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zum Bewohnen, eine schlanke Jacht mit schwellenden Segeln. Dem
Georg schwindelt, er hält sich, um nicht zu fallen, an einem Zweige
der Königstanne fest.
Plötzlich steht vor ihm ein eisgraues Männchen mit einem langen
Barte, der bis zum Gürtel herunterfließt, ein Laternchen an der Berg-
mannskappe, die er auf dem spitzen Köpfchen trägt, berührt ihn freund-
lich lächelnd mit der welken, furchenreichen Rechten, führt ihn an den
„Georg, Du Teufelsjunge, so wache doch auf", so rief der alte
Waldläufer und schüttelte den Schläfer, der unter der Königstanne
lag; die müden Glieder waren vom Schlummer sanft gelöst.
Der Knabe fuhr empor, die Schlacht, die geschmückte Tanne, die
tausend Lichter, die vielen schönen Spielsachen, Alles war zerstoben.
Und es war doch kein Traum.
Er ging heute seinen letzten Botengang.
Rand des Klingsteinschroffens und
weist in die Tiefe.
Taghell breitet sich die Niede-
rung, dort hinten am Horizont sieht
Georg sein Dorf, die Kirchthurm-
spitze zeichnet sich scharf am Horizont
ab. Unten aber das Thal ist ein
Blachfeld, wo zwei Heere streiten.
Da wogt auf und nieder die Schlacht;
es klirren die Schwerter, cs tosen
die Schilder, die Reihen der Fuß-
gänger lösen sich, nud in heißem
Drange messen sich die Fechter.
Schatten sind cs, die miteinander
ringen, riesenhaft, gespenstisch.
Den einen Heerhaufen treibt
ein Reiter auf schäumendem Rappen
ins Gefecht; sein Haupt ziert eine
goldene Krone, seine Angen sprühen
Flammen, in der Faust schwingt er
die Knute, und er peitscht die Mannen
auf die Wahlstatt. Goldeu ist seiue
Rüstung, golden der Degen, den er
im Wehrgehcnk an seiner Linken
tragt, golden ist der Stiel seiner
Peitsche. Und die Gejagten knirschen
und bäumen sich gegen des Herrn
eisernen Zwang, doch sie müssen
vorwärts.
Den anderen Kampfhaufeu
führt ein Weib auf milchweißem
Zelter; ihre Schaaren jubeln ihr
zu. Und Georg sieht, daß unter
ihrer Fahne die Mühseligen und
Beladenen fechten. Da steht Schulter
an Schulter mit dem Bergmann,
der im Schachte frohudct, der
Schmied, der Webersmann, das
Bäuerlein, der Gutsknecht; hier der
rußige Hüttenmann, dort der breit-
schultrige Zimmerer. Das Volk der
Arbeit, die Masse der Armen drängt
sich, den Kampf zu entscheiden. Sie
werden von der Freiheit geführt
gegen die Söldlinge des Mammon.
Immer heißer wird das Ringen
im Thale, das Kriegsglück schwankt.
„Sieh, Georg", sagt der Alte,
„all' diese Herrlichkeiten an der
Königstanne sind Dein, wenn die
Frau Freiheit siegt."
Da sprang der Georg über
Stock und Stein, die Klingstein-
felscn herab, über Spalten und
Schründe, durch Rinnsale nndBusch-
werk, daß die Fetzen seines Wammses
an den Dornsträuchen hingen und die Füße bluteten. Einen Stecken
riß er aus, eine junge Birke, die am Abhang wuchs. Und nun hinab
zu den Freunden, hinein in das Kampfgewühl! Dort jagt in der
ersten Reihe die Freiheit, die schöne Frau, und hebt die Streitart, den
König Mammon zu fällen. Und die Schneide saust auf den Goldreif,
der Stolze wankt im Sattel und stürzt.
Am nächsten Tage schnürte der junge Bursch sein Büudcl und
ging in die Stadt, wo die Schlöte dampfen, wo die Hämmer klopfen
und wo die Maschinen knirschen.
Bald trug er die blaue Bluse, und seine Kameraden lehrten ihn
verstehen, wie man ein Soldat der Freiheit wird.
