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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0243

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2583

Hurrsh!
In maßgebenden Kreisen ist es Mode geworden, die Leute nicht mehr
hochleben zn lassen, sondern für das „Hoch" ein „Hurrah!" zu rufen.
In Konsequenz dieser Neuerung wird man künftig einen Grafen nicht
mehr „hochgeboren", sondern „hurrahgeboren" nennen müssen, man
wird von hurrahlichen und allerhurrahlichsten Herrschaften reden
und die Minister werden sehr hurrah mäßige Stellen bekleiden. Eine
Prinzessin wird man nicht mehr als „hohe Dame", sondern als „Hurrah-
Damc" anreden, und wer sich beim Trinken übernimmt, der wird keinen
hochgradigen, sondern einfach einen Hurrah-Rausch haben.

Schnitzel.
In Sachsen ist ein neuer Orden eingeführt worden. Derselbe wird
nur an besonders verdienstvolle Sozialdemokraten verliehen und ist am
Handgelenk zu tragen. «
Ausländische Fürstenehre, die im eigenen Lande nicht mehr zum Aus-
bessern gegeben werden kann, wird auf Bestellung prompt und billig
reparirt und mit dein Stempel versehen: Nacis in Lierman^.
„Die Gewerkvereine müssen zerschmettert werden", brüllte der preußische
Lieutenant Siemens in London, da zerquetschte ihm die englische Presse
die Finger. *
Wenn in Italien die Bourgeoisie revoltirt, werden die Arbeitervereine
aufgelöst. x
Je majestätischer das Staatsschiff dahinsegelt, desto weniger Majestäts-
beleidigungsprozessc werden angestrengt.
Die Manöver-Kritik ist eine alte militärische Gepflogenheit, sie wird
geübt selbst dann, wenn die Manöver unter aller Kritik sind.
Ein Bureaukrat ist ein Wesen, das an Leib und Seele gestorben ist
und doch noch lebt.

Hobelsxähne.


Der arme König Leopold!
Trotz seiner Fürstenkrone
Verfällt er oft im eig'nen Land
Dem Spotte und dem Hohne.
Er mußte bis nach Hamburg gehn,
Zn suchen sich Juristen,
Die gern bereit, den Tugendstall
Des Königs auszumisten.
Die Sachsen sind allemal Helle, — jetzt
nehmen sie sogar flnchtverdächtigcn Gefangenen
die Hosenträger ab, wodurch das Weglaufen
sehr erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht
wird. Es wäre zn wünschen, daß dies Mittel
auch im Reichstag zur Anwendung kommt,

wenn die Nationalliberalen Miene machen, zur Regierung überzulaufcn.

Daß sich Gerechtigkeit und Recht entzweien,
Ist Frau Justitia auch schon passirt.
Doch daß der Esel sich als Recht maskirt
Und auf der Gasse sich prostituirt:
Das ist die größte aller Eseleien.
Alle Leimtiegel der Welt genügen nicht mehr, um das zertrümmerte
Rechtsbewußtsein im deutschen Volke wieder zusammen zu leimen.
Wenn stramm steht der Soldaten Reihe

Und ihre Fahne kriegt die Weihe,
So ist das ein erhabener Moment

Wie ihn der Mensch nicht höher kennt.

Es ist sehr gefährlich, jetzt auf der Straße zu niesen. Ein Spitzel
könnte nämlich auf den Gedanken kommen, daß man auf die höchsten
Herrschaften niest, wodurch man sich einer Majestätsbeleidigung schuldig

macht. Also, Achtung!

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

„So? das trauen Sie sich zu? Bedenken
Sie aber, die öffentliche Meinung ..."
Herr Dolus streckte mit einem verächtlichen
„Pah!" einen seiner Polypenarme aus und machte
eine Bewegung, als wische er einen ehrlichen
Namen mit einem einzigen Zuge von einer Tafel.
„Aber die Gesetze...", begann leise Herr
Mammon wieder.
Mit dem Grinsen unsagbarer Geringschätzung
zuckte der Andere die Achseln, griff weit in die
Luft und steckte dann mit einem Ruck die Hand
in seine breite Hosentasche. „Lassen Sic mich nur
mache», Herr Mammon, Sie können sich in Allem
auf mich verlassen."
„Nun gut", sprach Herr Mammon beruhigt,
„Sic gefallen mir. Wir verstehen uns, mein
Lieber. Sie sollen die Stelle haben. Ich gebe
Ihnen zwölftausend Mark jährlich, soviel wie der
Zcntralverband der Industriellen an Schwein-
burg zahlt."
Herr Dolus blickte nach oben und legte die
Hand aufs Herz. Dann schritt er würdig hinaus.
Durch den Thürspalt sah Herr Mammon, wie
seine neue Hilfskraft den Inhalt einer Zigarren-
kiste in seiner Tasche verschwinden ließ. Gleich dar-
auf schrie draußen das Dienstmädchen sehr laut
um Hilfe.
Herr Mammon lächelte glücklich und murmelte:
„Ich habe den rechten Mann gefunden, jetzt ist
mein Geschäft gerettet."

