Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VORWORT

Die Untersuchungen beschränken sich auf das Gebiet der neueren Kunst.
So sehr ich überzeugt bin, daß sich die gleichen Begriffe auch für andere
Zeitalter als brauchbar erweisen würden, ist mir die Analyse des einen Falles
doch die Hauptsache gewesen. Wie weit man sich mit der Idee einer
Periodizität der Entwicklung befreunden kann, braucht für die Hauptsätze
des Buches gar nicht in Betracht zu kommen.

Der ganze Verlauf der neueren Kunst ist den zwei Begriffen Klassik
und Barock untergeordnet. Selbstverständlich hat das Wort klassisch dabei
keinen qualitativen Sinn. Die nachklassische Zeit bis zum geschichtlich
zurückblickenden neuklassischen Stil als Barock zu bezeichnen, entspricht
vielleicht noch nicht einer ganz allgemeinen Übung, ist aber in der bis-
herigen Entwicklung der Bedeutung des Wortes — eines der merkwürdigsten
Beispiele von Bedeutungswandel! — durchaus vorbereitet.

Die begriffliche Forschung in der Kunstwissenschaft hat mit der Tat-
sachenforschung nicht Schritt gehalten. Während die Kunstgeschichte
nach ihrer stofflichen Grundlage durch die Arbeit der letzten Generation
fast überall und von Grund aus eine neue geworden ist, haben die Be-
griffe, mit denen diese Tatsachen für die geschichtliche Erkenntnis ver-
arbeitet werden sollen, sich weniger verändert. Ich spreche nicht von der
Durchschnittsliteratur, wo ein Gemisch von Feststellungen verschiedenster
Art sich als Stilanalyse gibt, auch in bedeutenden Büchern verbindet
sich manchmal die strenge Behandlung des Tatsächlichen mit einer ober-
flächlichen oder geradezu fahrlässigen Behandlung des Begrifflichen, ohne
daß davon viel Aufhebens gemacht würde. Und doch sind wir ja darin
alle einig, daß, wenn der Denkmälerbestand vollkommen geordnet ist, die
eigentliche kunstgeschichtliche Arbeit erst beginnt.

Sieht man ab von Julius Lange, dessen Gedanken mehr der antiken
Kunstgeschichte zugute gekommen sind, so ist Alois Riegl wohl der auf-
fallendste Typus eines Gelehrten, der über die Gründe der Stilbildung
methodisch nachgedacht und in der Arbeit am vollkommen beherrschten
Material die begrifflichen Werkzeuge beständig zu verfeinern versucht hat.
Besonders die Begriffe „optisch“ und „haptisch“ (taktisch) — Sehwerte
und Tastwerte — sind, nachdem schon Wickhoff über das Malerische aus
starker Anschauung heraus ein paar bedeutende Seiten geschrieben hatte1),

') Wickhoff, Die Wiener Genesis. Jahrbuch der (Wiener) kunsthistorischen Samm-
lungen, 1895. Neugedruckt in den Schriften I (1912) unter dem Titel: Römische Kunst.

VI
 
Annotationen