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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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Die edeln Eigenschaften des verblichnen
Und stellte ihn als hehres Vorbild hin.
Das zu erreichen edles Streben sei.
Als er geendet, senkten die Vff'ziere
Zum letzten Male grüßend ihre Degen.
Drei Salven krachten durch die Sommerluft,
Als Zeichen höchster militär'scher Ehrung. —
So schied des Glückes Günstling aus der Weit.
ii.
Im städt'schen Park, durch dessen weite Gänge-
Lich Tags ein Strom Lustwandelnder ergießt,
Fand man beim Morgengrauen einen Greis,
Der mit dem abgeriss'nen Zaum des Rocks
Der langen Wallfahrt jäh ein Ziel gesteckt. -
So lange seine Muskeln, hart wie Stahl,
Kraftstrotzend ihm die braunen Arme schwellten,
Schwang er den Hammer vor des Feuers Gluth
Mit wucht'gem Schlag, daß rings die Funken
sprühten.
Er war ein gar getreuer Unecht des Herrn,
vom Norgengraun bis in die späte Rächt
Stand er am Amboß oder Blasebalg
Und schuf für wenig Lohn des Andern Glück. —
So reihte sich manch langes Jahr ans andre.
Allmälig war er alt und schwach geworden.
Die Muskeln, ehmals straff gespannt, erschlafften,
Den Hammer, den er früher spielend schwang.
Den konnte er nicht mehr zum Schlag erheben.
Uurz, er war alt und wurde abgelohnt.
Das riß ihm alle seine Himmel ein!
Und überall, wo er nach Arbeit fragte.
Ward ihm die Antwort: „Sie sind viel zu alt!" —
Nur langsam ward er sich des ganzen Elends,
Des Jammers seiner Lage ganz bewußt.
Doch als er's wußte machte er dem Jammer,
Dem grenzenlosen Elend rasch ein Ende.
Hart an der Friedhofsmauer liegt sein Grab!
In „ungeweihter" Erde ruht der Frevler,
Dort, wo der Mörder seinen Platz gefunden.
Den frischen Hügel schmückt kein Palmenzweig,
Ja, nicht einmal ein schlichter Blumenkranz.
Der gelbe Lehm nur zeigt, daß dort ein Mensch
Lin stilles Plätzchen fand zu langer Rast.
Moritz Röhler.
Des Wauderbnrschcu Freud und Feld.
Von einem alten „Ratzenkopf".
7. Im heiligen Land Tirol. — Eine ruhige Stelle. —
Heimkehr.
Bei den Kapuzinern in Feldkirch speisten
wir zu Mittag. Jeder bekam einen großen
hölzernen Napf voll Erbsen, aber keinen Löffel
dazu. Ich wußte wohl, was das zu bedeuten
hatte. Es ist nämlich in ganz Vorarlberg,
Tirol und Altbayern Sitte, daß jeder Knecht
und Tagearbeiter, ebenso jeder Handwerksbursche
sein Besteck, mindestens Messer und Löffel, selbst
bei sich führt. Da wir aber über solches Hand-
werkszeug nicht verfügten, klingelten wir noch
einmal, und als wir dem dicken Frater unser
Begehr vorgetragen, knurrte er: „Oes dumms
Volk, habt's nit amol Löffel bei Enk!" Aber er
brachte doch drei hölzerne Dinger, die Löffeln
nicht ganz unähnlich sahen, blieb aber bei uns
stehen, bis die Näpfe geleert waren, damit wir
die kostbaren Bestandtheile des klösterlichen
Kücheuinventariums nicht etwa mitlaufen ließen.
In der nächsten Eisenhandlung kaufte unser
Hutmacher aus dem Bestand seiner Schweins-
blase drei blecherne Eßlöffel, so daß wir mit
dem für unseren ferneren Lebensweg so noth-
wendigen Requisit ausgerüstet waren.
Am anderen Tage hatten wir die Besteigung
des Arlbergs vor uns.
Es war der 17. Juni. Ein unfreundlicher,
regnerischer Tag stand uns bevor, der Himmel

war „grau in grau" und es herrschte eine
Kälte wie im Dezember. Das letzte Dorf,
welches wir am Fuße des Berges zu passiren
hatten, war ein armseliges Nest. Unser Geld
war bis auf zwei Franken zusammengeschmolzen.
