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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Editor]
Die Weltkunst — 5.1931

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Nr. 46 (15. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44978#0442
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2

DIE WELTKUNST

Jahrg. V, Nr. 46 vom 15. November 1931

schon gekannt hatte. M.an war imstande,
nebeneinander zu sehen, was nacheinander
gewachsen war. Aber man maßte sich nicht
das naiv-brutale Recht des Unschöpferischen
an, es nachzuahmen. Die Skepsis hielt die
Menschen ab. Die Skepsis, die mit der Er-
kenntnis so oft verbunden war. Der Blick
weitete sich und umfaßte Welfen, Völker und
Kulturen. Man überbrückte Horizonte und
hatte immer noch nicht genug damit, um die
jämmerliche Gegenwartsgebundenheif zu ver-
gessen. Das Gauguinschicksal machten nun
alle geistig durch. Und die Flucht der Euro-
päer aus dem, was um sie und in ihnen war,
wurde zur Qual. Man suchte. Dieses Suchen
gehörte zum Erschütterndsten, was wir um
uns erleben konnten und noch können. Denn
es gehört zu uns. In der bildenden Kunst
aber ist es niedergeschrieben und stehen ge-
blieben, zeugt immer von den ewig neuen
Augenblicken des Suchens der Menschen, die
an dem Bestehenden rüttelten und dabei
fanden, was sie doch eigentlich alles ver-
loren hatten. Das große Publikum verstand
wohl die Pleite, die unser wirtschaftliches und
politisches Leben bedroht, aber in den Werken
der Kunst, Stenogramme voll erschreckender
Nähe zu den Vorgängen des Lebens, verlangte
man die gleichen klassisch-humanistischen
Ideale, bürgerlich-menschlichen Inhalt und
gewohnte Form-Farbprobleme wie zu den
Zeiten vor unserer Er¬
schütterung. Und das
Publikum hatte in sei¬
ner Weise recht. Die
Malerei war Sprache
bestimmter Denkr.ich-
fungen geworden, je
nach Alter und Stand¬
punkt ihrer Träger.
Schlimm war, daß diese
Richtungen gegeneinan-
der Front machten und
beste Kräfte durch Po¬
lemik schwach wurden.
Wer dies bestimmte
Denken und Anschauen
nicht besaß, bekam
nicht leicht Zugang.
Das Publikum aber
hatte sich selbst ge-
wandelt. Es trat die
Maschine in das Leben
des Menschen. Sie war
in seinem Hirn erdacht
und nahm ihn nun ge¬
fangen. Aber auch
wieder nur sein Hirn,
während seine Seele
als nicht mehr diskuta¬
bel verschmachtete. Und
nun die Maschine ein¬
mal da war, wurde sie
unerbittlich, verlangte
eine Aktivität der Men¬
schen, die sie nie für
möglich gehalten hat¬
ten, und mußte sie ver¬
langen, weil es ihr We¬
sen verlangte. Eine
stillstehende Maschine
ist etwas Grausiges.
Durch ihren glänzen¬
den Leib muß der rhyth¬
mische Strom ständiger
Arbeit zittern, mit einer Unerbittlichkeit und
Präzision ohnegleichen. Ihre Beherrschung,
das war ein lebenswichtiges Problem, aber
sie ließ sich nicht beherrschen, sondern
herrschte auch ihrerseits und zwang Denken
und Fühlen in eine Richtung. Ich gehöre be-
stimmt nicht zu den Menschen-, die die
Maschinenklage anzustimmen für unerläß-
lichen Beweis ihrer geistigen Besonderheit
halten. Die Maschine ist nicht unser Unglück.
Sie ist einfach eine Notwendigkeit, und ihre
Entwicklung nicht umkehrbar. Sie ist da und
gehört zu unserem Leben. Es kommt darauf
an, was wir mit ihr machen.
Aber es ist nicht zu leugnen, daß wir uns
dadurch in einer neuen Tatsachenwelt be-
finden. Denn wenn ich Maschine sagte, so
wollte ich nicht aus einer Maschinenromantik
heraus sie als Polarität ausspielen, sondern
sie galt als Teil für das Ganze, für das
Problem, das uns alle angeht: Technik.
Technik ist nicht die Maschine, sondern wirkt
sich nur in ihr aus. Die Maschine dient ihr.
Denn Technik ist ein ganz bestimmtes Ver-

