2538
Lieöer eines Sklaven.
von Zwatopluk Lech.
8reie Uebertragung ins Deutsche von Jan rloutek.
MutterschmcrI.
Sklavin, die du überm Rinde
Neigst den schatt'gen Zweig,
In Lianen-Bastgewinde
Wiegst den Säugling stumm und bleich —
Lege ab die Blüthenschwinge,
Horch! ein Wiegenlied ich singe
Deinem Kleinen schmerzensreich!
Schließe deine Augenlider,
Kleiner Sklave, zu!
Sternhell stieg die Nacht hernieder,
Und der Himmel ist voll Ruh'.
Statt der Nutter, die so müde,
Grüß' ich dich mit meinem Liede,
Zklavensäugling du!
Doch es kann aus meinem Singen
Kalt und liebeleer
Rur Nusik der Knechtschaft klingen:
Kettenrasseln, rauh und schwer.
Denn auch dir sind ach! hieniedcn
Kesseln, Kesseln nur beschieden,
Kesseln — sonst nichts mehr!
Die mit Schmerzen dich geboren,
Ihr gehörst du? Rein!
vom Gebieter auserkoren.
Wirst du ihm geopfert sein.
Kaum wirst du die Welt erschauen.
Wühlt er seine Raubthierklauen
Schon ins Herz dir ein.
Richt dich in den Staub zu beugen.
Schuf dich die Natur —
Doch es werden, die dich säugen
Nit Helotenlehre nur.
Dich herab zum Werkzeug drücken
Und in deiner Brust ersticken
Jeder Kreiheit Spur.
Kloh dir, da die Jahre wandern.
Linst die Jugendzeit,
Ach! dann zwingen, wie die Andern,
Sie auch dich zum Kahneneid,
Und aufs blut'ge Zchlachlfeld führen
Hörnerschall und Crommclrühren
Dich zu wildem Streit.
Willst du selbst nicht sein geknutet
Bis zum Grabesrand,
Wohl! so knute, daß da blutet
Wen da martert deine Hand!
Denn willst du der Knechtschaft Äualen
Klug entfliehn, so mußt du zahlen
Kreiheit mit der Schänd'.
Kittige der Rächt schon wehen
Dir ums Angesicht.
Ueber Palmen in den Höhen
Glänzt der Sterne bleiches Licht.
Knabe, schließ' die Augenlider
Und erwache niemals wieder.
Rein! erwache nicht!
Irr der Sommernacht.
Skizze aus der Vorstadt einer amerikanischen Großstadt.
Von Henr^ Steichnrann.
Drückende Schwüle lagert über der Stadt,
athembeklemmend. Kein Lüstchen regt sich.
Schmutzige Kinder, meist barfüßig, spielen auf
der Straße Greifen oder Ball, lärmend und
schreiend und jauchzend, wie Kinder bei ihrem
Spiele thun; die größeren Mädchen springen über
eine von zivei Gespielinnen geschwungene Leine.
Sie kümmert nicht die Hitze, ihr Interesse ist
ganz dem Spiel gewidmet.
Vor den Häusern schwatzen die Weiber; Klatsch
und Tratschgeschichtcn bilden den Gesprächsstoff;
mitunter reden sie von den: hohen Zins oder den
Krankheiten ihrer Kinder oder dem Saufen ihrer
Männer. Diese sitzen mit Thonpfeifen im Munde
qualmend beieinander, sie schauen halbidiotisch
drein, die lebenslängliche Frohn macht sie stumpf.
An den Zäunen stehen die jungen Burschen und
Mädchen. Hier geht's lustig zu. Die Burschen
flüstern ihren Auserkorenen grobe Schmeicheleien
ins Ohr, Alle glühen vor Hitze und Erregung;
hin und wieder, bei einem besonders rohen Wort,
durchschncidct ein lautes Kreischen schrill die Luft.