Dieser Betrag sollte laut einhellig gefaßtem
Beschluß unter gar keinen Umständen ange-
griffen, sondern bis Innsbruck aufbewahrt wer-
den für den Fall, daß der vom Hutmacher er-
wartete Geldbrief noch nicht eingetroffen sein
sollte. Wir klopften das ganze Nest ab, brachten
aber keine vier Kreuzer zusammen, um unsere
Mägen mit einem Schnaps anfwärmcn zu
können. Das letzte Haus war ein Bäckerhans,
ans dessen Flnr soeben ans dem Ofen gekom-
mene, noch warme Brote zum Abkühlen umher-
standen. Auch hier klopften wir umsonst an,
mit groben Scheltworten wurden wir durch
die Bäuerin von der Schwelle gejagt. Hinter
der Alten aber stand ein dralles Mädchen,
wahrscheinlich die Tochter des Hauses, welche
uns halblaut zurief: „Nehmt's Enk an Loab
mit." Dies ließ sich unser Bäcker nicht zwei-
mal sagen, er that einen raschen Griff und
mit einem Laib Brot unter seinem „Wallmusch"
sauste er uns nach. „Macht, daß Ihr fortkommt",
rief er, „lauft, ich habe Brot." Instinktiv er-
griffen wir die Flucht, obwohl wir noch nicht
recht wußten, was er eigentlich meinte. Erst
nach fast einer Viertelstunde hielten wir in
unserm Lauf inne und blickten zurück. Durch
den Regen und die „graue Luft" sahen wir
unter der Hausthüre die dicke Bäuerin stehen,
uns mit der Faust drohend. Zur Verfolgung
schien sie jedoch keine Lust zu haben.
Jetzt zeigte uns der Bäcker triumphirend
das Brot. Unser Hunger war so groß, daß
wir den erlaubten Raub sofort in drei Stücke
theilten; essend setzten wir unseren Weg fort.
Einen beschwerlichen, mühsamen Weg, denn zu
beiden Seiten der ziemlich guten Straße war
mehr als mannshoch der Schnee aufgcschaufelt.
Als ich etliche zwanzig Jahre später dieselbe
Tour mit der Eisenbahn machte und vom
Waggon aus hinüber blickte nach der Heer-
straße, die sich stundenlang parallel mit der
Bahn emporwindet, gedachte ich mit eigenthüm-
lichen Gefühlen jener Bergpartie. Jetzt geht
die Eisenstraße durch das große dunkle Loch,
den berühmten Arlbergtunnel, dieses großartige
Werk der modernen Jngenieurkunst, nach dem
Gotthardtunnel wohl das bedeutendste derartige
Bauwerk auf dem Kontinent.
Nach mehr als sechsstündigem Marsch langten
wir beim Hospiz an, von wo sich die Straße
wieder abwärts wendet. In der Gaststube saßen
zechend und schmausend tiroler Frachtfuhrleute,
eine Flasche Rothwein nach der anderen leerend.
Ja, ja, das Fuhrmannsgeschäft hatte damals
noch einen „goldenen Boden". Wir armen
Teufel saßen gedrückt, hungrig und durstig, in
einer Ecke. Wohl oder übel mußten wir uns
schließlich bequemen, wieder ein Fränklein an-
zureißen, um wenigstens trockenes Brot und
schlechten Fuselschnaps zu bekommen.
Es litt uns nicht lange in der warmen
Stube. Wir wollten möglichst große Tage-
märsche machen, um bald nach Innsbruck zu
kommen. Das Marschiren kam mir hart an.
Ich hatte aus Bern ein böses Uebel davon-
getragen. Eines Tages fiel mir ein Stück roth-
warmen Eisens in den linken Stiefelschaft —
die Hosen hatte ich wegen schmutzigen Wetters
in die Stiefel gesteckt - und bis ich den
Stiefel vom Fuße brachte, war das ganze
Schienbein bis hinunter zum Knöchel furchtbar
verbrannt. Das Stehen am Schraubstock för-
derte selbstredend den Heilungsprozeß nicht
sonderlich, die Wunden heilten nur oberflächlich,
und seit einigen Tagen machten sie mir wieder

arge Schmerzen. Trotzdem aber wurde stramm
bergab marschirt.