Inhalt Nr. 46

Dr. G. Barthel:
Krise der modernen Kunst.1/2
Resultate der Boernerschen Auktionen ... 2/3
Auktionsvorberichte (m. 11 Abb.) ..... 3, 5
Auktions-Kalender .3
Ausstellungen der Woche . . . . 4
Preisberichte — Kunst im Rundfunk .... 4
F. S t ö s_s. i n g e r :
Die Juryfreien, 8. Reihe .5
Nachrichten von Überall.6
Unter Kollegen.G

M.& R. STORA
GOTHIQUE
KT
RENAISSANCE
32 BIS BOULEVARD HAUSSMANN
PABIS

halten. Zweifellos ist dies einer der Kern-
punkte unserer heutigen fühlbar gewordenen
Veränderung. Die Menschen, die unaufhalt-
sam der Maschinentechnik durch ihre Riesen-
fabriken den Weg erzwungen hatten, er-
füllten sich in der Leistung und waren stets
unruhig getrieben, um diese Erfüllung ins Un-
geheure zu treiben. Ihre Aktivität war ein
ständiges „Tun“, ein immerwährendes Streben
nach einem Ziel, das sich in Leistung und
Nüßen erschöpft. Dieses Verhalten bedingt
ein beständiges Wachsein, weil die Technik,
der meisternden Hand entgleitend, unbarm-
herzig zermalmt und die Maschine sich gegen
ihren eigenen Schöpfer richtet. So ist der
Mensch, einseitig, wach, geradeaus, kämpfe-
risch, „jung“, eindeutig und von einer Geistig-
keit, die von der Alleingeltung des Nußens als
Ziel lebt. Es hat gewiß etwas geradezu Be-
rauschendes, in Stunden den Ozean zu über-
queren und dadurch die Welf erobernd seinem
Machtwillen und Machtbereich zu unterwerfen.
Die Welt wird klein, und die auf den Menschen
als Mittelpunkt bezogenen Maßstäbe, rmt
denen man Ereignisse bis dahin messen
konnte, galten nicht mehr. Kunst aber richtet
sich nicht nach irgend einem Zweck. Sie ist
„zwecklos“. Sie entspringt der visionären
Vorstellungskraft des Menschen, der sich mit
der Umwelt auseinanderseßt. In ihm ist die
Spannung zwischen Geist und Leben, und der

Bruch, das Gespaltensein, das Außerhalb des
praktisch-tätigen Lebens erst gibt die Mög-
lichkeit des Gestaltens, des Verarbeitens und
Festhaltens. Aber gerade das ist ja schon
problematisch. Dieses Gesammeltsein, diese
intensiv nach innen gerichtete Tätigkeit, dieses
Schaffen und Geschaffensein, zunächst nur
um eines geistigen Ausdrucks willen, um einen
Inhalt, der Aussprache und Bekenntnis ist,
dies ist für unsere Mitmenschen in überragen-
der Mehrzahl etwas Fremdartiges geworden.
Von einem kleinen Kreis von Menschen abge-
sehen. Wir sind in zuviel Schichten gespalten,
die einander nicht mehr verstehen.
Die Kunst unserer Zeit ist in ihren Ge-
staltungsmöglichkeiten von großer Spann-
weite. Immer wieder drängt es Menschen, ihre
eigenen Auseinanderseßungen mit dem Tat-
sachenbefund um sie herum in bildliche
Zeichen zu bannen, in einer sichtbaren Form
festzuhalten als stetige Aussagen ihres An-
teils an der Weltvorstellung. Aber so groß
die Spannweite, so unterschiedlich sind die
Aussagen, so weit liegen die Pole, die keine
Verständigung zulassen. Auf vielen und ver-
schiedenen Ebenen schaffen die Künstler und,

