Abonnementspreis: Bei
direktem Bezug von der^Ex-
pediüon 45 kr. oder 13 Sgr.,
bei Bezug durch die Post oder
dm Buchhandel 54 kr oder
15'/r Sgr. für das Quartal.
Inserate zwei Sgr. für die
doppelspaltige Pctitzeilc.
des
alio n a l -D < r e i n s.
Herausgegeben im Auftrage des Vereins-Ausschusses.
44.
Frankfurt a. M., den 1. Februar.
1866
Inhalt:
Wochenbericht. — Preußische Landtagsbriefe. III. — Dänisch-deutsche
Personalunion? — Neue Minister in Bayern. — Darmstadt. — Badische
Briefe. II. — AuS Bayern. — Aus Thüringen. — Mittheilungen aus
dem Nationalverein. - An Deutschlands Turnerschaft! — Anzeigen.
Wochenbericht.
Frankfurt, 30. Januar.
Zu den hervorstechendsten Charakterzügcn des preußischen
Regiments gehört die Beflissenheit, mit welcher man in Ber-
lin die Geringschätzung des eigenen Volkes zur Schau stellt.
Graf Bismarck zwar hat den „beschränkten Unterthanenver-
stand" nicht erfunden, der vielmehr seit unvordenklichen Zeiten
von der Berliner Regierungskunst als eine feststehende Sache
angenommen worden ist, lange bevor der Minister v. Rochow
derselben ihren unvergeßlichen Namen gab. Die Miene der
Ueberlegenhett und der Ton von oben herunter, wie sie in
Preußen von jeher zum Regierungsstyl gehörten, waren immer-
einzig in ihrer Art, oder doch wenigstens, um uicht zu viel
zu sagen, außerhalb Deutschlands und in den größeren
Staaten der civilisirten Welt, ohne Beispiel. Graf Bismarck
indessen hat das unbestreitbare Verdienst, diese Ueberlicferung
wesentlich ausgebildet und vervollkommnet zu haben. Jenes
souveräne Bewußtsein des Besserwissens und Besserkönnens
und Besserscins, welches sich sonst im gewöhnlichen Laufe
der Dinge doch eine gewisse Zurückhaltung auflegte und nur-
gelegentlich in irgend eine große Flegelei ausbrach, es brüstet
sich heute vom Morgen bis zum Abend nach Renommisten-
art auf offenem Markte, und läßt seinen Ucbermuth, mit und
ohne Anlaß, in höhnischen Stichelredcn nnd breitmäuligen
Prahlereien an Gerechten und Ungerechten aus. Im Angesicht
der Welt behandelt die Berliner Politik den Geist der Zeit,
wie eine Faselei, das Volk, wie einen Haufen Schuljungen,
die Wortführer und Vertrauensmänner desselben, wie die
Rädelsführer eines öffentlichen Unfugs, das Bürgerthum, wie
einen unverschämten Emporkömmling; ja, der verfassungswürdi-
gen Landesvertretnng selbst stellt man lant und öffentlich die Wahl
zwischen „Zuckerbrod und Peitsche." Wird die Reorganisation
des Heeres angefochten, so heißt es: sie ist des Königs
eigenstes Werk, und damit ist jeder weitere Einwurf gegen
die überlegene Weisheit und die Berechtigung derselben abge-
than; Nom hat gesprochen. Wird die Verfassungsmäßigkeit
oder Gesetzlichkeit irgend einer Negierungsmaßregcl in Frage
gestellt, so lautet die Antwort: was geschehen ist, das ist ge-
schehen und cs bleibt dabei. Beruft man sich auf das Recht,
so erfolgt eine verhöhnende Hinweisung auf die entgegen-
stehende Thatsachc. Mit einem Worte, die moralische Miß-
handlung, die Dcmüthigung, die Herabwürdigung des preu-
ßischen Volkes ist das angelegentlichste Geschäft der preußi-
schen Negierung.
Eine solche Thätigkeit kann natürlich auf die Dauer
uicht ohne Erfolg bleiben, und wer Augen hat zu scheu und
Ohren zu hören, der weiß, daß es der preußischen Negierung
bereits in hohem Grade gelungen ist, das preußische Volk in
der Achtung des Auslandes herunterzubringen. Das Nrtheil
der Menschen ist nun einmal so gemacht, daß es sich unwill-
kürlich gegen Denjenigen kehrt, welcher der Gegenstand einer
unwürdigen Behandlung ist, besonders dann, wenn derselbe
stark genug aussieht, um sich solcher Behandlung zu erwehren.
Aschenbrödel erobert seinen Prinzen nicht im Hauskittel und
im Küchendienst.
