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Der verkannte Agitator.
Line wahre Teschichte.
(As war ein herrlicher Frühlingsabend. Der
Münchener Schnellzug donnerte in die Station
des kleinen Bergstädtchens X. und nahm dort
eine Minute Aufenthalt.
Dem Zuge entstiegen ein Herr und eine
Dame.
Eine Gruppe von Leuten, welche auf dem
Perron gewartet hatte, näherte sich dem Paar
und man tauschte Begrüßungen aus.
„Wie steht's?" fragte der Angekommene.
„Alles in Ordnung", wurde erwidert. „Die
Versammlung ist anberaumt und durch Plakate
öffentlich angekündigt."
Man verwies gleichzeitig auf ein rothes
Plakat, welches an einer Mauer zunächst dem
Bahnhofe zu bemerken war. Dasselbe meldete,
der Gewerkverein werde morgen, Sonntag, im
Gasthofe zum „Wendelstein" eine Versammlung
„Und was geht das die Polizei an?" fragte
der Bürger.
Der Gendarm warf ihm einen strengen Blick
zu. „Reden's net so damisch daher, die Polizei
geht Alles an, merken Sie sich das!"
Der Andere schwieg und Winkelhuber wurde
nach und nach auf den Tisch der Sozialdemo-
kraten aufmerksam, wo der fremde Agitator
mit seiner jungen Frau den Mittelpunkt der
Unterhaltung bildete.
Ein Fremder mit einem Weib .,. . sollte
das am Ende gar der Bauchredner sein?
Der Gendarm spitzte die Ohren. Aber er
hörte zunächst nur mit dem Munde und nicht
mit dem Bauche reden.
„Sie, Rosel", rief er gelegentlich die Kell-
nerin an, „wer ist denn der Fremde da drüben?"
„I woas net", erwiderte Rosel, „i mein',
„Soll warten."
Die Polizei, vertreten durch Herrn Winkel-
huber, ging ins Gastzimmer und wartete.
Nach einer halben Stunde erschien Wetter-
mann und fragte den Gendarmen, was er
wünsche.
„Sie haben mir augenblicklich zur Amts-
stube zu folgen", war die kategorische Antwort.
„Oho, dazu habe ich keine Zeit, ich muß
auf meine Frau warten."
„Die muß auch mit!" rief Winkelhuber.
Ein Agitator ist auf polizeiliche Zwischen-
fälle jeder Art immer gefaßt. Deshalb bemerkte
Wettermann nur, seine Frau werde schwerlich
dieser liebenswürdigen Einladung folgen, da
sie erst im Begriff sei, sich anzukleiden.
„So werde ich warten, bis sie damit fertig
ist", entschied Winkelhuber galant und bestellte
eine Maß Bier.
Nach längerer Zeit erschien Frau Wetter-
mann und war sehr erstaunt, daß die bewaff-
nete Macht von X. ihrer harrte.
„Nun vorwärts!" kommandirte Winkelhuber.
Unter polizeilicher Aufsicht wurde der Kaffee
ohne strafbare Zwischenfälle genossen. Nach
einer Stunde stand das Ehepaar vor dem
obersten Polizeigewaltigen des Städtchens. Es
folgten sich die üblichen Personal fragen: „wer?",
„woher?", „wann geboren?" re. „Sind Sie
verheirathet?"
„Ja", betheuerte Wettermann.
„Und das ist Ihre Frau?"
Wettermann bejahte die Frage durch ein
Kopfnicken.
„Und was wollen Sie hier in X. ?"
„Das steht an allen Straßenecken ange-
schlagen."
„Was? So wären Sie kein Bauchredner?"
„Nein, ich rede mit dem Munde."
„Warum haben Sie das nicht gleich ge-
sagt?"
„Ich habe nicht gewußt, daß man hier zu
Lande auch mit dem Bauche spricht."
Dagegen konnte die Polizei von X. nichts
einwenden, das Paar wurde entlassen, die Ver-
sammlung fand unter großem Zuspruch statt
und der Redner sprach nicht mit dem Bauche,
sondern tüchtig von der Leber weg.
abhalten, in welcher ein Redner aus der Resi-
denz, Robert Wettermann, über die Gewerk-
schaftsbewegung referiren solle.
