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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0140

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2482

Die Hlugblattvertheilung am Sonntag Abend.


Der Verhaftete wurde nach seinen Personalien
befragt. Name... Beruf... „Verheiratet?"
„Ja."
„Kinder haben Sie wohl auch?"
„Sechs", sagte Schulze.
„Schämen Sie sich!" schrie Rattler.
„Nanu, weshalb?" rief Schulze aus.
Der Staatsanwalt aus der Hauptstadt nahm
jetzt das Wort.
„Verkehren Sie häufig im Hause des Herrn
Geheimraths Müllenhof?"
Schulze verneinte.
„Sie sind heute dort zum Thee geladen?"
„Nicht daß ich wüßte", bemerkte Schulze.
„Jedenfalls hätten Sie mich deshalb nicht ein-
zusperren brauchen; ich wäre doch nicht hin-
gegangen."
„Weiter", fuhr der Staatsanwalt fort, „haben
Sie aus der Hauptstadt Waffen bezogen."
„Ist mir gar nicht eingefallen."

„Sie leugnen also, aber wir haben hier als
untrüglichen Beweis die unbezahlte Rechnung."
„Muß ein Jrrthum sein, ich pumpe keine
Waffen."
„Gestehen Sie zu", fragte der Staatsanwalt,
„eine Erfindung gemacht zu haben?"
„Freilich", antwortete Schulze überrascht. „Ich
habe einmal einen verbesserten Hobel erfunden,
hatte aber kein Geld, ihn patentiren zu lassen."
Dem Beamten wurde allmälig etwas schwül
zu Muthe; es kam ihm vor, als ob er im Be-
griff stände, sich eine ungeheure Blamage auf
den Hals zu laden. Ziemlich verlegen machte er
dem gutmüthigen Schulze gegenüber die Be-
merkung :
„Sie stehen im Verdacht, eine umstürzlerische
Handlung begangen zu haben, und so hat die
Obrigkeit im Interesse der Sicherheit des Staates
Briefsperre über Sie verhängt. Es scheint aber,
daß hier eine Verwechslung vorgekommen ist."


„Ich habe einmal einen verbesserten tzobel erfunden."

Schulze fing laut zu
lachen an. „Na", meinte
er, „wenn die Sache so
steht, so ist mir Alles
klar. Hier im Orte giebt's
gerade genug Schulzes,
vielleicht auch solche, die
ihre Schncidcrrechnungcn
nicht bezahlen und große
Erfindungen gemacht
haben."
Nun wurde es den
beiden Staatsrettern zur
Gewißheit, daß sie eine
Dummheit begangen hat-
ten. Es gab ja noch mehr
Schulzes in B. Sogleich
wurden Recherchen ange-
stellt. Man fand einen
Ingenieur AngustSchulze,
einen bejahrten, soliden
Mann. Auf den paßte
die Thee-Einladung und
die Erfindung im Werthe
von dreißigtausend Mark.
Die unbezahlten Rech-
nungen und der Liebes-
brief kamen aber auf einen
ziemlich verbummelten
StudentenAugustSchulze,
welcher kürzlich erst aus
der Hauptstadt nach B.
übergesiedelt war. Das
waren ja recht schlimme
Resultate! Man machte
indeß gute Miene zum
bösen Spiel, entschuldigte
sich bei dem Schreiner
Schulze, der beim Abgang
die „Männer des Gesetzes"
treuherzig ermahnte, doch

ja von den Briefstiebereien zu lassen, die immer
einen verderblichen Ausgang nehmen.
Die Folgen waren denn auch trübselig genug.
Von hoher Stelle gab's eine derbe Nase wegen
der begangenen Ungeschicklichkeit, der Ausgang der
Wahl war für die Sozialdemokraten günstig und
der Student Schulze fiel beim Examen durch, so
daß das Töchterchen des Polizeidirektors noch
immer vergeblich auf die Einfahrt in den Hasen
der Ehe wartet. M
Nur rin Kohlentrimmer.
Das Seeamt, mit Arbeit belastet wie immer,
Beschäftigt schon wieder ein Kohlentriinmer.
Der Reichskommissar, Admiral z. D.,
Murrt: „Wieder ein Selbstmord auf hoher See!"
Die Beisitzer, brummige Seekapitäne,
Knurren Verwünschungen durch die Zähne. —
Der erste Zeuge, der Schiffskapitän,
Hat nichts von dem ganzen Vorfall gesehn;
Vielleicht, daß gerade mit Andacht und Müh'
Er zusammengebraut das Kajüten-Menü.
Der Offizier, der betraut mit der Wache,
Weiß nicht das Mindeste von der Sache;
Er paßt ans den Kurs und giebt darauf Acht,
Wie viele Knoten der Dampfer macht.
Der Arzt ist ins Volkslogis kaum gekommen
Und hat von dem Vorfall erst später vernommen.
Der Maschinist kann das Eine nur sagen:
Der betreffende Trimmer ward niemals geschlagen.
Die Heizer meinen: Es reichten die Kräfte
Des Manns nicht so recht zu dem schweren Geschäfte.
Die übrigen Trimmer im Kohlenraum
Kümmerten sich um den Mitsklaven kaum;
Es hat ein Jeder mit sich zu schaffen
Und hat nicht Zeit, nach den Andern zu gaffen.
Und als man, durch Zufall, die Köpfe gezählt,
Da hat eben Einer — der Schwache — gefehlt.
Der Spruch des Seeamtes lautet sofort:
„Es sprang der Trimmer Jan Maat über Bord,
Mißhandlungen hatte er nicht zu erdulden,
Somit trifft Niemand an Bord ein Verschulden."
Nun fraß den Todten vielleicht ein Hai,
Kein Ohr vernahm seinen Stcrbeschrei,
Den Schrei, der gegolten den fernen Lieben,
Die niemals erfahren, wo er geblieben.
Er war nur ein einfacher Kohlentrimmer
Und kehrt von dein Grunde des Meeres nimmer,
Zu künden, wie oft er die Welt verflucht,
Bevor er den Tod in den Wellen gesucht, a. ^v.

-»^7- Schnitzel.
Diplomaten machen es oft wie manche Aerzte, sie ziehen
die Nebel, die sie kuriren sollen, künstlich in die Länge.
Vernunft geht auf eigenen Füßen, der Glaube muß sich
eines Kameels oder Esels zum Reiten bedienen.
Die kapitalistische Habsucht ist der große Haifisch, der die
zarten Gold- und Silberfische des Herzens, Nächstenliebe, Mit-
leid u. s. w., erbarmungslos verschlingt.
 
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