Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0282

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

„Ich habe die Städte der Menschen ge-
sehen und ihren Fleiß, ich habe gelernt das
Feld zu bebauen und das Vieh zu pflegen,
und mannigfache Fertigkeit meinen Händen
erworben. Ich habe meinen Arm in Arbeit
gestählt, und keinen giebt es, der Ali an Kraft
und Fleiß zu gleichen vermöchte."
„Und Mahmud, du, was hast du ge-
than?"
Mahmud, dessen Stirn frühzeitige Furchen,
Narben aus dem Kampfe der Gedanken, kreuz-
ten, erwiderte:
„Ich war bei allen Schriftgelehrten der
Welt und habe ihren Worten gelauscht; ich
kenne die heiligen Bücher und die Lehren der
Weisen, und keinen giebt es, der Mahmud
an Wissen und Weisheit zu gleichen ver-
möchte."
Achmed, ein stolzer Mann in prunkenden
Gewändern und von Salben duftend, hatte
mit gekreuzten Armen die Rede der Brüder
gehört, und als an ihn der Vater die Frage
richtete, erwiderte er:
„Ich, gütiger und gerechter Vater, bin in
Marokko gewesen und in Stambul, und wo
sonst aller Reichthum der Erde sich versam-
melt; dort habe ich gespielt und geschmaust
mit den Reichen, edle Pferde gekauft und
reizende Tänzerinnen, und Alle sprachen mit
einer Stimme: Keinen giebt es, der dem Ach-
med, dem Sohne des reichen Mansur, an
Reichthum zu gleichen vermöchte."
Ein Lächeln der Zufriedenheit glänzte in
dem Gesicht des Vaters und nach kurzem
Schweigen sprach er:
„Ihr, Ali und Mahmud, habt wohl eure
Zeit genützt und seid tüchtige Männer ge-
worden, allein zu Herren habt ihr nicht den
Beruf. Du aber, Achmed, du hast des Lebens
Sinn erfaßt, du bist der Würdigste, von nun
an der Reiche zu heißen. Du brauchst nicht
Fleiß und Kraft, das ist Sache der Sklaven;
du brauchst nicht Wissen und Weisheit, mit
Gold hast du Kraft und mit Gold hast du
Weisheit. Darum sei dein das Erbe. Und
deine Brüder werden mit Fleiß und Wissen


Bald darauf verschied der Vater, lind wie
er bestimmt, so geschah es: Achmed ward Herr
und seine Brüder schaffen in seinem Dienste
bis auf den heutigen Tag.
An einen Vogel.
Nach dem Italienischen von ve. 8.»
Vom Strauch zum Fels, vom Fels zum Hügel
Trügt dich dein wanderfroher Flügel;
Du ruhest oder flatterst weiter.
Und Tag und Stacht sind dir Gelciter.
Wir aber jagen nach Glück und Ehren
Gleich einem Schwungrad mit sausenden Speichen,
Und können nimmermehr erreichen,
Wonach wir irrend uns verzehren.
* Dies Gedicht hat einen Irrsinnigen zum Verfasser
und ist von Lombroso in seinem bekannten Buche „Genie
und Irrsinn" mitgetheilt.
lirischairwehitckc bei ümAeucrläilüern.
Line Leegeschichte.
Es war in Hamburg. Um den großen run-
den Tisch im „Nordpol" saßen beim dampfen-
den Grog eine Reihe alter Schiffer, die einer
nach dein anderen ihr Garn spannen.
„Seht 'mal, wie nachdenklich Krischan
seinen Grog umrührt. Ich glaube, ihm fällt
gleich so'n alter Döhntje ein", meinte ein alter
verwitterter Ostindienfahrer.
„Na, man zu, Krischan, leg' man 'mal los!"
sagte Krischans Nebenmann. „Wcnn's auch
nicht alles wahr ist, das macht nichts."
Kaptän Krischan Wehncke wirft durch den
dichten Tabaksgualm seinem nächsten Nachbar
einen vorwurfsvollen Blick zu und sicht sich
dann langsam im Kreise der alten Seebären
um: „Ihr kennt mich doch nun lange genug,
Leute. Wir haben uns hier schon manches
Stückchen erzählt. Ihr wißt, ich habe es
immer mit der Wahrheit gehalten, damit kommt
inan am weitsten. Blos einmal in meinem
Leben, und gerade auf meiner letzten Reise,
wäre mir die Wahrheit bald zum Schaden

dir dienen, es weiter zu mehren."

geworden. Und das kam so:
 
Annotationen