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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0061
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• 2957 » -

irrt deutschen Aeichstagsgebüuöe.

würde der Abgeordnete Lieber es nicht eine Lchmiererei, geboren aus Dreck und Heuer, genannt haben.

Kaum hatte ich diese Arbeit vollendet, da
tauchte schon wieder ein Subjekt auf, dessen
Anzug durch blanke Knöpfe verunziert war und
kündigte mir in anmaßendem Tone die Konfis-
kation der gestrigen Nummer des „Löwen-
gebrüll" an, welche wegen Beleidigung der
Schlächterinnung erfolge, weil darin der Ver-
kauf einer in Verwesung übergegangenen Wurst
mit tadelnden Bemerkungen erwähnt worden sei.

Ich warf einen Blick nach der Thür und
entdeckte, daß an derselben zwei Gendarmen
Wache hielten, die durch ihre Gegenwart den
nöthigen Nachdruck verleihen sollten. Dann
wandte ich mich an den Eindringling mit den
blanken Knöpfen und erklärte ihm höflich: da
die Thür abgesperrt sei, so müsse ich ihn, ob-
gleich ich eine solche ungewöhnliche Maßnahme
gern vermieden hätte, zum Fenster hinaus-
werfen.

Diesen Worten ließ ich die That folgen und
da die Redaktion sich im ersten Stockwerk befand,
so kam er mit einigen Beinbrüchen glücklich da-
von. Nach der konfiszirten Nummer hat er
weiter nicht gefragt. Die Gendarmen an der
Thür hatten nun den barocken Einfall, mich
verhaften zu wollen, obgleich mich doch die
konfiszirte gestrige Nummer gar nichts anging:
ich verwies ihnen aber diesen Rechtsirrthum
gründlich und sie schienen nicht Lust zu haben,
ihrem Vorgesetzten durch das Fenster zu folgen,
denn sie entfernten sich nun freiwillig durch die
Thür.

Nach dieser kleinen Störung nahm ich meine
Redaktionsthätigkeit wieder auf und bemerkte
in einem Protest gegen die Konfiskation unserer
gestrigen Nummer u. A.:

„Der Floh beißt den Löwen, aber der Löwe
kann den Floh nicht beißen; ebenso konfiszirt
das Gericht unsere Zeitung, aber wir können
das Gericht nicht konfisziren; wir rufen jedoch
gegen derartige Eigenthumsvergehen das Rechts-
gefühl aller ehrlichen Menschen an" u. s. w.

Es kamen im Laufe des Tages noch mancherlei
Leute, die konfisziren, verhaften und sonstige
Ausgelassenheiten bei uns treiben wollten, aber
sie hielten sich von mir in respektvoller Ent-
fernung, man hatte mich kennen gelernt.

Nur mit dem Gerichtsvollzieher bekam ich
noch einen kleinen Tanz. Er wollte die Preß-
prozeßkosten für den vorigen Monat, etwa eine
Million Gulden durch Pfändung erpressen und
ich schützte das Redaktionseigenthum wie ein
Cherub mit flammender Scheere. Zuletzt über-
ließ ich dem Manne großmüthig den Papier-
korb, welcher einem ortsüblichen durchaus
nicht empfehlenswerthen Brauche zufolge gleich-
zeitig als Spucknapf diente. Mit dieser Beute
zog der Vollzieher des Gerichts stolz von
dannen.

Meine Zeitung war trotz alledem inzwischen
fertig geworden; nur die eingelaufenenDepeschen
hatte ich noch durchzusehen. Da sie nichts Auf-
regendes meldeten, so beschloß ich, sie ein wenig
ü la Ems zu redigiren. Ich ließ darnach mit-
theilen, der Minister des Innern sei in eine
Heilanstalt für Idioten ausgenommen worden;
das Landtagsgebäude solle unter Beibehaltung
der Insassen in ein Narrenhaus umgewandelt
werden; Milan von Serbien sei wegen Vaga-
bondage verhaftet; der französische Kriegs-
minister sei erwischt worden, wie er einem
Freudenmädchen das Portemonnaie mit 38 Sous
stahl; Spanien habe die Philippinen an die
sozialdemokratische Partei abgetreten u. s. w.