Vom Standpunkte des Berliner Regimentes aus be-
trachtet, möchte eine solche Wirkung der Mißhandlung des
eigenen Volkes sehr gleichgültig sein, wenn cs nicht einleuch-
tend wäre, daß dieselbe mittelbar auf deu Staat und auf die
Negierung selbst zurückfällt. Der Respekt vor der Persönlich-
keit des Volkes ist ein wesentliches Element der Stärke des
Staats und also die Macht der Negierung — das zu ver-
kennen, ist nur eine souveräne Dummheit im Staude, die
man nach den Erfahrungen unseres Jahrhunderts kaum uoch
zu den möglichen Dingen rechnen sollte. Für eine Regierung
und für einen Staat freilich, die in der politischen Welt gar
nichts bedeuten, mag eine solche Selbstschwächung ohne großen
Belang sein. Die deutschen Kleinstaaten zum Beispiel, deren
politisches Schicksal, so wie so, lediglich in fremden Händen
liegt, und wo also die staatlichen Kraftelementc überhaupt
wenig oder gar nicht in Anschlag kommen, haben allerdings
sehr wenig dabei zu verlieren, wenn ihre Regierung das Volk
im Namen des „monarchischen Prinzips" mit dem Gefühle
der äußersten politischen Nichtigkeit dnrchtränkt und damit
auch die Anderen daran gewöhnt, dieses Volk als eine Null
zu betrachten und gelegentlich zu behandeln.
Anders ist es mit einem Staate, der auf eigenen Füßen
steht, eine selbstständige Nolle in der Geschichte beansprucht
und an seine Zukunft glanbt; ganz anders vollends in einem
Staate der, wie Preußen, eine wirkliche Großmacht erst noch
zu werden hat, und der dazu. der eifrigsten Schonung und
Sammlung aller feiner Hülfsmittel bedarf. Daß zn diesen
Hülfsmitteln vor allen Dingen die sittlich-politische Kraft des
Volkes gehört, die aus dem freudigen Staatsbewusstsein, dem
männlichen Selbstgefühl, dem bürgerlichen Stolze, dem Frei-
heitsgefühl und ähnlichen Bestandtheilen zusammengesetzt ist,
das zn begreifen, soll dem verkümmerten Gehirne der Ber-
liner Machthaber nicht zugcmuthet werden. Aber auch dem
beschränktesten Verstände und der oberflächlichsten Auffassung
kaun es nicht entgehen, daß der Respekt des Auslandes ein
wesentliches Element der Staatskraft ausmacht, und wer
Welt und Menschen auch nur von Weitem kennt, der weiß,
daß die Achtung der Andern sich immer nach dem Grade der
eigenen Selbstachtung bemißt. Der Staat, dessen Negierung
sich ohne Scheu über Recht und Gesetz hinwegsetzt und zu
dem Unrecht noch den schnödesten Hohn hinjufügt, der Staat,
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1866
Inhalt:
Wochenbericht. — Preußische Landtagsbriefe. III. — Dänisch-deutsche
Personalunion? — Neue Minister in Bayern. — Darmstadt. — Badische
Briefe. II. — AuS Bayern. — Aus Thüringen. — Mittheilungen aus
dem Nationalverein. - An Deutschlands Turnerschaft! — Anzeigen.
Wochenbericht.
Frankfurt, 30. Januar.
Zu den hervorstechendsten Charakterzügcn des preußischen
Regiments gehört die Beflissenheit, mit welcher man in Ber-
lin die Geringschätzung des eigenen Volkes zur Schau stellt.
Graf Bismarck zwar hat den „beschränkten Unterthanenver-
stand" nicht erfunden, der vielmehr seit unvordenklichen Zeiten
von der Berliner Regierungskunst als eine feststehende Sache
angenommen worden ist, lange bevor der Minister v. Rochow
derselben ihren unvergeßlichen Namen gab. Die Miene der
Ueberlegenhett und der Ton von oben herunter, wie sie in
Preußen von jeher zum Regierungsstyl gehörten, waren immer-
einzig in ihrer Art, oder doch wenigstens, um uicht zu viel
zu sagen, außerhalb Deutschlands und in den größeren
Staaten der civilisirten Welt, ohne Beispiel. Graf Bismarck
indessen hat das unbestreitbare Verdienst, diese Ueberlicferung
wesentlich ausgebildet und vervollkommnet zu haben. Jenes
souveräne Bewußtsein des Besserwissens und Besserkönnens
und Besserscins, welches sich sonst im gewöhnlichen Laufe
der Dinge doch eine gewisse Zurückhaltung auflegte und nur-
gelegentlich in irgend eine große Flegelei ausbrach, es brüstet
sich heute vom Morgen bis zum Abend nach Renommisten-
art auf offenem Markte, und läßt seinen Ucbermuth, mit und
ohne Anlaß, in höhnischen Stichelredcn nnd breitmäuligen
Prahlereien an Gerechten und Ungerechten aus. Im Angesicht
der Welt behandelt die Berliner Politik den Geist der Zeit,
wie eine Faselei, das Volk, wie einen Haufen Schuljungen,
die Wortführer und Vertrauensmänner desselben, wie die
Rädelsführer eines öffentlichen Unfugs, das Bürgerthum, wie
einen unverschämten Emporkömmling; ja, der verfassungswürdi-
gen Landesvertretnng selbst stellt man lant und öffentlich die Wahl
zwischen „Zuckerbrod und Peitsche." Wird die Reorganisation
des Heeres angefochten, so heißt es: sie ist des Königs
eigenstes Werk, und damit ist jeder weitere Einwurf gegen
die überlegene Weisheit und die Berechtigung derselben abge-
than; Nom hat gesprochen. Wird die Verfassungsmäßigkeit
oder Gesetzlichkeit irgend einer Negierungsmaßregcl in Frage
gestellt, so lautet die Antwort: was geschehen ist, das ist ge-
schehen und cs bleibt dabei. Beruft man sich auf das Recht,
so erfolgt eine verhöhnende Hinweisung auf die entgegen-
stehende Thatsachc. Mit einem Worte, die moralische Miß-
handlung, die Dcmüthigung, die Herabwürdigung des preu-
ßischen Volkes ist das angelegentlichste Geschäft der preußi-
schen Negierung.
