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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 23.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.6366#0046
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4366

Demaskiert.

Am zu zeigen, wie wenig ihn das Gerede von der Fleischnot berührt, wollte
Podbielski den Fasching in der Rolle eines genügsamen Vegetarianers besuchen.
Damit er einen glaubhaften Eindruck erwecke, verschaffte er sich hierzu den ab-
gelegten Anzug eines ostelbischen Volksschullehrers, hatte aber das Pech, daß
seine Vorliebe für saftige Schinken dadurch besonders deutlich zutage trat.

Wie der kleine Lansel das Laufen lernte.

„Lansel, komm, hier ist ein Apfel!"

„Lansel, es gibt Milch I"

„Lansel, der Schutzmann kommt!

Deutscher Reichstag.

(Fastnachtsitzung 1906.)

Tagesordnung: Etat des Auswärtigen
Amtes.

Am Tische des Bundesrats: Reichs-
kanzler Fürst Bülow.

Reichskanzler Fürst Bülow: Meine Herren!
Von der linken Seite des hohen Hauses ist
unserer auswärtigen Politik der Vorivnrf ge-
macht worden, sie habe das Deutsche Reich
innerhalb des Konzerts der Weltmächte in
eine völlig isolierte Stellung gebracht. Gewiß!
Ich gebe zu: es ist so, der Dreibund hat voll-
kommen versagt und Deutschland steht im
Weltmachtkonzert isoliert da! Aus dieser Sach-
lage aber mir, dem verantwortungsfröhlichen
Leiter unserer auswärtigen Politik, einen Vor-
wurf zu machen — das, meine Herren, ver-
mag doch nur einer, der von Musik keine
Ahnung hat. Wer, frage ich Sie, spielt im
Konzert eine bedeutendere Rolle: das gemeine
Orchestermitglied oder der Solist? Nun wohl,
Deutschland ist der Solist im europäischen
Konzert! Mögen die anderen getrost in Ein-
tracht geigen, was ihnen beliebt — wir blasen,
allein für uns, laut und vernehmlich, die uns
von Gott anvertraute Posaune! (Lebhafter
Beifall rechts.) Trotz dieser bevorzugten und
viel beneideten Stellung, die uns wohl ge-
stattete, ein wenig auf unseren Lorbeeren aus-
zuruhen, zeigt sich unsere Diplomatie uner-
müdlich tätig/ und es ist ihr vor wenigen
Tagen gelungen, iviederunl ein gewaltiges
Werk zur Vollendung zu bringen. Ich kann

dem hohen Hause die erfreuliche Mitteilung
machen, daß die Regierung des Deutschen
Reiches soeben init Seiner Majestät dein
zukünftigen Kaiser der Sahara ein
Schutz- und Trutzbündnis auf neunund-
neunzig Jahre abgeschlossen hat. (Große Be-
wegung auf allen Seiten des Hauses.) Die Sahara,
meine Herren, wird der geeignetste Resonanz-
boden für das fruchtbare weltpolitische Po-
saunen-Solo der deutschen Reichsregierung
sein! (Stürmischer Beifall und Händeklatschen rechts
und im Zentrum.)

Abg. Di. Paasche (natl.): Ich habe die
Freude, der erste zu sei», der dem Herrn
Reichskanzler zu dem neuen, glorreichen Er-
folg seiner Politik die ergebensten Glückwünsche
der staatserhaltenden Parteien gehorsamst aüs-
spricht. (Bravo! bei den Nationalltberalen.) Auf
Grund meiner ernstgemeinten, aus den un-
eigennützigsten Motiven unternominenen vier-
zehntägigen Forschungsreise durch die afrika-
nische Tropenwelt habe ich wohl das Recht,
mich in dieser Frage als Sachverständigen zu
betrachten. Und da kann ich Ihnen die Ver-
sicherung geben: die Sahara erinnert im Hin-
blick auf die natürliche Fruchtbarkeit ihres
Bodens direkt an unsere herrlichen afrikanischen
Besitztümer. Sobald auf Grund des politischen
Freundschaftsblmdes auch unsere Handelsbe-
ziehungen zu dem zukünftigen mächtigen Kaiser-
reich genügend erstarkt sein werden, dürften
sich namentlich für die Einfuhr von Sand
die aussichtsreichsten Perspektiven eröffnen.
Der Boden der Mark Brandenburg, der die
nationalen Streubüchsen und Spucknäpfe bis-

her mit diesem Artikel versorgte, darf, darüber
sind ivir uns einig, nicht länger verschleudert
werden. Er muß als feste Grundlage für die
köstlichste Blüte unserer Großindustrie, für
unseren Denkmalbau, dem Vaterland unver-
mindert erhalten bleiben. Wenn jeder Platz
in der Umgegend der Reichshauptstadt mit
den Standbildern unserer Großen bedeckt ist
und unsere Spncknäpfe anfangen leer zu stehen,
dann, ja dann, meine Herren, werden Sie erst
die Segnungen der weitausblickenden Politik
unserer Regierung in ihrem vollen Uinfang
zu würdigen wissen! (Stürmischer Beifall bei den
Nationalliberalen.)

Abg. v. Massow (kons., besteigt schwankenden
Schrittes die Rednertribüne; zwei Fraktionsgenosfen
suchen ihn mit Gewalt znrückzuhalten): Kameraden
— Pardon — meine Herren! Was Sie denken,
is »ich. Ick bin — huck — noch fast ganz
nüchtern; von die paar Pullen kippen wir
»ich um! Meine Herren! Die Sahara is eine
der — huck — ausgedehntesten Gegenden der
Erde und ein sehr guter Gedanke vom Herrn
Reichskanzler. Aber — es herrscht dort ein
sehr durstiges Klima vor, also für den Bund
der Landwirte absolut nich geeignet. (Gelächter
links.) Was ivollen Sie? Sie! Ick pfeife auf
Ihnen, ick pfeife auf der ganzen Sozialdemo-
kratie! Ick bin preußischer Edelmann, ick bin
for Bildlmg und angeheirateten Besitz! Im
Ernstfall, das kann ich Sie sagen, da hilft
kein Mundspitzen nich, da muß — huck —
der Kognak ausgesoffen werden. Die Armee
ist das beste Gewähr für die Erhaltung der
Disziplin, des Patriotismus und der ganzen
 
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