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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0181

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2523

Die Landarbeiter.

Italien,
Das Land einst mächtig und blühend.
Das sich den Lrdkreis unterwarf.
Das Schätze der Rultur
In unermeßlicher.
Unvergänglicher
Hülle geschaffen!
Ungarn,
Das von der Natur
Ueberreich gesegnete,
Mit dem trotzigen.
Freiheitliebenden Volke,
Vor dem Luropa
Linst gezittert!
Jetzt herrscht nur eins noch
Unumschränkt
In beiden schönen Ländern:
Die frech raubende.
Nichts schonende.
Nichts scheuende
Beutegier.
Urm und unterdrückt die Nassen
Hier wie dort.
Doch wieder ersteht
In beiden eine Nacht,
Die Luropa zittern läßt.
Das alternde.
Vom Unrecht gefesselte.
Verzweifelt ringende Luropa.
Uber diesmal ist's

Das Zittern der Lntrüstung,
Der ungeduldigen Hoffnung.
Die Landarbeiter
Fordern ihren kargen,
Nit blutigem Schinden
Verdienten Lohn,
Fordern ihr gutes Recht
vom prahlenden Besitz,
Der im Nichtsthun schlemmt.
Freut euch, ihr Arbeiter
In den Fabriken des Nordens und
Westens!
Die Hilfstruppen rücken an
Von Osten und Lüden.
Nicht mit Sensen und Forken
wollen sie kämpfen,
Uber mitschlagen
Die große Hunnenschlacht,
Die Geisterschlacht
Auf dem Feld des Gedankens
Und des ewigen Menschenrechts.
Und die Nächtigen —
Mögen sie schießen.
Mögen sie verhaften.
Summarisch verurtheilen!
Die Braven siegen doch,
Nit euch siegen sie.
Lljen!
Lvviva! Dsrtr. äs U.

Sächsisches.
In einer Gemeiudcrathssitzung eines sächsischen Dorfes wurde kürzlich
ein Antrag der Arbeitervertreter, mährend der kommenden Winterszeit an
einigen schwer zu passirenden Stellen Laternen aufzustellen, um Unglücks-
fälle zu vermeiden, abgelchnt mit der Motivirung, die Arbeiter sollen
eben bei Tage nach Hause gehen. Die Arbeitervertreier wollen nun den
Antrag stellen, die weisen Gemeinderäthe möchten dafür sorgen, daß
Geschäftsbeginn und Feierabend niemals bei Dunkelheit stattfinden dürfe.
Dann wäre beiden Theilen geholfen.

Hobrlspähnr.
O wahre deine Börse,
Du deutscher Bürgersmann,
Sonst bohrt der Herr von Miquel
Sie mit Torpedos an.
O panzere deine Tasche,
Und deck' sie mit schützender Hand,
Den drohenden Panzerkreuzern
Zu leisten Widerstand.
Wer eine faule Sache zu vertreten hat, sucht
.„nigstens einen gutklingenden Rainen dafür zu
finden. Deswegen nennen sich die Vertreter der
Reaktion und Korruption am liebsten Ordnungsmänner.
Heut wirbt man um des Zaren Gunst,! Du armes Europa, es fehlt nicht viel,
Tauscht Titel aus und Orden — j Dann bist du kosakisch geworden.
„Ach Gott, sünd dat flechte Tiden", säd de sleswig-holsteensche Buur,
„in'n Norden sünd de Lüüd dänsch, in de Stadt sozialdemokratsch, —
de Offen warn vun Dag to Dag billiger, un nu is Herr von Köller
ook noch Oberpräsident worn!"
Daß der neueste Kurs gut ist, kann man nicht sagen; daß er schlecht
ist, darf man nicht sagen; er ist eben miquelmäßig.
Unter dem gegenwärtigen Kurs sind die Aerzte mehr zu fürchten,
als die Krankheiten. « , *
Es ist nicht zu bestreiten: Das heutige System ist ängstlich bemüht,
keine Spur von Genialität zu zeigen.
Außer den Reichsfürsten und Bürgermeistern der freien Städte
herrscht in Deutschland noch — die allgemeine Unzufriedenheit.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.


im parlamentarischen Leben zu Tage fördert. Ferner
sind Falschmünzer thätig, welche den von preu-
ßischen Junkern angestrebten Bimetallismus vor-
bereiten. In einem Extrakabinet wird von be-
sonders boshaften Teufeln an einem neuen Ver-
einsgesetze geschneidert, das an die Oberwelt
befördert werden soll an Stelle des verunglückten
Rcckeschen Produkts.
In der Hölle selbst herrscht dagegen ein blühen-
des Vereinsleben. Da haben wir z. B. den an
Mitgliederzahl überaus starken Verein „Du ahnst
cs nicht!" Derselbe besteht aus ehemaligen
Ministern, die vom Teufel geholt wurden. Vor-
sitzender ist der dänische Minister Struensee, der
im Jahre 1773 einem sehr knorrigen Lucanus zum
Opfer fiel. Den Kassircrposten versieht der Jud
Süß. Der ehemalige österreichische Kriegsnnnister
Theodor Latonr besorgt als Lokalwart das Laternen -
anzüuden, und für Bismarck, auf dessen baldiges Er-
scheinen man rechnet, wurde der Posten eines Al-
moseniers reservirt. So geht der Ministerverein
„Du ahnst es nicht" neuem Aufschwung entgegen.
Auch ein adeliges Kasino giebt's in der Hölle,
dem sämmtliche Raubritter angehören. Sie tragen
als Vereinszeichen den Strick um den Hals und
nennen sich noch heute „von", weil ihre hervor-
ragendsten Mitglieder immer von irgend welchem
Galgen abgeschnitten worden sind. Den Vorsitz
führt dann gewöhnlich der alte Dietrich von Eulen-
burg, das Hoch auf die Damen bringt Rinaldini
aus und der große Seeräuber Störtebecker toastet
auf die Marine.
Aber mau lebt in der Hölle nicht blos ge-
selligen Vergnügungen, sondern verfolgt auch alle
politischen Bewegungen mit großem Interesse.
So hat in einflußreichsten Kreisen die agrarische
Agitation der preußischen Junker wärmste Sym-
pathie. Man sagt sich, wenn die Lebensverhält-
nisse immer mehr verschlechtert werden, dann wird
Hunger und Roth viele brave Menschen auf Ab-
wege treiben, und Seine Eminenz der Teufel hat
den Gewinn davon. Auch die Affäre Tausch hat
in der ganzen Hölle großes Aufsehen erregt: eine

