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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Editor]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 36 (6. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44978#0377
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6- SEPTEMBER 1931

V. JAHRGANG, Nr. 36

D I E


ARTo/*WORLD

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT

NST
LMONDEfoAKIS

b.VS INTERNATIONALE ZENTRALORGAN FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT

ft
^scheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
erlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin».
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Herausgeber Dr. J. I. von Saxe

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land £ /5/6; Schweiz und die nicht angeführten Länder sfrs. 7; Übersee $ 1,50

WERTHEIM : DAS BIBLOGRAPHIKON
Berlin w 9. leipnger str. Alte Graphik Seltene Bücher Moderne Kunst

Pariser Kunstsommer

seaus und dann plößlich, kaum ein Jahr später,
der reife Impressionist, der Maler des Lichtes
und der Schatten, — aus dieser Periode repro-
duzieren wir auf Seite 6 das schöne Bild

Von Dr. F r i t z N e u g a s s

„Frauen im Garten“ (1867). Später werden seine
Bilder immer luftiger, atmosphärischer und
traumhafter, bis er 1903 in London nur noch

r, Während in früheren Jahren die Pariser
: ®lerien ihre Ausstellungsräume regelmäßig
“er die Sommermonate geschlossen hatten.,
Waren in diesem Jahre zwei wesentliche
aktoren vorhanden, welche die Kunsthändler
®ranlaßten, ihre Tore offenzuhalfen, und sogar
Tfeh anziehende Ausstellungen das Interesse
,':s Publikums auf sich zu lenken: Das erste
dar die allgemeine schlechte Wirtschaftslage,
sich auch in Paris ganz besonders bei den
I '•hsthändlern bemerkbar machte, und zwei-
l^h's trat hier noch der außergewöhnliche Fall
Jn7-U:, daß durch die großzügige Kolonialaus-
, teHung mit ihrer fast amerikanischen Reklame
I Hd den Fahrpreisermäßigungen auf allen
die französische Hauptstadt in diesem
l^kre keine „Saison morfe" hafte. Touristen
giften aus allen Ländern und Erdteilen und
. °llien schließlich mehr sehen als die politisch
^‘gezogene „Reise um die Welt in 24 Stun-
et>“ durch die französischen Kolonien.
j. So hatten die staatlichen Museen und selbst
großen Galerien sich entschlossen,, über die
fj°nimermonate große Ausstellungen zu ver-
Malten, um die „Ville Lumiere" in einem
blendenderen Lichte erscheinen zu lassen.
t, Das Luxembourg-Museum wurde völlig neu
’':<Jrdnet und modernisiert, dem Trocadero
, Urde eine neue ethnographische Abteilung
vJJefügf und das Musee Guimet hat neue
mit orientalischer Kunst gefüllt und; dem
T'olikum zugänglich gemacht. Dazu wurde
t*“en der Kolonialaussfellung noch ein per-
^hentes Kolonialmuseum errichtet, das ein
s Jhbendes Zeugnis zum Ruhme der französi-
llnr Kolonien bilden soll. Die Fülle dieser
fj^srn-ehmen beweist eine neue starke Initia-
]j die das Ministere des Beaux-Arts plöß-
nJ belebt hat, wird uns aber auch Anlaß
n'ben’, besonders im Hinblick auf die Neu-
w Haltung des Luxembourg-Museums, noch
\3rke Kritik zu üben. Neben den offiziellen
s^hnstaltungen, wie die Byzantinische Aus-
jptong im Louvre, Degas und die Altportugie-
kSche Kunst, über die wir in der „Weltkunsf“
berichtet haben, wurden von einigen
traten Galerien Ausstellungen von wahrhaft
Realer Wirkung veranlaßt, so daß dieser
v himer wahrlich zu den ereignisvollsten
y, hsterlebnissen der französischen Metropole
Urde.
tr ergreifendsten war die Ausstellung
|gahzösischer Meisterwerke des
iv'ahr hunderts in der Galerie Paul
fj senberg, die zum wohltätigen' Zweck
4ttCr Stiftung für die Cife Universitaire ver-
kissmltet wurde. Von Ingres und Delacroix
v zu Gauguin, Cezanne und Van Gogh
,n die seltensten und kostbarsten Werke
iiT 'nternaiionalem Privatbesilj hier vereinigt
gr' gaben ganz neue Aufschlüsse über die
Ma| Enfwicklungslinie der französischen
^ild l-e’- Neben den großen wenig bekannten
r hissen des späten Corot fand man die
^Ijhndwerke Manets, die Porträts seiner
T>f/ri in einer warmen, tonigen, fast courbet-
en Palette und das Bildnis seines Sohnes