Robert Wettermann, dies mar der Ange-
kommene, stellte den Genossen von X. seine
junge Frau vor, welche ihn auf seiner Agi-
tationstour in das Bergland begleitete. Man
begab sich zum Gasthof, und in der Gaststube
des „Wendelstein" bildeten die Sozialdemokraten
alsbald eine fröhliche Tafelrunde.
In der Nähe saß auch der gestrenge Orts-
gendarm Winkelhuber hinter einem Maßkruge
und strich nachdenklich seinen gewaltigen Schnurr-
bart. Er achtete der Sozialdemokraten nicht,
denn er schien mit seinen ganzen Sinnen in ein
wichtiges Problem vertieft.
„Warum so grantig, Herr Winkelhuber?"
fragte ihn ein Stammgast, der am selben Tische
Platz genommen hatte.
Der Gendarm zuckte die Achseln und zeigte
eine Feldherrnmiene, wie sie etwa Scipio vor
der Schlacht bei Zama zur Schau getragen
haben mag.
„Muß einen wichtigen Fang machen", sagte
er geheimnißvoll. „Es ist Meldung ergangen,
daß in unserer Gegend ein Bauchredner mit
einer Weibsperson umeinand' zieht; den Lackl
soll ich halt einliefern."
„Was hat er denn verbrochen?"
„Er ärgert die Leut' und frozzelt sie mit
seiner dalketen Bauchschwäherei."
a Redner soll's sein."
„Redner? Mit was
redet er? Etwa mit dem
Bauch?" fragte Winkel-
huber.
„Schon möglich", lachte
Rosel, und fügte hinzu,
es sei an jenem Tische
allerdings gesagt worden,
der fremde Herr habe „eine
Rede im Bauche".
Winkelhuber aber meinte,
die Sachlage sei jetzt so
kritisch, daß er seinem Vor-
gesetzten noch Bericht er-
statten und weitere Befehle
entgegen nehmen müsse.
Säbelrasselnd schritt er hin-
aus, dem fremden Agitator
noch einen inquisitorischen
Blick zuwerfend.
Am anderen Morgen
wurde Robert Wettermann
durch ein großes Gepolter-
geweckt, das im Korridor
stattfand. Man klopfte
heftig an seiner Thüre.
„Was ist los?"
„Die Polizei ist da!"
„Redner? Mit waS redet er? Etwa mit dem Bauch?"
Der verkannte Agitator.
Line wahre Teschichte.
(As war ein herrlicher Frühlingsabend. Der
Münchener Schnellzug donnerte in die Station
des kleinen Bergstädtchens X. und nahm dort
eine Minute Aufenthalt.
Dem Zuge entstiegen ein Herr und eine
Dame.
Eine Gruppe von Leuten, welche auf dem
Perron gewartet hatte, näherte sich dem Paar
und man tauschte Begrüßungen aus.
„Wie steht's?" fragte der Angekommene.
„Alles in Ordnung", wurde erwidert. „Die
Versammlung ist anberaumt und durch Plakate
öffentlich angekündigt."
Man verwies gleichzeitig auf ein rothes
Plakat, welches an einer Mauer zunächst dem
Bahnhofe zu bemerken war. Dasselbe meldete,
der Gewerkverein werde morgen, Sonntag, im
Gasthofe zum „Wendelstein" eine Versammlung
„Und was geht das die Polizei an?" fragte
der Bürger.
Der Gendarm warf ihm einen strengen Blick
zu. „Reden's net so damisch daher, die Polizei
geht Alles an, merken Sie sich das!"
Der Andere schwieg und Winkelhuber wurde
nach und nach auf den Tisch der Sozialdemo-
kraten aufmerksam, wo der fremde Agitator
mit seiner jungen Frau den Mittelpunkt der
Unterhaltung bildete.
Ein Fremder mit einem Weib .,. . sollte
das am Ende gar der Bauchredner sein?
Der Gendarm spitzte die Ohren. Aber er
hörte zunächst nur mit dem Munde und nicht
mit dem Bauche reden.
„Sie, Rosel", rief er gelegentlich die Kell-
nerin an, „wer ist denn der Fremde da drüben?"
„I woas net", erwiderte Rosel, „i mein',
„Soll warten."
Die Polizei, vertreten durch Herrn Winkel-
huber, ging ins Gastzimmer und wartete.
Nach einer halben Stunde erschien Wetter-
mann und fragte den Gendarmen, was er
wünsche.
„Sie haben mir augenblicklich zur Amts-
stube zu folgen", war die kategorische Antwort.
