2442
„famoses Schlaglicht", — „Jipsmodell mit jroß-
artigen Reflexen", — so ging das eine Weile fort.
Unser Franz Rnnge hatte sich von seiner
Fabrik einen kleinen Sack Gruskohlen mitgebracht,
wie es dort erlaubt war. Er schnürte stillschwei-
gend den Sack auf und wühlte einen Augenblick
mit den Händen darin herum, dann stand er
auf, ging gelassen zu dem Maler hin und streichelte
ihn links und rechts über die Backen.
„Was ist das!" schrie der Künstler auf-
springend und hob seinen gewaltigen Gigerlstock.
„Das ist Schlagschatten", sagte Franz mit
seiner treuherzigen Stimme.
Einige Frennde des Malers hatten auch schon
die beindicken Keulen erhoben, ließen sie aber an-
gesichts der Arbeiterschaar wieder sinken. Die
jungen Damen kicherten, darauf brach von hüben
und drüben ein schallendes Gelächter los, in
welches die vornehme junge Dame einstimmte und
dabei den jungen Arbeiter, der so selbstbewußt
dastand, mit sichtlicher Freude musterte. Man
mußte dem tollen Burschen gut sein, wenn man
ihn ansah. Der Maler Hellbein setzte sich mit
einein hilflosen Seufzer nieder und Franz kehrte
ruhig auf seinen Platz zurück. Hier trat der alte
Herr auf ihn zu und schüttelte ihm herzlich die
schwarze Rechte.
Am Montag darauf ging der Partei der
Arbeiter in der großen Stadt unter verdecktem
Namen ein außerordentlich hoher Beitrag zu. Wir
sind noch manchen Sonnabend Abend mit dem
alten Herrn zusammen gefahren und haben uns
in unserer Unterhaltung nie genirt, obgleich wir
gnt merken konnten, daß er genau zuhörte. Er
war gegen seine Arbeiter, wie wir wußten, jetzt
freundlich und hilfsbereit. Wenn er abgestiegen
war, stand er ost noch lange am Ufer und sah
mit heiterem Blick unserem Schiffe nach, und das
Abendroth bestrahlte verklärend sein ehrwürdiges
Antlitz. ,
Kapellmeister Pan.
(Ein Capriccio.)
Drüben im Schilf sitzt Pan und pfeift auf
seiner Flöte eine vergessene Weiss. Eintönig und
abgeleiert pfeift er das alte, tausendmal gehörte
Lied und er weiß vielleicht kaum mehr, was es
ist und warum er es bläst.
Sonst höre ich ihm manchmal gerne zu, trotz
alledem, und mich freut der alte Kapellmeister, der
so melancholisch geworden ist. Aber heute bin ich
böse gelaunt, und als es mir zu bunt wurde mit
dem ewigen Refrain, schrie ich hinüber:
„Schweig'doch endlich, alter Narr! Heuzntage
brauchen wir Sturm- und Posaunenklänge! Fan-
faren brauchen wir, die Krieg und Erlösung
schmettern, — jubelnde, jauchzende, dröhnende
Weltfanfaren."
Er aber ließ sich nicht irre machen. Nach-
lässig schüttelte er blos den Kopf mit dem krausen,
vollen Haar, als wollte er das lästige Menschen-
thier abschütteln, das ihn im Takte stört. Und
dann wieder das alte Liebeslied. Es war zum
Verzweifeln. Glaubt er denn an seine Liebe?
Glaubt er denn an seine süßen Schalmeien?
Glaubt er denn an das schwermüthige, lang-
weilige Friedensglück?
Und wieder lausche ich und sinne.
Ich weiß, nun wird er mit seinem Liede das
Hexengelichter hervorzaubern, daß es zu tanzen
beginnt in der Waldeinsamkeit. Also auch die
Einsamkeit gehört nicht mehr mir! Auch hier ver-
folgen sie mich mit dem elenden Satansspruch.
Weg! Weg!
Wie süß duftet das Gras, wie frisch nach
Frühlingsblumen. Und die Wellen murmeln und
werden nicht satt, zu den« Liebeslied des Pan
die Begleitung zn spielen. Und die tausend kleinen
Waldvögel lauschen mit geneigten Köpfen und
probiren cs nach: und wie hell, wie fröhlich finden
sie jeden süßen Ton und lassen ihn anschwellen
und nachzittern, daß es durch die Blätter der
Buchen und Lärchen klirrt, wie perlende Tropfen.