so wirksame Unterstützung, wie sie durch Züchtung
von Galgenvögeln betrieben wird, hätte der Teufel
von dem frommen preußischen Staate gar nicht
zu erhoffen gewagt.
Wenn nächstens das ganze Ministerium Hohen-
lohe zum Teufel geht, wird die Hölle festlich be-
flaggt und illuminirt werden.
Ich sende dann sofort wieder Originalbericht.
Für heute grüßt mit höllischer Ergebenheit
Pipifax der Kleine.
Schleswig -Holstein, meerumschlungen.
Was fehlt dir, schönes Land, was trauerst du?
Die goldnen Saaten wogen in der Sonne,
Die Segel schimmern auf dem weiten Meer.
Viel rüst'ge Arbeit, wenig bittre Roth.
Die Menschen längst vom Freiheitslicht durchstrahlt,
Kraftvoll und muthig und gedankenklar.
Du Land, so schön wie eine frische Maid,
Was fehlt dir, holdes Kind, was trauerst du?
Dir fehlt ein Mann, ein kräft'ger, flotter Bursche,
Der spricht: Wat Jerhart Hauptmann, Jottfried
Aeüer'!
Wat Keller — Köller! Ick bin Herr von Köller!
Der, beide Hände in den Hosentaschen,
Dem Reichstag zuruft: Na, wenn nich, denn nich!
Der ebenso wie du die Freiheit schätzt,
Die Freiheit seiner schncid'gen Polizei;
Um den sich schon zwei schöne Schwestern rissen,
Elsaß und Lothringen, doch ganz umsonst.
Der fehlte dir, mein Mädchen. Nimm ihn denn.
Jetzt fehlt dir nichts. Da hast du deinen Köller!

Der innere Feind.
Ein Umzug polnischer Kinder gefährdete die
Provinz Posen. Die Polizei schritt zum Angriff und
eroberte nach heftigem Kampf eine Anzahl Fahnen
und Standarten. Das Militär wartete schuß-
bereit in den Kasernen, trat aber nicht in Aktion.
Unweit der französischen Grenze schrie ein
Säugling, der von einem Floh gequält wurde,

mit so durchdringender Stimme, daß man es
drüben in Frankreich hören konnte. Von fern
klang das Geschrei gerade wie: Vivs la Uranos!
Die Garnison von Metz wurde alarmirt und ein
Kesseltreiben auf den staatsgcfährlichcn Floh ver-
anstaltet, den man nach zwölfstündiger Jagd
lebendig fing und dann standrechtlich füsilirte.
In einer Bauernkneipe Nordschleswigs zeigte
sich um Mitternacht das dänische Gespenst. Der
Nachtwächter trat herein, fällte seine Pike und
sprach dreimal nachdrücklich den Namen v. Köller.
Beim dritten Mal fuhr das Gespenst zum Schorn-
stein hinaus. Der Nachtwächter entdeckte nun noch
eine Flasche mit der unpatriotischen, nahezu ver-
rätherischen Aufschrift: „Aalborger Aquavit".
Er nahm mit deutschem Heldenmuih im Namen des
Gesetzes die Flasche vor den Hals und trank sie aus.
Eine Frau im Hannoverland hängte Kinder-
tücher auf die Leine, an denen bei genauerem
Zusehen die alten welfischen Farben Gelb und
Weiß zu erkennen waren. Drei Batterien Feld-
artillerie und zwei Festungsgeschütze beschossen die
Zeugleine so lange, bis von dem verderbendrohen-
den zweifarbigen Kinderzeug kein Fetzen mehr
da war. ——
Der böse Blick.
In Mecklenburg kehrten zwei Arbeitswillige
von tren vollbrachter Arbeit zurück. Da standen
am Wege zwei Streikende. In ihrer raffinirtcn
Schlauheit schwiegen sie. Aber jeder von ihnen
sandte den Heimkehrenden einen Blick zu, einen
bösen Blick, der den Armen tief ins Gewissen
oder in Ermangelung eines solchen in die Ge-
därme drang, und zwar mit solcher Heftigkeit,
daß die ihnen Begegnenden sich die Nase zuhielten.
Die beiden schwer Getroffenen flüchteten sich blaß,
nut schlotternden Knien nach Hause.
Aber es gicbt in Mecklenburg noch Richter
und eine strenge, aber gerechte Polizei. Die beiden
Männer mit dem bösen Blick werden, wie es sich
gehört, wegen groben Unfugs eine Woche eingelocht.
Nachdruck sämmtlicher Artikel rc. verboten.

Im Erscheinen begriffen ist: Geschichte der Deutschen So;ialdrrnvkrrrtie von Franz Mehring.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Kolporteure.

Erscheint in 14 tägigen Lieferungen ä. 20 Pfg.
 
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