bögelein
Ist ihr erster Gruß: Liebe Lonne mein,
Lei gegrüßt! Und sie küßt ihren rosigen Nund.
Dies all ihr Gebet, wie keines es giebt.
Bewundernd schaut sie des tziinmels Blau,
Das goldige Licht, den blinkenden Thau;
Dein Banner, o Freiheit, allem sie liebt!
Fremd ist ihr die Kirche; ihr Lonntagsgang
Gilt den Blüthen im tzag, der Vögel Gesang,
Froh lauscht sie der Lehrerin Aatur.
Belebt, beseelt scheint alles ihr:
Ium jungen Sprossen in Frühlingszier
„wie lacht er", jauchzt sie, „schaut doch nur!"
Deutsch von O.
 
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