Aus dem Reiche Aegirs.
Es heißt, man wolle vom bairisch Bier
Eine hohe Steuer erheben,
Dafür will man dem Deutschen Reich
Viel' neue Panzer geben.
Kaum glaubhaft scheint mir das zu sein,
Beim alten Meeresgotte!
Wir hätten, käm' von Bier sie her,
Ja eine ersoffene Flotte!

Signal „Sammeln!"
Es naht die Reichstagswahl heran.
Da sammeln sie sich Mann an Mann,
Der Ordnung fromme Stützen.
Doch wo an sich nur Jeder denkt
Und Keiner eine Mark verschenkt,
Da kann kein Sammeln nützen.
Der Junker Herde selbst ward wild,
Da ihre Gier nicht ganz gestillt.
Nun flucht der Rübcnbauer:
„Der große Zuckerfabrikaut
Hält immer offen seine Hand,
Stets liegt er auf der Lauer!"
Ja, wenn man sie zum Sammeln ruft,
Da gönnen sie sich nicht die Luft
In ihrem blinden Hasse.
Auf Raub nur sinnt ein jeder Kopf,
Es brodelt in dem großen Topf
Die edle Ordnungsmasse.

Verfehlte StaalsHilfe.
A. : Wenn der Staat durch Einfuhrverbot des
fremden Schlachtviehes die Fleischpreise in die
Höhe treibt, so haben die deutschen-
B. : — — — — Pfcrdeschlächtcr einen
Vortheil davon.
Hohenlohes Nachfolger.
Es flackert über dem Sumpfe
Ein Irrwisch auf und nieder,
Bald scheint er zu verschwinden,
Bald naht er sich gankelnd wieder.
Du könntest, o lieber Irrwisch,
Dich nützlich machen auf Erden,
Du könntest ine allerneuesten Kurs
In Deutschland Kanzler werden.


Daß schon seid Jahren Bismarck groß un breed
Mit unvergennbar labidaren Ziegen
Im Helm uff unfern Siegesdengmal schdehd —
Der Seeschdadt Leibzig gann das nich geniegen,
Un weil das Geld forhanden is wie Schlamm,
So muß de reichs- un gaiserdreie, gude,
Berihmde Schdadt än zweeden Bismarck Hamm,
In Rock un schlabben Demograhdenhude.
Un ihr Schenie dahd noch än andern Fund
Zu andrer bismarckdreier Schdädte Berger:
Goch Dyras mußde druff, des Häuslers Hund,
So ofd beneid von jeden Leibzger Bürger,
wer hädde nich, von Glick un Lchdols berauschd.
In idealen, bahdriodschen Schwünge,
Mit diesen großen Hundevieh gedauschd.
Das Bismarcks Deller ausleckd mid der Zunge?
wer hädde nich, in Dreie bis zum Grab,
Un seiner Lchdelle uffmergsam geschmeicheld?
Denn wenn es ooch än Dridd midnnder gab,
Mer wurde ooch ämal dersor geschdreicheld.
wer gäwe von sich nich än wonnelaud
Un blickde dangbar zu ihn uff un munder.
Wenn ihn der Gansler mid den Lchdocke haud,
Un zieht die Ghren ihn an Gobb herunder.
Uff solche Urd Hammer ä Ding gebaud,
von den se nu in gans Liroba schwatzen,
Ü gans abardes Ding, ä Ding, das haud —
De Dräsner wern vor Gifd un Galle blatzen!
Die uffgeblasne Blase ärgerd sich.
Daß mersch verschdanden, so was auszuhecken.
Ich sage 's doch: uns Leibzgern gomm se nich,
Un selbst Berlin muß sich vor uns verschdecken!
 
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