Unterdessen hat die Schwüle trotz der vor-
schreitenden Nacht nicht abgcnommen; ich lechze
nach Frische. O, käme doch ein Gewitter, wie
würde ich dem Sturme entgegenjauchzen, der die
drückende Schwüle hinwegfegt, und dem Blitze,
der die Luft erneut!
Plötzlich ertönen die Klänge einer Straßen-
musik. Brummend beginnen Baß und Trompete,
und hell schmettert die Klarinette darein; es ist
eine deutsche Musikbande. Die Kinder werfen
alles bei Seite und tummeln sich jauchzend auf
der Straße umher oder tanzen zu Zwei nach dem
Takte der Musik auf dem Seitenweg auf und ab.
Die jungen Burschen und Mädchen ziehen nach
dem nächsten dürftigen Rasenplatz und tanzen
lustig im tollen, bunten Reigen.
" * "
Da, mit einem Male, drängt sich die Menge
vor einem alten einstöckigen Hause zusammen, und
bald steheil die erstaunten Musiker allein, Niemand
horcht mehr auf die sonst so willkommenen Klänge,
ein selteneres und deshalb aufregenderes Ereigniß
nimmt das Denken Aller in Anspruch. Vor dem
Hause steht eine Frau, fast in Lumpen gekleidet,
und heult laut. An ihren Röcken hängen drei
Kinder, barfüßig und ebenfalls schlecht gekleidet;
die Familie muß zu den Allerürmsten dieses armen
Viertels gehören.
Endlich habe ich mich bis in die ersten Reihen
durchgedrängt, mich verwundert fragend, was das
Alles mich eigentlich angeht, und sehe jetzt die
Frau dicht vor mir.
„Ach Gott! ach Gott!" jammert sie immer
fort, dazwischen wieder laut schreiend: „Solch' ein
Elend, solch' ein Elend!"
Aber noch weiß Keiner, was eigentlich geschehen
ist; schließlich geht ein Alter — er hat einen laugen
Lieöer eines Sklaven.
von Zwatopluk Lech.
8reie Uebertragung ins Deutsche von Jan rloutek.
MutterschmcrI.
Sklavin, die du überm Rinde
Neigst den schatt'gen Zweig,
In Lianen-Bastgewinde
Wiegst den Säugling stumm und bleich —
Lege ab die Blüthenschwinge,
Horch! ein Wiegenlied ich singe
Deinem Kleinen schmerzensreich!
Schließe deine Augenlider,
Kleiner Sklave, zu!
Sternhell stieg die Nacht hernieder,
Und der Himmel ist voll Ruh'.
Statt der Nutter, die so müde,
Grüß' ich dich mit meinem Liede,
Zklavensäugling du!
Doch es kann aus meinem Singen
Kalt und liebeleer
Rur Nusik der Knechtschaft klingen:
Kettenrasseln, rauh und schwer.
Denn auch dir sind ach! hieniedcn
Kesseln, Kesseln nur beschieden,
Kesseln — sonst nichts mehr!
Die mit Schmerzen dich geboren,
Ihr gehörst du? Rein!
vom Gebieter auserkoren.
Wirst du ihm geopfert sein.
Kaum wirst du die Welt erschauen.
Wühlt er seine Raubthierklauen
Schon ins Herz dir ein.
Richt dich in den Staub zu beugen.
Schuf dich die Natur —
Doch es werden, die dich säugen
Nit Helotenlehre nur.
Dich herab zum Werkzeug drücken
Und in deiner Brust ersticken
Jeder Kreiheit Spur.
Kloh dir, da die Jahre wandern.
Linst die Jugendzeit,
Ach! dann zwingen, wie die Andern,
Sie auch dich zum Kahneneid,
Und aufs blut'ge Zchlachlfeld führen
Hörnerschall und Crommclrühren
Dich zu wildem Streit.