Kaum waren die ersten Exemplare des
„Löwengebrüll" ausgegeben, so verbreitete sich
die Kunde von seinem interessanten Inhalt
wie ein Lauffeuer durch die Stadt und Um-
gegend. Das ganze Volk strömte herbei, unser
Geschäftslokal wurde förmlich gestürmt. Alles
schrie nach dem „Löwengebrüll". Auch die
Polizei setzte sich in Bewegung, um ihrer
leidigen Gewohnheit des Konfiszirens znfröhnen,
aber sie konnte die Volksmassen nicht durch-
brechen und mußte zu diesem Zwecke erst aus
der benachbarten Garnisonsstadt ein Jnfanterie-
bataillon telegraphisch herbeirufen.

Unterdessen h atten wir auf unserer Rotations-
presse einige hunderttausend Exemplare gedruckt
und mit Hilfe der flinken Kolporteure verkauft.
Der Andrang war noch immer im Zunehmen,
aber der Verleger eilte todtenbleich herbei und
ließ den Druck selbst einstellen. Er gab mir
ein volles Monatsgehalt und meine sofortige

Entlassung, weil meine Schreibweise für die
Konstitution des Landes zu kräftig sei.

Gleichzeitig erschien nun auch der Polizei-
direktor und kündigte mir meine Verhaftung
an, weil in der von mir redigirten Nummer
des „Löwengebrüll" mindestens zehn Jahre Ge-
fäugniß verwirkt worden und ich somit flucht-
verdächtig sei.

Nun hatte ich niir zwar eine Erholungs-
pause auf Staatskosten gewünscht, aber zehn
Jahre waren mir weitaus zu viel und ich
beschloß, mich auf diese Sache nicht einzulassen.

Ich drückte also dem Verleger gerührt die
Hand zum Abschied, warf den Polizeidirektor eine
benachbarte Kellertreppe hinunter, schwang mich
auf mein Fahrrad und erreichte noch glücklich
den Schnellzug, der mich außer Landes führte.

Hatte nun auch meine journalistische Lauf-
bahn nicht lange gedauert, so hatte ich doch
die Genugthuung, der Welt einmal gezeigt zu
haben, wie man in politisch zurückgebliebenen
Ländern eine Zeitung redigiren muß.

Abgeblitzt.

Lin Arbeitsmann hat iiingst von einem Frommen,
Der unbekannt ihm war, Besuch bekommen.

Der wollt' zum Kirchenglauben ihn bekehren,
,,Mit Himmelsmanna seine Seele nähren."

Der Proletarier, ein Mann von Witz,

Bot dem Besucher höflich einen Sitz,

Ließ ihn, obzwar er wünscht' ihn zu den Geiern,
Sein Sprüchlein ungestört Herunterleiern;

Lr unterbrach den Schwätzer nicht
Und schnitt sogar ein andächtig Gesicht. —

Als jener endlich fertig war

Mit feinem Sermon, sprach der proletar:

„Ich möchte Sie, verehrter, fragen: Kamt
Ich Sie besuchen nächste Zeit? Und wann?" —

Der And're mit vergnügtem Munde
Bestimmte alsbald Tag und Stunde:

,,wie freut mich's, daß Sie kehren um
Zu Religion und Lhriftenthum!" —

,,Das will ich nicht", der Arbeitsmann versetzt',
,,Gs hat mich Ihre Rede blos ergötzt.

Jedoch weil Sie so eifrig sind gewesen,

Dom Irrthum meine Seele zu erlösen,
will ich mich höflich revanchiren,
probiren meinerseits. Sie zu kuriren,
will Ihren Geist versuchen aufzuklären,

Zu meiner Weltanschauung Sie bekehren." —
Tableau! Mit ellenlanger Nase
verduftete der Fromme auf die Straße.
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