Und niemals wird der alte Waldgott müde, seine
Schaar zu unterrichten. Niemals ist er unmnthig,
wenn sie es nicht gleich treffen, die Jungen im
Nest. Ich glaube fast, er lächelt dazu, wenn es
anfangs recht falsch hergeht. Nur noch einmal
von vorne! Nur probiren! Geht es dann ein-
mal, so geht es immer fort. Es ist ja gar nicht
zu vergessen.
Und der Frühlingswind rauscht durch das
Gezweig und schaukelt sich auf den zarten, schwanken
Acsten und rüttelt die hohen, dunklen Kronen-
ich lausche und sinne.
Nun sieht er mich! Er grüßt herüber. Und
in seinen Angen liegt cs fast wie Vorwurf und
stumm giebt er mir seine tiefe Mißbilligung zu
erkennen, denn das Sprechen hat er ganz ver-
lernt in dem primitiven Verkehr.
„Kommst du doch wieder einmal heraus zu
nur? — heißt das — Ja? — Ueber dem Treiben
unter den Andern hast du freilich fast darauf
vergessen. Und das wäre kein Wunder. Aber
sag' doch, du junger närrischer Freund, was geht
dich dieses Treiben an? Es ist dir leid, daß es
so viel Lumpengesindel giebt und daß die Guten
im Elend leben? Dich empören die vielen Schurken,
die in Pracht und Glanz umhergehen? — Ach
geh'doch! Das findest du faul und verdorben?
O, es ist drollig. Mein Wald, — ist mein Wald
vielleicht auch verdorben? Oder blos jene Men-
schen sind es? — Aber halt, ich gebe mich schon
zn viel mit dir ab. Der letzte Ton war wieder
falsch, kleine Meise. Auf diesen mußt du besonders
acht geben, er ist nicht leicht zu treffen. Ein L
ist's — ganz hoch hinauf. So! So! Noch um
eine blasse Idee höher — jetzt! Und nur immer
tüchtig den Athem anhalten und ruhig am Ort
sitzen. Das Herumvagabundircn taugt nicht."
„famoses Schlaglicht", — „Jipsmodell mit jroß-
artigen Reflexen", — so ging das eine Weile fort.
Unser Franz Rnnge hatte sich von seiner
Fabrik einen kleinen Sack Gruskohlen mitgebracht,
wie es dort erlaubt war. Er schnürte stillschwei-
gend den Sack auf und wühlte einen Augenblick
mit den Händen darin herum, dann stand er
auf, ging gelassen zu dem Maler hin und streichelte
ihn links und rechts über die Backen.
„Was ist das!" schrie der Künstler auf-
springend und hob seinen gewaltigen Gigerlstock.
„Das ist Schlagschatten", sagte Franz mit
seiner treuherzigen Stimme.
Einige Frennde des Malers hatten auch schon
die beindicken Keulen erhoben, ließen sie aber an-
gesichts der Arbeiterschaar wieder sinken. Die
jungen Damen kicherten, darauf brach von hüben
und drüben ein schallendes Gelächter los, in
welches die vornehme junge Dame einstimmte und
dabei den jungen Arbeiter, der so selbstbewußt
dastand, mit sichtlicher Freude musterte. Man
mußte dem tollen Burschen gut sein, wenn man
ihn ansah. Der Maler Hellbein setzte sich mit
einein hilflosen Seufzer nieder und Franz kehrte
ruhig auf seinen Platz zurück. Hier trat der alte
Herr auf ihn zu und schüttelte ihm herzlich die
schwarze Rechte.
Am Montag darauf ging der Partei der
Arbeiter in der großen Stadt unter verdecktem
Namen ein außerordentlich hoher Beitrag zu. Wir
sind noch manchen Sonnabend Abend mit dem
alten Herrn zusammen gefahren und haben uns
in unserer Unterhaltung nie genirt, obgleich wir
gnt merken konnten, daß er genau zuhörte. Er
war gegen seine Arbeiter, wie wir wußten, jetzt
freundlich und hilfsbereit. Wenn er abgestiegen
war, stand er ost noch lange am Ufer und sah
mit heiterem Blick unserem Schiffe nach, und das
Abendroth bestrahlte verklärend sein ehrwürdiges
Antlitz. ,
Kapellmeister Pan.