das ist Tatsache, so sehr sie darben, schaffen
sie und neue kommen immer hinzu, den Kreis
der Schaffenden zu vermehren. Was sie alle
wollen, ist, Sinnbilder des Lebens zu geben,
wovon sie wegstreben, ist die studierte Natur
und die realistische Schilderung. Denn auch
die „neue Sachlichkeit“, die das Gegenständ-
liche in betontester Form wiederzugeben be-
müht ist, hat etwas Unwirkliches, das im
kalten, Licht seltsam menschenfern die Gegen-
stände zu Sinnbildern einer magisch-ent-
rückten Leidenschaftslosigkeit macht. Beim
Gegenpol gibt es keine
dingliche Welf mehr,
es gibt nur noch ein
Denken im Abstrakten.
Der Sinn, der diesem
Bemühen innewohnt,
hat sich von der Wirk-
lichkeit abgelösi. Und
dies begann im Detail
schon zu einer Zeit,
als noch niemand dar-
an dachte, bei Ce-
zanne. Schließlich geht
von ihm eine eindeu-
tige Linie zu Kandins-
ky und Mondrian, Pi-
casso und Gris, selbst
Kokoschka und Cha¬
gall. Und was sie tun
ist die nüchterne und
unzweideutige Darstel-
lung unserer Lage. Der
Sinn, den der Mensch
den . Dingen zuwies,
löste sich von de*.
Wirklichkeit. Und das
Selbstgespräch, als das
uns Bilder so oft an-
muten und packen, ist
in Wahrheit ein Träu-
men neben dem Le¬
ben, eine oft glück¬
lose, sicherlich aber
eine verzweifelte Si-
tuation.
Kann die Menge folgen? Nein, sie kann
es nicht. Sie ist gar nicht in der Lage dazu,
wenn schon die Minderheit derer, die auf
„Interesse an der Kunst“ Anspruch erhebt, in
soviele Lager gespalten ist, als es Richtungen
gibt. Die Wirklichkeit, in der wir leben, ist
allein auf das praktische Ziel und das tech-
nisch rationale Denken gestellt. Für die
Künstler aber, die in ihr leben und sie ge-
stalten, ist eben diese Wirklichkeit proble-
matisch geworden und als Fragwürdigkeit
über sie hereingebrochen, weil sie keinen Plaß

Uber die sensationelle Versteigerung der
Handzeichnungssammlung Hofstede de
Groot bei C. G. Boerner am 4. November
haben wir bereits in der leßten Nummer der
„Weltkunst“ berichtet, wobei besonders auf den
außerordentlichen Erfolg der Rembrandt-
Blätter hingewiesen wurde, die bis auf eine
Anzahl zweifelhafter Stücke, die auch in
Zeiten bester Konjunktur kaum verkäuflich ge-
wesen wären, zu erstaunlichen Preisen ab-
geseßt wurden. In Ergänzung unseres ersten
Berichtes bringen wir heute einige Nachträge.
Rembrandts „Dorfstraße“ (Nr. 184) wurde für
4600 M. von Dr. Beets erworben, Buyfewechs
„Finkenfang“ (Nr. 58) für 3000 M. vom Boy-
mans-Museum in Rotterdam, eine Landschaft
von Furnerius (Nr. 93) für 1300 M. von Mensing,
ein Blatt von van Goven für 1100 M. von dem
Sammler de Bruyn. Terborchs „Milchmarkt“
(Nr. 26) brachte 2100 M., die anonyme Ansicht
des Amsterdamer Rokin (Nr. 2) 1900 M., eine
auf 100 M. taxierte Zeichnung von Key (Nr. 128)
nicht weniger als 1200 M. (Cassirer-Amster-
dam), Potters „Hirsch und Hirschkühe“
(Nr. 159) 2700 M. (Amsterdam, Prenten-
kabineft). Ein besonderes Interesse brachte
man den Zeichnungen von Savery entgegen,
die noch vor wenigen Jahren ganz billig zu
haben waren; so kaufte das Amsterdamer
Museum eine große Landschaft für 1850 M.„Dr.
Wertheim (Berlin) eine Ansicht aus Prag
(Nr. 224) für 1600 M. Aber auch die mittleren

