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Astis tt a


Herausgrgelien im Äustrage des Nerrins-Äusschufses.

42.

I u halt:
Wochenbericht. — Preußische Landtagsbricfe. I. — Vor dem Sturm. —
Die preußische Handelspolitik in den Händen des Grafen Jtzenplitz. —
Jesuitenjagd auf eine Königsseele. — Hannover. — Aus Süddeutschland.
— Heidelberg. — Aus der Fremde. — Nationalvereins-Angelegenheiten.
— Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 16. Januar.
* Wie die erste, so hat auch die zweite Woche des ueuen
Jahres, keiue nennenswerthen Thatfacheu gebracht und die
allgemeine Lage der Dinge in Deutschland unverändert ge-
lassen. Nur. "daß die Spannung dieser Lage, wenn auch in
leisen Ucbergängcn, sich unverkennbar steigert. Ein deutliches
Zeichen der zunehmenden Spannung ist die Sprache der mi-
nisteriellen Blatter in Wien und Berlin. Dort redet man im
Tone einer kaum verhaltenen Feindseligkeit, hier ist man ver-
schwenderisch mit guten Worten nnd Fxcundschaftsbethcuerungen.
Es muß in der That schlimm stehen um die Bismarck'sche
Sache, seitdem die Organe derselben, die sich sonst eben so
wenig, wie ihr Herr und Meister, auf Bescheidenheit und ähn-
liche Tugenden verlegen, dem grollenden Oesterreich unermüd-
lich den Hof machen, und in ihrer Beflissenheit so weit gehen,
daß sie thun, als glaubten sie gar nicht an eine Verstim-
mung des lieben Freundes, des gebornen Bundesgenossen an
der Donau.
Diese Comödie, in welcher Preußen die vortheilhaste
Rolle in keinem Sinne des Wortes spielt, kann nicht lange
dauern. Oesterreich ist allem Anscheine nach gesonnen, die hol-
steinischen Stände, wie die Verfassung des Landes es vor-
schreibt, im Laufe dieses Jahres einzubcrufen, und mit diesem
Schritt wird der Augenblick des Biegens oder Brechens ge-
kommen sein. Daß Oesterreich nicht bloß durch die Landes-
verfassung, den Hcrzogthümern gegenüber, verpflichtet, sondern
auch durch den Gasteiner Vertrag, Preußen gegenüber, voll-
kommen berechtigt ist, den holsteinischen Landtag zu versam-
meln, um die Gesetzgebung und das Finanzwesen wieder in
regelrechten Gang zu bringen, wagt Niemand zu bestreiten.
Aber, heißt es von preußischer Seite — und selbst die Köl-
nische Zeitung hat den Muth, in diesen Einwand einzustim-
mcn — die holsteinischen Stände werden, wenn einmal ver-
sammelt, unsehlbar in die Politik übergreifen, die Einsetzung
des Herzog Friedrich verlangen u. s. w. und deshalb widerstreitet die
Einberufung derselben, wenn auch nicht dem Buchstaben, so
doch dem Ge^st der Uebcreinkunft zu Gastein. Von einem sol-
chen Argument wird jede gesunde Natur zu sehr angewidert
werden, als daß es am Platze wäre, sich eingänglich mit dcm-
selben zu befassen. Genug, daß die Wiener Politik sich ur
ihrer Behandlung der schleswig-holsteinischen Angelegenheit
sicherlich nicht durch die Winkelzüge und Knisfe der Teufels-
advokaten der Annexionspolitik bestimmen lassen wird, und

1866.

daß man sich also die Anwendung jener elenden Künste füg-
lich ersparen könnte. Auf der andern Seite wird natürlich
kein urteilsfähiger Kopf von Oesterreich verlangen und er-
warten, daß es den Hcrzogthümern zu Liebe sich zu irgend
einem Thun oder Lassen verstehe, das da nicht aus seinen
allereigensten Interessen hervorgeht. Könnte Graf Bismarck
dem Wiener Cabinctte eine angemessene Entschädigung für
den Nachtheil bieten, welcher der österreichischen Politik aus
dem Gelingeu der preußischen Anschläge auf die Herzogthümer
erwachsen würde, so ist es nicht im mindesten zweifelhaft, daß
die österreichische Zustimmung leicht zu erlangen wäre. Da
aber Graf Bismarck den Kaufpreis für das österreichische Ja-
wort bekanntlich nicht in Händen hat, so muß er sich wohl
darauf gefaßt machen, daß Oesterreich, des unfruchtbaren Han-
dels müde, denselben demnächst abbricht. Die Einberufung des
holsteinischen Landtags wäre offenbar eine sehr anständige
Form der Kündigung des bisherigen Provisoriums. Möge
insbesondere das preußische Abgeordnetenhaus die Wahrschein-
lichkeit dieses Falles scharf in's Auge fassen, und sich die
Frage vorlegen, ob es nicht ein großes Interesse hat, der
von Oesterreich aus zu gewärtigenden Maßregel durch eine
entsprechende Forderung an die eigene Regierung wo möglich
zuvorzukommen.
Unter den hochwichtigen Angelegenheiten, mit welchen sich
der Bundestag in seiner letzten Sitzung zu beschäftigen hatte,
als da sind: Anmeldung des Herrn v. Linde als definitiven,
statt, wie bis jetzt, interimistischen Gesandten für Homburg,
Vorbehalte von Weimar, Baiern nnd Koburg in Bezug auf
die Fortzahlung ihrer bisherigen Beiträge zu den Kosten der
Veröffentlichung der deutschen Geschichtsquellen, Bewilligung
einer Unterstützung für einen ausgedienten Scelicutenant u. s. w.,
unter diesen großen Geschäften wird in dem amtlichen Be-
richte auch aufgeführt: die Entgegennahme der Anzeige vom
Tode des Königs der Belgier. Wie die Excellenzen durch diese
Neuigkeit überrascht worden sein werden!
Zur Geschichte des mißlungenen Feldzugs der österreichisch-
preußischen Diplomatie gegen den Senat der freien Stadt
Frankfurt erhalten wir einen neuen Beitrag durch die Nach-
richt eines Pariser Blattes von dem Entwürfe einer öster-
reichischen Note, welcher der preußischen Regierung am 9. Dec.
mitgetheilt worden sein soll, und in welchem es angeblich heißt:
„Die Principicn, denen der Senat huldigt, stehen in offnem
Widerspruche mit dem Verfahren, welches die Frankfurter
Behörden bezüglich der politischen Vereine beobachtet haben.
Art. 7 der vom Bundestage im Jahr 1854 angenommenen
Bestimmungen besagt, daß derartige Vereine nur geduldet
werden können, so lange ihre vollkommene Verträglichkeit, so-
wohl mit den Gesetzen des Bundes, als mit denen der ein-
zelnen Staaten ausdrücklich nachgewicsen ist. Ein solcher Nach-
weis ist aber, so viel wir wissen, vom Frankfurter Senate
dem Nationalverein nicht abgefordert worden." Abgesehen da-
von, daß dem Texte des Bundesvereinsgesetzes von 1854 in

Frankfurt a. M., den 18. Januar.
 
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