Eine solche Thätigkeit kann natürlich auf die Dauer
uicht ohne Erfolg bleiben, und wer Augen hat zu scheu und
Ohren zu hören, der weiß, daß es der preußischen Negierung
bereits in hohem Grade gelungen ist, das preußische Volk in
der Achtung des Auslandes herunterzubringen. Das Nrtheil
der Menschen ist nun einmal so gemacht, daß es sich unwill-
kürlich gegen Denjenigen kehrt, welcher der Gegenstand einer
unwürdigen Behandlung ist, besonders dann, wenn derselbe
stark genug aussieht, um sich solcher Behandlung zu erwehren.
Aschenbrödel erobert seinen Prinzen nicht im Hauskittel und
im Küchendienst.
Vom Standpunkte des Berliner Regimentes aus be-
trachtet, möchte eine solche Wirkung der Mißhandlung des
eigenen Volkes sehr gleichgültig sein, wenn cs nicht einleuch-
tend wäre, daß dieselbe mittelbar auf deu Staat und auf die
Negierung selbst zurückfällt. Der Respekt vor der Persönlich-
keit des Volkes ist ein wesentliches Element der Stärke des
Staats und also die Macht der Negierung — das zu ver-
kennen, ist nur eine souveräne Dummheit im Staude, die
man nach den Erfahrungen unseres Jahrhunderts kaum uoch
zu den möglichen Dingen rechnen sollte. Für eine Regierung
und für einen Staat freilich, die in der politischen Welt gar
nichts bedeuten, mag eine solche Selbstschwächung ohne großen
Belang sein. Die deutschen Kleinstaaten zum Beispiel, deren
politisches Schicksal, so wie so, lediglich in fremden Händen
liegt, und wo also die staatlichen Kraftelementc überhaupt
wenig oder gar nicht in Anschlag kommen, haben allerdings
sehr wenig dabei zu verlieren, wenn ihre Regierung das Volk
im Namen des „monarchischen Prinzips" mit dem Gefühle
der äußersten politischen Nichtigkeit dnrchtränkt und damit
auch die Anderen daran gewöhnt, dieses Volk als eine Null
zu betrachten und gelegentlich zu behandeln.
Anders ist es mit einem Staate, der auf eigenen Füßen
steht, eine selbstständige Nolle in der Geschichte beansprucht
und an seine Zukunft glanbt; ganz anders vollends in einem
Staate der, wie Preußen, eine wirkliche Großmacht erst noch
zu werden hat, und der dazu. der eifrigsten Schonung und
Sammlung aller feiner Hülfsmittel bedarf. Daß zn diesen
Hülfsmitteln vor allen Dingen die sittlich-politische Kraft des
Volkes gehört, die aus dem freudigen Staatsbewusstsein, dem
männlichen Selbstgefühl, dem bürgerlichen Stolze, dem Frei-
heitsgefühl und ähnlichen Bestandtheilen zusammengesetzt ist,
das zn begreifen, soll dem verkümmerten Gehirne der Ber-
liner Machthaber nicht zugcmuthet werden. Aber auch dem
beschränktesten Verstände und der oberflächlichsten Auffassung
kaun es nicht entgehen, daß der Respekt des Auslandes ein
wesentliches Element der Staatskraft ausmacht, und wer
Welt und Menschen auch nur von Weitem kennt, der weiß,
daß die Achtung der Andern sich immer nach dem Grade der
eigenen Selbstachtung bemißt. Der Staat, dessen Negierung
sich ohne Scheu über Recht und Gesetz hinwegsetzt und zu
dem Unrecht noch den schnödesten Hohn hinjufügt, der Staat,