„Oho, dazu habe ich keine Zeit, ich muß
auf meine Frau warten."
„Die muß auch mit!" rief Winkelhuber.
Ein Agitator ist auf polizeiliche Zwischen-
fälle jeder Art immer gefaßt. Deshalb bemerkte
Wettermann nur, seine Frau werde schwerlich
dieser liebenswürdigen Einladung folgen, da
sie erst im Begriff sei, sich anzukleiden.
„So werde ich warten, bis sie damit fertig
ist", entschied Winkelhuber galant und bestellte
eine Maß Bier.
Nach längerer Zeit erschien Frau Wetter-
mann und war sehr erstaunt, daß die bewaff-
nete Macht von X. ihrer harrte.
„Nun vorwärts!" kommandirte Winkelhuber.
Unter polizeilicher Aufsicht wurde der Kaffee
ohne strafbare Zwischenfälle genossen. Nach
einer Stunde stand das Ehepaar vor dem
obersten Polizeigewaltigen des Städtchens. Es
folgten sich die üblichen Personal fragen: „wer?",
„woher?", „wann geboren?" re. „Sind Sie
verheirathet?"
„Ja", betheuerte Wettermann.
„Und das ist Ihre Frau?"
Wettermann bejahte die Frage durch ein
Kopfnicken.
„Und was wollen Sie hier in X. ?"
„Das steht an allen Straßenecken ange-
schlagen."
„Was? So wären Sie kein Bauchredner?"
„Nein, ich rede mit dem Munde."
„Warum haben Sie das nicht gleich ge-
sagt?"
„Ich habe nicht gewußt, daß man hier zu
Lande auch mit dem Bauche spricht."
Dagegen konnte die Polizei von X. nichts
einwenden, das Paar wurde entlassen, die Ver-
sammlung fand unter großem Zuspruch statt
und der Redner sprach nicht mit dem Bauche,
sondern tüchtig von der Leber weg.
abhalten, in welcher ein Redner aus der Resi-
denz, Robert Wettermann, über die Gewerk-
schaftsbewegung referiren solle.
Robert Wettermann, dies mar der Ange-
kommene, stellte den Genossen von X. seine
junge Frau vor, welche ihn auf seiner Agi-
tationstour in das Bergland begleitete. Man
begab sich zum Gasthof, und in der Gaststube
des „Wendelstein" bildeten die Sozialdemokraten
alsbald eine fröhliche Tafelrunde.
In der Nähe saß auch der gestrenge Orts-
gendarm Winkelhuber hinter einem Maßkruge
und strich nachdenklich seinen gewaltigen Schnurr-
bart. Er achtete der Sozialdemokraten nicht,
denn er schien mit seinen ganzen Sinnen in ein
wichtiges Problem vertieft.
„Warum so grantig, Herr Winkelhuber?"
fragte ihn ein Stammgast, der am selben Tische
Platz genommen hatte.
Der Gendarm zuckte die Achseln und zeigte
eine Feldherrnmiene, wie sie etwa Scipio vor
der Schlacht bei Zama zur Schau getragen
haben mag.
„Muß einen wichtigen Fang machen", sagte
er geheimnißvoll. „Es ist Meldung ergangen,
daß in unserer Gegend ein Bauchredner mit
einer Weibsperson umeinand' zieht; den Lackl
soll ich halt einliefern."
„Was hat er denn verbrochen?"
„Er ärgert die Leut' und frozzelt sie mit
seiner dalketen Bauchschwäherei."
a Redner soll's sein."
„Redner? Mit was
redet er? Etwa mit dem
Bauch?" fragte Winkel-
huber.
„Schon möglich", lachte
Rosel, und fügte hinzu,
es sei an jenem Tische
allerdings gesagt worden,
der fremde Herr habe „eine
Rede im Bauche".
Winkelhuber aber meinte,
die Sachlage sei jetzt so
kritisch, daß er seinem Vor-
gesetzten noch Bericht er-
statten und weitere Befehle
entgegen nehmen müsse.
Säbelrasselnd schritt er hin-
aus, dem fremden Agitator
noch einen inquisitorischen
Blick zuwerfend.
Am anderen Morgen
wurde Robert Wettermann
durch ein großes Gepolter-
geweckt, das im Korridor
stattfand. Man klopfte
heftig an seiner Thüre.
„Was ist los?"
„Die Polizei ist da!"
„Redner? Mit waS redet er? Etwa mit dem Bauch?"