Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung (14.1897)

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Reinholds Aristeia.*
Als nun Schm oller der Held geschleudert den wuchtigen Speerschaft,
Und, da er kurzsichtig war, zwar keinen der Feinde getroffen,
Doch dafür ein paar Krieger gestreift in den eigenen Reihen,
Schritt er würdig zurück, vom Jauchzen der Feinde begleitet.
Da trat dröhnenden Schrittes hervor ein gigantischer Kämpfer:
Reinhold hieß er, ihn deckte die weithin schimmernde Rüstung.
Kampfesfreude schwellt' ihm die Brust, und es drängten die Krieger
Eilig heran, den auserlesenen Helden zu schauen.
Für eine Weile verstummte sogar der Kampf um die Schiffe.
Zu ihm trat Agamemnon, der König und oberste Kriegsherr,
Der da herrscht an der Saar, und flüsterte leise ins Ohr ihm:
„Reinhold, nimm dich zusammen, rechtfertige heut mein Vertrauen;
Mach' mir nur ja nicht wieder so täppische Sätze wie neulich!"
Reinhold schüttelt den Speer und erhebt seine schmetternde Stimme:
„Feinde! ihr wagt es, dem unüberwindlichen Gegner zu trotzen?
Wißt ihr denn nicht, mit wem ihr kämpft? So hört es und schaudert!
Wir sind der immanente Weltgeist; hier sitzt er im Schädel.
Wir sind eine Diskontogescllschaft gefallener Engel.
Unser Panier ist der faule Wechsel. Drum sind unsre Herzen
Christlichen Mitleids voll, und unser Gott ist der Dalles.
Unsere Wissenschaft zeigt, daß die Natur für die Menschen
Weiter nichts ist als ein Hemd, zu kurz so oben wie unten,
Und daß darum die Meisten zu herber Entbehrung verdammt sind.
Uns entschleiert die Wissenschaft auch das größte Geheimnis;:
Daß der Mensch von gar nichts weiß und ein rechtes Kamcel ist.
Schwindel ist alles. So kämpfen wir denn für die heiligsten Güter,
Für den heimischen Herd und den drauf befindlichen Braten!
Auf! erhebt euch, ihr Mannen, zum Kampf für das heilige Unrecht!"
Als er sich nun zuin Wurf anschickte, war nahe das Unheil.
Wehrlos standen die Feinde, sie hielten den Bauch sich vor Lachen;
Und durch der Seinen Reihn lief ein Murren, vermischt mit Gekicher.
Grimmig warf er mit ganzer Kraft. Doch das Ende des Speeres

* Aristeia: Homerischer Gesang zum Preise der Thaten eines einzelnen Helden.

Schlug zur Seite und traf seinen Helm, der kollert zur Erde,
Und er selber taumelt. Es bohrt sich der Speer in den Boden,
Während er, der ihn schleuderte, stürzt, die Beine gen Himmel.
Da erdröhnte unendliches Lachen gegen die Wolken.
Gleichwie die Heldeuthat, so war auch dies Lachen homerisch.

-«x? HovelsMhne.


Des Reiches Boten eilen
Voll Eifer nach Berlin,
Den Willen des deutschen Volkes
Wollen sie dort vollzichn.
Jedoch was Tirpitz fordert,
Was Miquel dort verficht,
Das ist, Reichsbote, wisse,
Des Volkes Wille nicht!
„Du ahnst es nicht!" sagte Lukanus, da
ging er am Reichskanzler-Palais vorbei.
Nicht nur der Neumond im Januar,
Auch mancher Reichsbote ist unsichtbar.

In Lübeck ist humaner Weise den Redakteuren im Gefängnis; das
Lesen erlaubt, — in Ermangelung von Büchern und Zeitungen wer-
den Kaffeebohnen verabreicht.
Jetzt hat auch England deutsches Rindvieh ausgesperrt,
Wir müsscn's nun im Vaterland behalten!
Das Auge des Gesetzes ist sehr häufig nur ein Hühnerauge —
es drückt, aber es sieht nichts.
Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Hahnemann stöhnte. „Aber wir müssen doch
Minister haben", äußerte er dann schüchtern.
„Wenn ich vielleicht meine langerprobten Dienste
anbieten dürfte.. .."
„Als Minister kann ich Sie nicht brauchen",
erwiderte Nesselspieß herablassend; „aber es wird
sich ja ein anderer Posten finden. Ich gedenke
mancherlei Aenderungcn vorzunehmen. Zum Bei-
spiel aus den beiden Bildergallcrien werden wir
Volksküchen machen; die Bilder können ja hängen
bleiben, sie stören Niemanden. Das Hoftheater
wird zu einer Badeanstalt umgewandelt; der Regen-
apparat giebt eine vorzügliche Douche. Was mein
Freund, der Schuster Lehmann, den ich zum Kriegs-
minister ernannt habe, mit den Kasernen und dein
Zeughaus anfangcn wird, weiß ich noch nicht."
„Aber — aber!" seufzte Hahnemann entsetzt.
„Das ist ja ein völliger Umsturz!"
„Ich habe meine Befehle!" sagte Nesselspieß,
mit Stolz auf seine Brusttasche schlagend.
Vor Befehlen von Oben knickt ein Beamter
wie Hahnemann natürlich in Ehrfurcht zusammen.
Er bat „seine Exzellenz" um die hohe Ehre eines
gütigen Besuches in seiner armen Hütte und ging,
mit dem Bewußtsein im Herzen, dem neuen Beherr-
scher des Staates menschlich nahe getreten zu sein, j
Die Hoffnungen, welche Hahnemann an diese
Audienz knüpfte, sind freilich nur zum geringen
Theil in Erfüllung gegangen. Das Ministerium
Nesselspieß ist nie zusammcngctreten; einige Ge-
lehrte und Jünger des Aeskulaps hatten nämlich
entdeckt, daß das königliche Gehirn einen Sprung
bekommen und daher auch Vollmachten nicht mehr
ausstellen konnte. Der König wurde in liebe-
vollste Obhut genommen und Nesselspieß noch
vor dem Antritt seiner Negierung abgesetzt.
Immerhin blieb Nesselspieß als königlicher
Günstling in den Augen des Ministcrialsekretärs
eine erhabene Persönlichkeit; arm war er auch
nicht mehr, denn er hatte während seiner Dienst-
zeit reiche Geschenke eingeheimst, und so wurde
er mit Freuden als Schwiegersohn in die ehr-
same Familie Hahnemann ausgenommen.

