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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0230

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2570

-»>> An öie Aengstlichen.

^)eutscher Bürger, brav und bieder,
Schau' -ich um mit Hellem Blick —
Allerorten regt sich's wieder
In der hohen Politik.
vieles will man dir bescheeren,
was du gar nicht nöthig hast,
Und man will dabei vermehren
Deiner Steuern Zentnerlast.
Line Schlachtenflotte, mächtig,
wie man keine noch gesehn,
Soll in Stahl und Lisen prächtig
Dir zum Schutz und Heil erstehn.
Und Reptilien lehren dir es,
Daß du solche Flotte brauchst,
wenn beim Labetrunk -es Bieres
Abends du dein Pfeifchen schmauchst.
Aber laß' dir durch die große
Flotte stören nicht die Ruh',
Sicher wie in Abrams Schoße
Lebst auch ohne Flotte du.
Fürsten mag und Admiralen
Line Flotte nützlich sein —
Wohl, dann mögen sie bezahlen
Auch -en Spaß für sich allein.

Flüstern leis dir in die Ohren
Abgefeimte Spitzel gar,
Daß der Umsturz vor -en Thoren
Und der Staat sei in Gefahr;
Daß es gelte, „scharf zu machen"
Die Gesetze L la Stumm,
Nun, dann wende nur mit Lachen
Dich nach deinem Bierkrug um.
was die Spitzel „Umsturz" nennen,
was der Stumm mit Haß bedräut,
Schau' es an und lern' es kennen,
Du erfährst dann hocherfreut:
Wahrheit ist's, die reine, echte,
welche für das Volkswohl ficht,
welche auch für deine Rechte
Muthig eine Lanze bricht.
So entreiße dich den Banden
Aengstlicher Philisterei,
Sieh', es ist in deutschen Landen
Mit -er Zopfzeit längst vorbei.
Nimmer wird sie wiederkehren,
wie sich die um Stumm auch mühn,
Denn der Macht des Rückschritts wehren
Proletarier, stark und kühn.

Inhalt drr Unterhaltung«-Beilage.
Die Sozialdemokratie im Hamburger Hafen. (Jllustrirt.)
— Lieder eines Sklaven. (Jllustrirt.) — Des Wanderburschen
Freud und Leid. VI. (Jllustrirt.) — Der Esel und der Vogel,
eine Fabel. (Jllustrirt.) — Zum Wirthshaus. (Jllustrirt.) —
Wider den inneren Feind. — Ein frommer Christ. (Jllustrirt.)
— Verdächtig. (Jllustrirt.) — Anzeige.

Staaksrektung.
Wieder war der Staat der Preußen
In entsetzlicher Gefahr,
Denn der Umsturz aller Vrdnung
Schauerlich im Unzug war.
Ja, in Nahmitz-Lehnin-Belzig,
In der preußischen Türkei,
Hat der Vrtsvorsteher Schultze
Sich benommen gar zu frei.
Line rothe Sozialistin
Rahm ins Haus zur Miethe er.
Dachte an die schlimmen Folgen
Lolchen Frevels nimmermehr.
Doch der Landrath v. Ztülpnagel
Hat die Rettungsthat vollführt.
Und er hat den bösen Schultze
Schnell vom Amte suspendirt.
Denn in Nahmitz-Lehnin-Belzig
Ist es keinesfalls erlaubt.
Daß die Sozialistin wohnet
Bei des Dorfes Vberhaupt.
Also ward der Staat gerettet
Durch des Landraths Strafgericht;
Wie er sich dabei blamirt hat —
v. Ltülpnagel ahnt es nicht!