(Ein Capriccio.)
Drüben im Schilf sitzt Pan und pfeift auf
seiner Flöte eine vergessene Weiss. Eintönig und
abgeleiert pfeift er das alte, tausendmal gehörte
Lied und er weiß vielleicht kaum mehr, was es
ist und warum er es bläst.
Sonst höre ich ihm manchmal gerne zu, trotz
alledem, und mich freut der alte Kapellmeister, der
so melancholisch geworden ist. Aber heute bin ich
böse gelaunt, und als es mir zu bunt wurde mit
dem ewigen Refrain, schrie ich hinüber:
„Schweig'doch endlich, alter Narr! Heuzntage
brauchen wir Sturm- und Posaunenklänge! Fan-
faren brauchen wir, die Krieg und Erlösung
schmettern, — jubelnde, jauchzende, dröhnende
Weltfanfaren."
Er aber ließ sich nicht irre machen. Nach-
lässig schüttelte er blos den Kopf mit dem krausen,
vollen Haar, als wollte er das lästige Menschen-
thier abschütteln, das ihn im Takte stört. Und
dann wieder das alte Liebeslied. Es war zum
Verzweifeln. Glaubt er denn an seine Liebe?
Glaubt er denn an seine süßen Schalmeien?
Glaubt er denn an das schwermüthige, lang-
weilige Friedensglück?
Und wieder lausche ich und sinne.
Ich weiß, nun wird er mit seinem Liede das
Hexengelichter hervorzaubern, daß es zu tanzen
beginnt in der Waldeinsamkeit. Also auch die
Einsamkeit gehört nicht mehr mir! Auch hier ver-
folgen sie mich mit dem elenden Satansspruch.
Weg! Weg!
Wie süß duftet das Gras, wie frisch nach
Frühlingsblumen. Und die Wellen murmeln und
werden nicht satt, zu den« Liebeslied des Pan
die Begleitung zn spielen. Und die tausend kleinen
Waldvögel lauschen mit geneigten Köpfen und
probiren cs nach: und wie hell, wie fröhlich finden
sie jeden süßen Ton und lassen ihn anschwellen
und nachzittern, daß es durch die Blätter der
Buchen und Lärchen klirrt, wie perlende Tropfen.
Und niemals wird der alte Waldgott müde, seine
Schaar zu unterrichten. Niemals ist er unmnthig,
wenn sie es nicht gleich treffen, die Jungen im
Nest. Ich glaube fast, er lächelt dazu, wenn es
anfangs recht falsch hergeht. Nur noch einmal
von vorne! Nur probiren! Geht es dann ein-
mal, so geht es immer fort. Es ist ja gar nicht
zu vergessen.
Und der Frühlingswind rauscht durch das
Gezweig und schaukelt sich auf den zarten, schwanken
Acsten und rüttelt die hohen, dunklen Kronen-
ich lausche und sinne.
Nun sieht er mich! Er grüßt herüber. Und
in seinen Angen liegt cs fast wie Vorwurf und
stumm giebt er mir seine tiefe Mißbilligung zu
erkennen, denn das Sprechen hat er ganz ver-
lernt in dem primitiven Verkehr.
„Kommst du doch wieder einmal heraus zu
nur? — heißt das — Ja? — Ueber dem Treiben
unter den Andern hast du freilich fast darauf
vergessen. Und das wäre kein Wunder. Aber
sag' doch, du junger närrischer Freund, was geht
dich dieses Treiben an? Es ist dir leid, daß es
so viel Lumpengesindel giebt und daß die Guten
im Elend leben? Dich empören die vielen Schurken,
die in Pracht und Glanz umhergehen? — Ach
geh'doch! Das findest du faul und verdorben?
O, es ist drollig. Mein Wald, — ist mein Wald
vielleicht auch verdorben? Oder blos jene Men-
schen sind es? — Aber halt, ich gebe mich schon
zn viel mit dir ab. Der letzte Ton war wieder
falsch, kleine Meise. Auf diesen mußt du besonders
acht geben, er ist nicht leicht zu treffen. Ein L
ist's — ganz hoch hinauf. So! So! Noch um
eine blasse Idee höher — jetzt! Und nur immer
tüchtig den Athem anhalten und ruhig am Ort
sitzen. Das Herumvagabundircn taugt nicht."