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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 30.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.7671#0027
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7783

Die Teuerung nimmt überhand,
Vieltausend Mägen knurren,

And hier und da beginnt sogar
Der Bürger schon zu murren.

Der Lerr Minister Schorlemer
Bezeigt den besten Willen
And rät, den Lunger durch Genuß
Von Pferdefleisch zu stillen.

Dasselbe sei sehr schmackhaft und
Bekömmlich für den Magen —
Er selber kennt es allerdings
Wohl nur vom Lörensagen.

Inzwischen rückt das Schreckgespenst
Leran mit Sturmesschnelle,

Scho» steht in fürchterlicher Näh'

Es drohend auf der Schwelle;

Europas Diplomatenschar
Ringt fassungslos die Lände —
Da tönt ei» kräftig Zauberwort
And macht dem Spuk ein Ende.

Das Jahr ist um und was euch bringt
Die Zukunft, weiß der Teufel;

Nur eines, Freunde, unterliegt
Nicht dem geringsten Zweifel:

Ab

“nnemenl -Aufforderung
Nummer 10 PF.

Wie es auch gehn und werden mag,
Der Jacob bleibt, der wahre.

Was er bisher gewesen ist,

Euch auch im neuen Jahre!

Gerechtigkeit.

Auf einem Exerzierplatz hoch oben in Ost-
preußen, nicht weit von Rußland, fanden
Schauflüge statt. Der Platz wurde militärisch
abgesperrt. Das Publikum drängte nach vorn.
Einige Zuschauer geriete» dabei mit der Nasen-
spitze über die Absperrungslinie hinaus.

Das empörte eine» Unteroffizier. Sein Ge-
rechtigkeitsgefühl bäumte sich auf: warum soll-
ten einige die Nase weiter vorstrecken dürfen
als die andern?

Und in seinem Hirn entstand das Problem:
wie stellst du das erschütterte Rechtsbewußt-
sein und eine korrekte Absperrungslinie wieder
her? Denn auch bei Schauflügen ist natürlich
die gerade preußische Linie die Hauptsache.
Deshalb befahl der Unteroffizier einem Dra-
gonergefreiten, i» das Publikum hineinzureite».

Eine Äbsperrungsliuie läßt sich bekanntlich
überhaupt nicht anders in Ordnung bringen,
als mit Pferdebeiuen. Ein kräftiges Roß be-
deutet vier kräftige, eindringliche Argumente.
Jeder Huf eins.

Es genügt schon, einen Pferdefuß am eige-
ne» Schienbein zu spüren, um die Neugierde
etwas zurückzudrängen und die Nasenspitze
bescheiden einzuziehen. Vier Argumente aber,
die von einem lodernden Gerechtigkeitsgefühl
gespornt werden, überzeugen jedermann. Ein
kurzer Galopp reißt alle etwaige» Einwen-
dungen mit scharfer Logik über den Haufen.

Es ist richtig, daß, wenn alle vier Gründe
auf einmal geltend gemacht werden, Zuschauer
purzeln und unter die Hufe geraten können.
Es ist möglich, daß das Gewicht dieser Gründe
zerquetschte Nasenbeine, zerbrochene Rippen
und abgetretene Zehen zurücklassen kann. Es
ist denkbar, daß ein halbes Dutzend Krüppel
hinter der Absperrungslinie liegen bleiben.

Dahin möchten es sentimentale Gemüter
nicht gern kommen lassen. Deshalb griff dort
oben in Ostpreußen, nicht weit von der russi-
schen Grenze, ein Zuschauer dem Dragoner-
pferde in die Zügel. Er hinderte also gewisser-
maßen dje Gerechtigkeit, sich auszuleben. Er
tat es, obwohl er Reservist war, also vorüber-
gehend selbst Militär. Seine Pflicht wäre es
gewesen, an die Absperrungslinie zu denken.
Er aber dachte an die Menschen.

Ja, er negierte den militärischen Geist und
dachte an die Menschen! Der militärische Geist
kann aber nur bestehen, wenn es umgekehrt ist:

wenn die Menschen und der Mensch im Men-
schen negiert werde».