Nutzen des Duells.
Mit dem Duell geht es, wie mit dem Rad-
fahren. Früher, als das Radfahren noch ein Sport
gelangweilter Nichtsthuer war, konnte das große

Publikum gar keinen Zweck und Nutzen dabei
sehen, und wenn ein Radfahrer stürzte, so sagte
man, es sei ihm ganz Recht geschehen, warum
treibe er solche überflüssige Dinge. Mittlerweile
wurde aber das Radfahren immer allgemeiner
und nun weiß man es als vortheilhaftes Trans-
portmittel zu nützlichen Zwecken zu verwerthen.
So wird es auch mit dein Duell gehen. Es
ist in letzter Zeit trotz aller dagegen gerichteten
tadelnden Kundgebungen immer allgemeiner ge-
worden und schon zeigt sich, daß man es prak-
tisch verwerthen kann; in Oesterreich hat erst
kürzlich ein Abgeordneter einen Streit mit dem
Minister kurz und bündig durch ein Duell aus-
gefochten und dabei wären um ein Haar die
Oesterreicher um ihren Baden! gekommen.
Wenn so hochgestellte Personen das Duell als
Rechtsmittel anerkennen, so steht nichts mehr der
Neuerung entgegen, es als abgekürztes Justiz-
verfahren allgemein einzuführen. Wer den Anderen
todtschlägt, hat gewonnen, punktnm. Das Ver-
fahren dauert zehn Minuten und ist sehr billig;
während der Prozeß zehn Monate dauern und
viel Geld kosten würde.
Man nehme z. B. an, der Schlosser-Ede hätte
einen Einbruch verübt und wäre dabei ergriffen
worden. Da wird der Staatsanwalt als Ver-
treter der beleidigten Rechtsordnung dem Schlosser-
Ede seine Sekundanten zusenden. Ede, als der
Geforderte, hat die Wahl der Waffen; wahrschein-
lich wählt er die Brechstange. Man trifft sich
dann im Grünewald, der Staatsanwalt bringt
einen Landgerichtsrath und einen Assessor, Ede
einen Taschendieb und einen Leichenfledderer als
Sekundanten mit. Die Kampfregeln werden fest-
gestellt, und nun wird der Schlosser-Ede dem
Staatsanwalt den Schädel einschlagen, dem Ster-
benden dann großmüthig die Hand zur Versöhnung
reichen und der Gerechtigkeit ist Genüge geschehen,
das Verfahren ist beendet.
Hat sich eine Waschfrau zu einer Majestäts-
beleidigung hinreißen lassen, so wäre es Sache

des Oberhofmarschalls, sich mit ihr zu duelliren,
etwa auf nasse Unterhosen, die man sich bis zur
Kampfunfähigkeit um die Ohren schlägt. Die
Anklagen ivegen Majestätsbeleidigung dürften sich
dadurch wesentlich vermindern.
Oder angenommen, der Bankier Kohn hätte
Pleite gemacht, dann wäre es doch einfacher, wenn
die in ihren Eigentumsrechten gekränkten Gläu-
biger ihm statt der Schuldforderung eine Forde-
rung auf Pistolen zusenden würden. Kohn kommt
dann in die Lage, seinen Gläubigern noch etwas
vorzuschicßen, und wenn es ihm gelingt, Alle
niederzustrecken, die ihm etwas vorgestreckt haben,
dann ist er gerettet und der Bankerott siegreich
beendet.
Niemand wird behaupten können, daß in den
hier angeführten Fällen das Prinzip der Gerech-
tigkeit weniger zur Geltung käme, wie bei dem
heute schon üblichen Duellvcrfahren in Beleidi-
gung?- und sonstigen Ehrensachen. Es würde
aber viel überflüssige Juristerei erspart und die
Justizmorde würden vielleicht auch nicht häu-
figer werden, wie sie heutzutage schon sind.
Dienybokenwechfel.
Am Sonntag sitzt cr noch ganz frisch
Mit andern am Ministertisch.
Am Montag heißt's schon offiziös,
Die Herrschaft wär' ihm etwas bös.
Dienstags verbreitet man die Mär,
Daß er schon länger leidend wär'.
Der Mär folgt hastig auf den Fuß
Am Mittwoch schon der Lukanus.
Am Donnerstag da kommt er schon,
Der blaue Brief mit Pension.
Freitags beim Abschied giebt's zum Spaß
Den Adlerorden erster Klass'.
Ani Samstag sitzt ein Andrer frisch
— Wie lang' wohl? — am Ministertisch.
 
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