Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wölfflin, Heinrich
Kunstgeschichtliche Grundbegriffe: das Problem der Stilentwickelung in der neueren Kunst — München, 1915

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27250#0015
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VORWORT

von ihm wirkungsvoll geprägt worden. Aber auch die nach andern
Seiten gerichtete Gedankenarbeit hat sich als fruchtbar erwiesen1). Zu-
sammenfassend hat Schmarsow in einem Buch, das den Übergang der
Kunst von der Antike ins Mittelalter zum Hintergrund hat, den bisherigen
Gewinn kritisch erörtert und zum System gefügt2). Es ergäbe ein Buch
für sich, mit diesen Forschern mich auseinanderzusetzen. Was ich hier
bringe, enthält gar nichts Polemisches. Ebensowenig habe ich geglaubt,
in allen Fällen die Übereinstimmung mit fremden Ansichten feststellen
zu sollen. Ohne der Abhängigkeit von bestimmten Schriften mir bewußt
zu sein und immer mehr das Gegenteilige der Meinung in der vorhandenen
Literatur heraushörend, muß ich freilich wünschen, daß andere darin anders
urteilen und den Gleichklang beträchtlicher finden als ich. Denn schließlich
sind doch gerade die Gedanken die überzeugenden, die in der allgemeinen
Richtung liegen. Gerade unter den jüngeren Gelehrten gibt es offenbar eine
ganze Anzahl, die die Dinge in ähnlicher Art sehen. Aus einem nah ver-
wandten geistigen Bedürfnis heraus ist ein Buch wie Frankls Stufen-
geschichte der neueren Architektur entstanden3).

Nichts bezeichnet eindrücklicher den Gegensatz zwischen alter Kunst und
der Kunst von heute als die Einheitlichkeit der Sehform dort und die
Vielfältigkeit der Sehformen hier. In einer Weise, die einzig ist in der
bisherigen Kunstgeschichte, scheint das Widersprechendste sich miteinander
vertragen zu können. Man schwärmt für Reliefbühne und baut gleich-
zeitig mit barocken Tiefenwirkungen. Die plastisch-lineare Kunst hat
ebenso Geltung wie jene malerische, die auf den bloßen Augeneindruck
hinarbeitet. In jedem Kunstblatt durchläuft die Zeichnung fast alle Möglich-

0 Riegl, Die spätrömische Kunstindustrie im Zusammenhänge mit der Gesamtent-
wicklung der bildenden Künste bei den Mittelmeervölkern, 1901.

—, Das holländische Gruppenporträt. Jahrbuch der (Wiener) kunsthistorischen Samm-
lungen, 1902.

—, Entstehung der Barockkunst in Rom, 1908.

—, Lorenzo Bernini, 1912. — Daneben wären noch die ganz frühen Studien zu nennen,
die einzelne Probleme der spätantiken Ornamentgeschichte erörtern: Stilfragen, 1893. —
Auf die Einseitigkeiten und Gefahren, die in der Rieglschen Betrachtungsweise liegen,
hat Heidrich in einer bedeutsamen Besprechung von Jantzen, Das niederländische
Architekturbild 1910, hingewiesen (Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissen-
schaft VIII. 117 ff.).

2) Schmarsow, Grundbegriffe der Kunstgeschichte, 1905.

3) Frankl, Entwicklungsphasen der neueren Architektur, 1914.

r

VII
 
Annotationen