Beschwörung» - Sonett
in Angelegenheit der Marinrfordrenngen.
Seht, — jede Auster hat schon ihren Panzer,
Und jeder Krebs ist damit wohl gerüstet;
Nur Deutschlands Flotte darbt — o, wenn ihr
wüßtet,
Der Deutschen Ruhm — wie stünde da im Glanz er!
Der Kaimakan — schlagt nach im kleinen Meper —,
Und jede Schildkröt', jedes Schuppenthier hat
Den Panzer, theils zum Schutze, theils als Zierrath:
Nur Deutschland darbt, — ist das nicht un-
geheuer?
O denkt an unsre schwarzen Kolonien
Und an die Wehlans, Schröders, Peters, Leist!
Laßt unsre Flaggen wieder meerwärts ziehen,
Beflügelt endlich euern trägen Geist!
Macht das noch immer nicht das Herz ench schwellen,
Ihr vaterlandsvergessenen Gesellen?!
Kommentar.
„Die Kargheit der Natur, die Grausamkeit
der gegebenen Welt, hat die Golddecke, an der
alle zerren, zu kurz gemacht", bemerkte Herr
Professor Reinhold gelegentlich seiner Antritts-
vorlesung. ... So kurz ist die Golddecke glück-
licherweise noch lange nicht, daß nicht Herr Pro-
fessor Reinhold nnt Herrn o. Stumm gemeinsam
unter derselben stecken könnten!
ä la Vlagphorn.
Zwei Knaben lebten ans gutem Fuß,
Der Eine, ein Rother, hieß Heinsius.
Der Andere, Herr von Miquel,
Ward später ein hohes Karnikel!
Aus einem zoologischen Vortrag.
„Zu den häufiger vorkommenden Zweiflüglern
(Diptsros) zählen auch die Mücken, Mottey und
Schwärmer, von denen namentlich die letzteren
durch die Spezies der Flottenschwärmer eine wahre
Landplage für Deutschland geworden sind. . . "

Adams Anglück.
Die Kreuzzeitung hat uns belehrt.
Wie lang bereits das Vorrecht währt
Der edlen Junkersippc.
Es stammt aus jenen Tagen schon,
Da Adam ward gemacht aus Thon
Und Eva aus der Rippe.
Nun wundern wir uns auch nicht mehr,
Daß Adam schuften mußt' so schwer
Und hatt' kaum was zu beißen.
Als man ihn aus dem Garten stieß.
Ging er ins Junkerparadies
Und dient' als Knecht in Preußen.

Wahlkvmgrvmiste.
Aus Anlaß der bevorstehenden Reichstags-
und Landtagswahlen wurde bereits wiederholt
die Frage erörtert, mit welchen Parteien die
Sozialdemokraten eigentlich Zusammengehen wür-
den; da jedoch die bürgerlichen Parteien über kurz
oder lang von selbst stark — „Zusammengehen"
dürften, erscheint diese Frage gar nicht so wichtig.

Berechnung des Bäckermeisters
Faulmehl,
gefunden in der Backstube beim Mehlausfegen.
Schaden im geschefft wenn die leute schlafen und
Faulenzen statt gehörige ansnuttzung:
4 Gesellen pro Tag ü 1 M. 20 Pf. ---- 4 M. 80 Pf.
3 leerlinge pro Tag L 80 - —2 - 40 -
zusammen pro Tag 7 M. 20 Pf.
das ist pro Woche 43 M. 20 Pf.
Schaden wenn ich jede Woche ein-
mahl angezeicht würde wegen
übcrtrcthung der Buntes ratz
vcrornung.WarschcinligeStraffe
pro Woche 10 - - -
Prosict^33SN. 2Ö^Pfi
Also lassen wier uns ruhig Bestraffen!!
Nachdruck säinnrtlicher Artikel rc. verboten.