Da plötzlich entwickelte sich vor unseren
Augen ein hochinteressantes Schauspiel. Oft
hatte ich in der Schule davon gehört, daß man
ans Bergen Gewitter unter sich sehen kann.
Hier bot sich nun ein solches Schauspiel: Don-
ner und Blitz und schwarzes Wolkengewoge
unter uns! Es war ein wunderbares Schau-
spiel! Aber schlimm war's für uns, daß wir
bei weiterem Abwärtssteigen in das Unwetter
hinein kommen mußten. Wir hielten uns
deshalb wohl über eine Stunde an dem Feuer
eines Hirtenbuben auf, allein der Hexenkessel
da unten wollte sich nicht klären und so ent-
schlossen wir uns denn, muthig hineinzudringen,
um wenigstens bis zum Abeud zu einer Her-
berge zu gelangen. Aber das Vorwärtsdringen
mußten wir bitter büßen. Wir geriethen in
einen furchtbaren Schnee- und Hagelsturm. Die
Kälte nahm riesig zu und die blaugefrorne»
Hände waren kaum mehr im Stande, den
Walzstock zu tragen. Naß bis auf die Haut
und vor Kälte zitternd kamen wir mit ein-
brechender Nacht im Wirthshaus zu St. Anton
an, wo wir uns hinter dem großen Kachelofen
förmlich verkrochen. Aus Barmherzigkeit machte
uns auch die Wirthin unser Strohlager in der
Wirthsstube, statt im Stalle, zurecht.
Am andern Morgen konnte ich feststellen, daß
ich mir am 17. Juni die Nase erfroren hatte.
Wir kamen nach Landeck. Meterhohe Pla-
kate fanden wir hier noch an allen Straßen-
ecken angeschlagen, mit der Ueberschrift: „An
mein treues Volk von Tirol." Die Plakate
stammten aus dem Jahre vorher (1866) und
enthielten einen Aufruf des Kaisers Franz
Josef, worin die Landesschützen von Tirol gegen
Garibaldi aufgeboten wurden. Diese Organi-
sation besteht, wenn auch militärisch-reformirt,
heute noch als Privilegium für die Tiroler. Ob-
wohl meine Reisegefährten keine großen Politiker
und namentlich von der durch Lassalle in Deutsch-
land angeregten sozialistischen Bewegung noch
vollständig unberührt waren, so machten sie doch
recht verständige Glossen zu diesem Aufruf, der
in feinem ganzen Inhalt so recht bewies, wie
die Großen dieser Erde de- und wehmüthig sich
bei dem Volke aufs Bitten verlegen können,
wenn sie in Noch und Gefahr sind. Diese
Unterhaltung gab uns Veranlassung zu weiteren
derartigen Erörterungen und ich war auf den
weiten Märschen durch das Innthal redlich be-
müht, die beiden Jungens zu politisch brauch-
baren Menschen zu machen. Wenn sie später
durch den Umgang mit dem sächsischen Spieß-
bürgerthum wieder verdorben worden sind, so
ist es nicht meine Schuld.
Zwischen Landeck und Innsbruck, ich glaube
es war in Stams, sprachen wir in einem
Kloster vor, welches uns mehr als vieles An-
dere den Beweis lieferte, wie es die Pfaffen
von jeher verstanden haben, sich die schönsten
Fleckchen Erde zu ihren Ansiedelungen auszu-
suchen und die umwohnenden Menschenkinder
derart in Knechtschaft und Abhängigkeit zu
bringen, daß von ihnen Küche und Keller der
Herren „Diener Gottes" aufs reichlichste ver-
sorgt werden mußten. Ich weiß nicht, welchem
Orden die hier hausenden Mönche angehörten;
sie trugen lange weiße Mäntel, wie sie früher
die bayerischen Kürassiere hatten, und schienen
unter sehr freien Ordensregeln zu leben. Sie
hatten Damenbedienung; in der großen Küche,
in welche wir geführt wurden, befanden sich min-
destens ein Dutzend weiblicher dienstbarer Geister,
darunter „bildsaubere Madeln", die nach unserer
Meinung nicht lediglich wegen des Kochens da
sein konnten. Uebrigens waren die Mädchen
äußerst nett gegen uns; wir erhielten Leber-
 
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