finden, der sie einordnet in eine Gemein-
schaft und frei macht für die sinnvolle
wechselseitige Durchdringung von Sinn und
Wirklichkeit, von Denken und Leben. Aber
dies geht über den Rahmen dieses Aufsaßes
hinaus, der nur andeufen will. Die Kunst als
hübsche Unterhaltung, als leichtfertiges Spiel,
als mondäner Gesprächsstoff entbehrt jeder
Grundlage. Aber es ist kein Zweifel, daß die
Kunst und die gesamte mit ihr verbundene
Gesinnung eines ganz neuen Ernstes bedarf.
Erst wenn sie aus ihrem rein abstrakten

Denken oder aus ihrer romantischen Sehn-
sucht, ihrem Alleinsein und ihrer Abge-
schlossenheit herauskommt, wenn die mensch-
lichen Inhalte wieder in der Übereinstimmung
von äußerer und innerer Wirklichkeit Gestalt
werden können, wird auch die Stellung der
Kunst eine andere sein. Dies aber ist wieder
unlösbar mit der Bildung einer neuen Gesell-
schaft verbunden, die die Wenigen tragen muß,
die heute schon den Mut und die Möglichkeit
suchen, in ihrem Werk die Auseinanderseßung
mit dem Kommenden vorzunehmen.

und kleinen Meister brachten durchweg hohe
Preise, welche die der Handzeichnungs-
Sammlung Dr. Otto, die C. G. Boerner im
Jahre 1929 versteigerte, im Durchschnitt noch
stark übertreffen.
Ein anderes Bild zeigte die Versteigerung
einer kleinen namenlosen Kupferstic h-
Sammlung alter Meister am 5. November.
Hier zeigte es sich, daß eine hübsche, aber
nicht durch ganz außergewöhnliche Qualität
oder Provenienz ausgezeichnete Altmeister-
Sammlung sich heute nur sehr schwer und
lückenhaft verkauft. Dies betrifft besonders
die guten, aber doch nur durchschnittlichen
Blätter von Dürer und Rembrandt, die sonst der
in- und ausländische Handel bei einer solchen
Auktion aufzunehmen pflegt, der heute durch
volle Läger und geringe Absaßmöglichkeiten
am Einkäufen stark gehindert wird. Immerhin
brachten auch hier schöne Qualitäten seltener
Blätter noch ansehnliche Preise und es zeigte
sich eine merkwürdige Aufnahmefähigkeit des
Publikums für kleinere Werte, die zu anderen
Zeiten gelegentlich schwerer verkäuflich sind.
In dem kleinen Dürer-Werk brachte der
Heilige Hieronymus im Gehäus (Nr. 105) 3000 M-
und die Melancholie (Nr. 108) 2400 M. Lebhaft
wurden wiederum die Holzschnitte geboten-
Ein herrlicher Probedruck der apokalyptischen
Reifer (Nr. 123) kostete mit 2300 M. etwas mehr
als der Sammler vor zwei Jahren dafür bezahlt
hatte. Die Probedrucke aus dem Marienleben
finden mit Preisen zwischen 400 und 800 M-
immer noch ein sehr lebhaftes Interesse. Eine
schöne Landschaft von Hirschvogel (Nr. 168'
kaufte ein Schweizer Sammler für 2400 M. In
der kleinen Rembrandt-Sammlung brachten
die wenigen, wirklich ausgezeichneten OuaU
täten recht gute Preise. 2800 M. der Christus
am Olberg (Nr. 223), 3200 M. der ungläubige
Thomas (Nr. 225) und denselben Preis der
Hieronymus am Weidenstumpf (Nr. 228). Eine
Landschaft mit dem Turm (Nr. 239), allerdinO5
nicht ganz intakt, brachte troßdem noch 2500 M-
Unter den frühen Drucken Schongauers sine
zu nennen die Preise von 2900 M. für die
Geißelung (Nr. 261) und 4100 M. für einen Ecce
homo (Nr. 263), 4600 M. für einen Michael

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Versteigerung — Vente — Sale: Hugo Helbing, München, 24. November 1931

Resultate
der Boernerschen Herbstauktionen
 
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