Und der Georg ist ein tapferer Soldat geworden.
zum Bewohnen, eine schlanke Jacht mit schwellenden Segeln. Dem
Georg schwindelt, er hält sich, um nicht zu fallen, an einem Zweige
der Königstanne fest.
Plötzlich steht vor ihm ein eisgraues Männchen mit einem langen
Barte, der bis zum Gürtel herunterfließt, ein Laternchen an der Berg-
mannskappe, die er auf dem spitzen Köpfchen trägt, berührt ihn freund-
lich lächelnd mit der welken, furchenreichen Rechten, führt ihn an den
„Georg, Du Teufelsjunge, so wache doch auf", so rief der alte
Waldläufer und schüttelte den Schläfer, der unter der Königstanne
lag; die müden Glieder waren vom Schlummer sanft gelöst.
Der Knabe fuhr empor, die Schlacht, die geschmückte Tanne, die
tausend Lichter, die vielen schönen Spielsachen, Alles war zerstoben.
Und es war doch kein Traum.
Er ging heute seinen letzten Botengang.
Rand des Klingsteinschroffens und
weist in die Tiefe.
Taghell breitet sich die Niede-
rung, dort hinten am Horizont sieht
Georg sein Dorf, die Kirchthurm-
spitze zeichnet sich scharf am Horizont
ab. Unten aber das Thal ist ein
Blachfeld, wo zwei Heere streiten.
Da wogt auf und nieder die Schlacht;
es klirren die Schwerter, cs tosen
die Schilder, die Reihen der Fuß-
gänger lösen sich, nud in heißem
Drange messen sich die Fechter.
Schatten sind cs, die miteinander
ringen, riesenhaft, gespenstisch.
Den einen Heerhaufen treibt
ein Reiter auf schäumendem Rappen
ins Gefecht; sein Haupt ziert eine
goldene Krone, seine Angen sprühen
Flammen, in der Faust schwingt er
die Knute, und er peitscht die Mannen
auf die Wahlstatt. Goldeu ist seiue
Rüstung, golden der Degen, den er
im Wehrgehcnk an seiner Linken
tragt, golden ist der Stiel seiner
Peitsche. Und die Gejagten knirschen
und bäumen sich gegen des Herrn
eisernen Zwang, doch sie müssen
vorwärts.
Den anderen Kampfhaufeu
führt ein Weib auf milchweißem
Zelter; ihre Schaaren jubeln ihr
zu. Und Georg sieht, daß unter
ihrer Fahne die Mühseligen und
Beladenen fechten. Da steht Schulter
an Schulter mit dem Bergmann,
der im Schachte frohudct, der
Schmied, der Webersmann, das
Bäuerlein, der Gutsknecht; hier der
rußige Hüttenmann, dort der breit-
schultrige Zimmerer. Das Volk der
Arbeit, die Masse der Armen drängt
sich, den Kampf zu entscheiden. Sie
werden von der Freiheit geführt
gegen die Söldlinge des Mammon.
Immer heißer wird das Ringen
im Thale, das Kriegsglück schwankt.
„Sieh, Georg", sagt der Alte,
„all' diese Herrlichkeiten an der
Königstanne sind Dein, wenn die
Frau Freiheit siegt."
Da sprang der Georg über
Stock und Stein, die Klingstein-
felscn herab, über Spalten und
Schründe, durch Rinnsale nndBusch-
werk, daß die Fetzen seines Wammses
an den Dornsträuchen hingen und die Füße bluteten. Einen Stecken
riß er aus, eine junge Birke, die am Abhang wuchs. Und nun hinab
zu den Freunden, hinein in das Kampfgewühl! Dort jagt in der
ersten Reihe die Freiheit, die schöne Frau, und hebt die Streitart, den
König Mammon zu fällen. Und die Schneide saust auf den Goldreif,
der Stolze wankt im Sattel und stürzt.
Am nächsten Tage schnürte der junge Bursch sein Büudcl und
ging in die Stadt, wo die Schlöte dampfen, wo die Hämmer klopfen
und wo die Maschinen knirschen.
Bald trug er die blaue Bluse, und seine Kameraden lehrten ihn
verstehen, wie man ein Soldat der Freiheit wird.
Und der Georg ist ein tapferer Soldat geworden.