Willst du selbst nicht sein geknutet
Bis zum Grabesrand,
Wohl! so knute, daß da blutet
Wen da martert deine Hand!
Denn willst du der Knechtschaft Äualen
Klug entfliehn, so mußt du zahlen
Kreiheit mit der Schänd'.
Kittige der Rächt schon wehen
Dir ums Angesicht.
Ueber Palmen in den Höhen
Glänzt der Sterne bleiches Licht.
Knabe, schließ' die Augenlider
Und erwache niemals wieder.
Rein! erwache nicht!
Irr der Sommernacht.
Skizze aus der Vorstadt einer amerikanischen Großstadt.
Von Henr^ Steichnrann.
Drückende Schwüle lagert über der Stadt,
athembeklemmend. Kein Lüstchen regt sich.
Schmutzige Kinder, meist barfüßig, spielen auf
der Straße Greifen oder Ball, lärmend und
schreiend und jauchzend, wie Kinder bei ihrem
Spiele thun; die größeren Mädchen springen über
eine von zivei Gespielinnen geschwungene Leine.
Sie kümmert nicht die Hitze, ihr Interesse ist
ganz dem Spiel gewidmet.
Vor den Häusern schwatzen die Weiber; Klatsch
und Tratschgeschichtcn bilden den Gesprächsstoff;
mitunter reden sie von den: hohen Zins oder den
Krankheiten ihrer Kinder oder dem Saufen ihrer
Männer. Diese sitzen mit Thonpfeifen im Munde
qualmend beieinander, sie schauen halbidiotisch
drein, die lebenslängliche Frohn macht sie stumpf.
An den Zäunen stehen die jungen Burschen und
Mädchen. Hier geht's lustig zu. Die Burschen
flüstern ihren Auserkorenen grobe Schmeicheleien
ins Ohr, Alle glühen vor Hitze und Erregung;
hin und wieder, bei einem besonders rohen Wort,
durchschncidct ein lautes Kreischen schrill die Luft.
Unterdessen hat die Schwüle trotz der vor-
schreitenden Nacht nicht abgcnommen; ich lechze
nach Frische. O, käme doch ein Gewitter, wie
würde ich dem Sturme entgegenjauchzen, der die
drückende Schwüle hinwegfegt, und dem Blitze,
der die Luft erneut!
Plötzlich ertönen die Klänge einer Straßen-
musik. Brummend beginnen Baß und Trompete,
und hell schmettert die Klarinette darein; es ist
eine deutsche Musikbande. Die Kinder werfen
alles bei Seite und tummeln sich jauchzend auf
der Straße umher oder tanzen zu Zwei nach dem
Takte der Musik auf dem Seitenweg auf und ab.
Die jungen Burschen und Mädchen ziehen nach
dem nächsten dürftigen Rasenplatz und tanzen
lustig im tollen, bunten Reigen.
" * "
Da, mit einem Male, drängt sich die Menge
vor einem alten einstöckigen Hause zusammen, und
bald steheil die erstaunten Musiker allein, Niemand
horcht mehr auf die sonst so willkommenen Klänge,
ein selteneres und deshalb aufregenderes Ereigniß
nimmt das Denken Aller in Anspruch. Vor dem
Hause steht eine Frau, fast in Lumpen gekleidet,
und heult laut. An ihren Röcken hängen drei
Kinder, barfüßig und ebenfalls schlecht gekleidet;
die Familie muß zu den Allerürmsten dieses armen
Viertels gehören.
Endlich habe ich mich bis in die ersten Reihen
durchgedrängt, mich verwundert fragend, was das
Alles mich eigentlich angeht, und sehe jetzt die
Frau dicht vor mir.
„Ach Gott! ach Gott!" jammert sie immer
fort, dazwischen wieder laut schreiend: „Solch' ein
Elend, solch' ein Elend!"
Aber noch weiß Keiner, was eigentlich geschehen
ist; schließlich geht ein Alter — er hat einen laugen