(Abbildung Seite 21, das noch stark an die
alten Holländer gemahnt, aber in dem Greifen
der Hände schon ganz den späteren Manet
vorausahnen läßt. Und
noch' der frühe weib¬
liche Akt Renoirs
von 1870 aus der
Sammlung Alfred Cas-
sirers-BerlindAbbildung
nebenst.) zeigt im Mo¬
tiv und in der Behand¬
lung des „Stofflichen“
die starken Einflüsse
der „Mädchen am
Seine-Ufer" von Cour¬
bet. Nach der ganzen
Reihe der Impressio¬
nisten, worunter die
„Impression“ von Mo¬
nel, die der ganzen
Richtung den Namen
gegeben hatte, zu sehen
war, folgten die Out¬
sider der Jahrhundert¬
wende :‘Cezanne, Degas,
Seuraf, Van Gogh und
Gauguin, die bereits alle
Probleme unserer heu¬
tigen Malerei im Keime
in sich getragen haben.
Die erste große re-
trospektive Aus¬
stellung Claude Mo¬
nets in der Oran¬
gerie des Louvre be¬
wies, wie sehr das of¬
fizielle Verständnis für
„moderne“ Kunst in
Frankreich nachhinkt.
Monet hat am längsten
von allen Impressioni-
sten gelebt und niemals
— obwohl er erst vor
drei Jahren starb — eine
öffentliche Ehrung er¬
fahren. Und jeßt, wo der
Staat sich endlich ent¬
schließt,,idenMeister und
sein Werk zu feiern,
findet man,, daß seine
Kunst uns nicht mehr¬
viel zu sagen, hat. Seine
Palette ist zu subtil, als
daß sie von unseren
an stärkere Klänge
gewöhnten Augen noch
ganz genossen werden
kann, und seine Motive
sind troß ihrer Mannig¬
faltigkeit zu uniform
und zu visuell, als daß
sie noch interessieren
könnten. Bemerkenswert ist der große
Sprung in, Monets künstlerischer Entwicklung
zwischen den Jahren 1866 und 1867. Zuerst
noch ganz befangen in der Schule von Bar-
bizon, ein Ießfer Jünger Corofs und Th. Rous-

Nebelbilder malt.
Die Galerie Marcel Bernheim
& C o., die bisher einige dunkle Räume in der
Rue de Caumartin innehatfe, siedelte in

diesem Sommer in die Rue de la Boetie
über und hat ihre neuen lichten Säle mit einer
großzügigen Modigliani- Ausstellung er-
öffnet. Noch nie wurde eine so treffliche Aus-
wahl zusammengebracht und noch nie konnte


Auguste Renoir, Weiblicher Akt (1870)
Nu — Nude
Collection Alfred Cassirer, Berlin
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Paris, Galerie Paul Rosenberg

man alle Möglichkeiten, aber auch alle Be-
grenzungen dieses Meisters so deutlich fixie-
ren, wie in dieser Vereinigung von Bildern,
Zeichnungen und Skulpturen.
Obwohl uns Modigliani bereits vor zehn
Jahren durch einen jähen, frühzeitigen und
tragischen Tod entrissen wurde, gehört er
noch immer zu den „modernsten“ und persön-
lichsten Erscheinungen, unserer Generation.
Trotz seines Auftretens in Paris im Jahre 1906,
dem Jahre der großen Kunstrevolution, wo
Matisse, Vlaminck, Picasso und Dera,in die
alten Formen sprengten, konnte er nur bedingt
den neuen Idealen huldigen. Denn er, der
Italiener, war zu sehr belastet mit einer großen
und klassischen Tradition, als daß .ihn nun das
chaotische Wirrwarr der „Fauves“ hätte ganz
erfüllen können. Er blieb abseits und stu-
dierte jene Revolution gleichsam von der
Ferne, von der Höhe des Montmartre herab.
Er reinigte seinen Stil, warf den alten akade-
mischen Ballast seiner Studienjahre über Bord,
versuchte sich im neuen Stil — wenn man in
diesen Jahren überhaupt von einem einheit-
lichen Stil sprechen kann —, wahrte aber
dabei seine ihm eigentümliche Reinheit der
Linie,, die ihn stets von seinen Kameraden
unterschied. Nur ganz sporadisch berührte er
den Kubismus, hafte jedoch eine zu be-
herrschte Farbgebung, eine zu geschlossene
Zeichnung und eine zu gebändigte plastische
Form, als daß er in einen reinen Konstruktivis-
mus hätte verfallen können.
Seine Enfwicklungslinie von 1912—1919, die
wesentlichste und ach so kurze Spanne seines
besten künstlerischen Schaffens, wurde hier
sichtbar. Von den schüchternen malerischen
Versuchen der Vorkriegsjahre, in welchen die
Bildnisse noch stark in der Fläche gebunden
sind, bis zu dem liegenden Akt von 1918 (Ab-
bildung Seite 2) — welch unerhörte Entwick-
lung zur Bildtiefe, welch meisterliche Beherr-
schung des Konturs und welch tiefe Empfin-
dung des seelischen Ausdrucks! Dann im
Jahre 1919 trift plößlich eine Entspannung ein.
Die Linie wird1 noch empfindsamer — fast
manieriert — und die Farben bekommen einen
noch emailhafferen Glanz; sie klingen nicht
mehr zusammen, werden spröde und kalt.
Modigliani starb an einem Blutsturz, un-
erwartet, in der Blüte seines Lebens, aber
gerade in dem Augenblick, wo seine wahrhaft
schöpferische Kraft erloschen war. Als er be-
gann, berühmt zu werden, war er — welch tra-
gische Begleiterscheinung des Ruhms! — in
Routine verfallen.
Die Galerie de France zeigte den
zweiten jener peintres maudits: Utrillo.
Unter dem Titel: Bilder von Paris wurden
40 Landschaften des Meisters (Abbildung
Seife 5) zusammengebracht und ließen zu
tiefst die Tragik seines Lebens und seiner
künstlerischen Entwicklung erkennen. Die
frühen Werke gehören zu den schönsten Land-
schaften, die je im 20. Jahrhundert geschaffen
wurden, sind voller Stimmung und Atmosphäre,
voller farbiger Reize und wirklichen Erlebens
des „Vieux Paris". Aber seit ungefähr 15 Jah-
ren,, in welchen Utrillo durch sein Delirium oft
für lange Zeit die Palette aus der Hand legen
mußte, entstanden große Bilder mit harten
Konturen und ebenso harten Formen, so daß
die einheitliche Konzeption zunichte wurde und
etwas zerquälfe Werke entstanden, die in ihrer

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