Der Reservist hatte also eine Todsünde be-
gangen. Er kam vor ein Kriegsgericht. Kriegs-
gerichte habe» die Aufgabe, das gestörte Rechts-
bewußtsein wieder herzustellen. Fiat justitia,
pereat mundüs — Gerechtigkeit werde geübt
und sollte die Welt darüber zugrunde gehe»!

Darum wurde der Reservist verurteilt.

Zu sieben —

Sieben Stunden Stubenarrest? Es hätte für
bescheidene Leute genügt.

Sieben Tage Mittelarrest? Die Gerechtig-
keit halte ihm schon etwas gutschrciben können.

Sieben Wochen strengen Arrest? Ihr stutzt,
eure Stirn zieht sich in Falten und ihr fragt:
Gerechtigkeit?!

Nein, nichts von allem forderte die Gerechtig-
keit, nicht sieben Stunden, sieben Tage, sieben
Wochen —

Der Reservist wurde zu sieben Monaten
Gefängnis verurteilt, weil er ein Dragoner-
roß daran hinderte, Menschen zu zertreten.

Nun ist das beleidigte Nechtsbewußtsein
wieder hergestellt.

Wenigstens beim Kriegsgericht dort oben in
Ostpreußen, nicht weit von der russischen Grenze.

Fiat justitia . . . span.

„Del de mir aber nur bar Jeld Hemmst bei dies jol-
bene Zeitalter! Jeder Pachntke hat jetzt seine Kröten
von die Sparkasse abjeholt!"

Lauwarme Rebellen.

Die Christlichen haben räsonniert.

Die Christlichen haben rebelliert.

Sie schwangen das Beil in ürieg'rischen Tänzen, —
Natürlich nur in gewissen Grenzen,

Soweit es eben das (Oberhaupt
Der allerchristlichsten Uirche erlaubt. -
Die Christlichen haben Courage markiert,
Die Giesberts und Behrendt haben agiert.

Sie haben laut und energisch gesprochen
Und sind dann eilig — zu Ureuz gekrochen,
Um ja nicht etwa bei den Großen
Und Heiligen oben anzustoßen.

Sankt Pius sieht in guter Ruh
Dem lustigen Treiben der Christlichen zu.

„Die outen Deutschen sind immer dieselben,

Gb es die schwarzen, die blauen, die gelben.
Uch, gäb' es noch mehr solch Gehorsame, Brave!
Ich segne euch alle, ihr deutschen Schafe!"

Der letzte Krach.

Abgeordneter Or. Spahn (Zentrum): Sie Räu-
ber! Sie Brandstifter! Sie zoologischer Garten! Sie
Petrolcmmuonopol! Sie Tierquäler! Sie Mensch!
Sie können mir den Buckel Herunterrutschen!

Reichskanzler v. BethmannHollweg: Sie mir
auch!

Abgeordneter Gröber (Zentrum): Sie Scharf-
richter! Sie Brehms Tierleben! Sie Methylalkohol!
Sic Giftmischer! Sie Dreiklnsscnwahlrccht! Sie Philo-
soph! Sie können mir den Buckel heraufrutschen!

Reichskanzler v. Bcthmann Hollwcg: Sie mir
auch!

Damit ist die Jesuitenfrage erledigt. Die Ver-
söhnung der Parteien findet bei der Beratung des
Militärctats statt. _ _ ht-

Katecf)ismus=KuItur.

Der neue mecklenburgische Uakechismus enihäii „nur" 359
Fragen und antworten gegen 598 des vorigen.

Rennst du das Land, da noch das Mittelalter
Regiert mit Ratechismus und Psalter,

Da man den Schüler nur mit Sprüchen stopft
Und ihm die Frömmigkeit wird aufgepfropft?

Rennst du das Land, wo dumpferStumpfsinn haust,
Das Land, vor dem es jedem Fremdling graust?
wo als Zensur erstrebt der Schulrekrut:
„Ropfrechnen schwach, doch — Ratechismus gut?"

Ist dir dar Land noch immer nicht bekannt?

Du rätst auf des Dalai-Lama Land?

G nein, auch dort erzieht man keine Tröpfe,

Das tut man nur im Land der - Gchjenköpfe!

p.L.
 
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