Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0255

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
! N -es wahren Jacob

Zur öaöischeu Lanötagswahl.

Der barbierte Nationalliberale: Donnerwetter, Meister, diesmal haben Lie mich schauderhaft geschnitten!
Der Meister: Beruhigen Zie sich, das nächste Mal machen wir es besser!


Hyäne, Wolf und Bär.
Line Fabel.
Die Hyäne, ein kleines, aber mächtiges Thier,
bewohnte eine schöne geräumige Höhle, die ihr und
ihrer Familie Schutz gegen die Unbilden der
Witterung und Sicherheit für die erbeuteten Vor-
räthe gewährte. Nicht immer hatte sie die Höhle
allein bewohnt; noch vor gar nicht langer Zeit
hatte sie dieselbe mit der Familie Wolf theilen
müssen. Ms aber Wolf und Hyäne eines schönen
Tages von einem besonders erfolgreichen Beutezug
heimgekehrt waren, hatte sich der Wolf einen
Hnrrahrausch angetrunken, und die Hyäne benutzte
die Gelegenheit und beförderte den fast bewußt-
losen Vater Wolf nebst Familie hinaus. Vergeb-
lich bemühte sich der Wolf, von Neuem den Ein-
gang in die Höhle zu gewinnen; die Hyäne wußte
seine Angriffe stets abzuschlagen, was ihr sehr leicht
gelang, da der Zugang zur Höhle äußerst eng war.
Vor Kurzem war nun in die Gegend eine
Bärenfamilie gekommen. Natürlich hatte auch
diese, sobald sie von den Vorzügen der Höhle ge-
hört hatte, ein Auge auf dieselbe geworfen. Der
Bär zerbrach sich vergeblich den Kopf, wie er selbst
wohl je in die Höhle gelangen könnte; der Ein-
gang aber war dermaßen eng, daß zwar Thiere,
wie Hyäne und Wolf, hindurchschlüpfen konnten,
nicht aber der viel stärkere Bär.
Einmal kam einem Bärenjungen ein Gedanke.
„Wie wäre cs", sprach er zu seiner Mutter,
„wenn unser Vater dem Wolf zur Hyäne hinein-
verhelfen würde. Die würden sich schön in die
Haare bekommen, und wir fänden wohl Gelegen-
heit, unbeachtet den Höhleneingang von außen zu

erweitern." Da kam er aber bei der Frau Bärin
schlecht an. „Wie darf ein Bär", meinte sie, „sich
mit solch' einem feigen und falschen Burschen, wie
der Wolf, auf ein Bündniß einlassen! Wo blieben
da unsere Bärengrundsätze? Nein, wenn wir nicht
aus unserer eigenen Bärenkraft den Eingang er-
zwingen können, wollen wir uns um die ganze
Geschichte lieber gar nicht kümniern, obwohl es
hier draußen ungemüthlich genug ist."
Als aber Vater Bär eines Tages wieder zusah,
wie sich der Wolf zum Ansturm rüstete, und zwar
etwas ernsthafter als sonst, da die Hyäne erkleck-
liche Vorräthe aufgespeichert hatte, während der
wölfische Raubzug mißlungen war, dachte er bei
sich: „Es wäre doch wahrlich nicht übel, wenn ich
im Augenblick, wo der Wolf am Höhleneingang
vorzudringen sucht, ihm mit einein tüchtigen Tritt
ans den Hintern vorwärts helfe." Die Frau
Bärin konnte auch jetzt nicht ihre Besorgniß für
die Bärengrnndsätze überwinden und mißmuthig
— denn was nützte es ihm, der Gescheidtere zu
sein, wenn die Gattin es ihm nicht glaubte —
zog Meister Petz von dannen. Aber er konnte
es sich nicht versagen, wenigstens den Ansturm
des Wolfes diesmal aus nächster Nähe zu be-
trachten. Und als nun wirklich der Wolf mit
seinem Vorderkörper im Eingang war, durch die
Hyäne aber langsam wieder zurückgedrängt wurde,
da konnte Petz nicht an sich halten, ein kräftiger
Tritt, und mit lautem Geheul flog der Wolf
über die sich Überschlagende Hyäne in die Höhle.
Schmunzelnd hörte der Bär, wie sich nach Ucber-
windung des ersten Schrecks im Innern der
Höhle ein wilder Kampf erhob, und ohne Zögern
benutzte er den unbewachten Augenblick, um an

der Erweiterung des Eingangs zu arbeiten. Frei-
lich konnte er diese Beschäftigung nicht lange fort-
setzen — denn durch ein herabrollendes Stück auf-
merksam geworden, hatten die Kämpfer im Innern
der Höhle eingehalten; die drohende Gefahr des
Eindringens des Bären veranlaßte einen vorläufi-
gen Friedensschluß, und mit vereinten Kräften
vermochten Hyäne und Wolf den Bären an
seiner Erweiterungsarbeit zu hindern.
Anfangs schmollte die Bärin — zumal ihr ja
der Erfolg der Beförderung des Wolfes in die
Höhle nicht Unrecht zu geben schien. Aber Meister
Petz ließ sich nicht beirren. Es konnte nicht aus-
bleiben, daß bei allen möglichen Anlässen der
Kampf in der Höhle von Neuem anhnb — jedes-
mal benutzte der aufmerksame Bär die Gelegen-
heit zum weiteren Abbröckeln der Eingangshinder-
nisse. Oft genug unterbrochen, konnte er doch
ein regelmäßiges Vorwärtsschreiten seiner Arbeit
beobachten, und eines schönen Tages bedurfte es
nur noch eines ordentlichen Ruckes, um die ge-
nügende Weite des Eingangs herbeizuführen. Der
Ruck erfolgte bei günstiger Gelegenheit, und ehe
Wolf und Hyäne es sich versahen, war der Bär
in der Höhle, packte die beiden am Kragen, stieß
sie mit den Köpfen aneinander und machte ihnen
bemerklich, daß sie fortan mit ihm und den Seinen
die Höhle zu theilen hätten.
Von den weiteren Schicksalen der drei Thiere
in der Höhle werden wir später berichten — nur
soviel können wir schon heute verrathcn, daß die
ganze Bärenfamilie mit den schönen Erfolgen des
Meister Petz zufrieden, daß den Bärenprinzipien
kein Abbruch geschehen, die Bärenkraft dagegen
bedeutend gewachsen ist. y-o.

Beilage zum „Wahren Iacob" Nr. 296 s«, 189?.
 
Annotationen