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DIE KUNST ALBRECHT DÜRERS

der merkwürdigsten räumlichen Verhältnisse
und heimlichen Beziehungen. Dürer ist reicher
als irgendein anderer Künstler seiner Zeit an
verschiedenartiger körperlicher Form und an
Mannigfaltigkeit der räumlichen Lagerungs-
verhältnisse. Ein Haupttummelplatz seiner pla-
stischen Laune ist das Gefält, wo man sich ja
hüten muß, die Fülle als ein malerisches Ge-
flimmer aufzufassen: Form für Form will klar
gesehen und in ihrer Beziehung zur Umgebung
aufgefaßt sein, und das nicht nacheinander,
sondern mit einem Male. Vielleicht gibt es über-
haupt kein Auge heutzutage, das der Forderung
ganz gewachsen ist.

Die ganzen Studien zumProportionswerkwären
unverständlich ohne diese plastische Grundlage
seines künstlerischen Temperaments. Und wenn
man dann sieht, wie er bei seinen Köpfen die
Flächen abtastet, ausgeprägte alte Typen mit
besonderer Vorliebe heranholt und in der Mo-
dellierung von Lippenschwellungen oder Ohr-
muschelwindungen sich nicht genug tun kann,
so mag man sich wundern, daß er nicht wirk-
lich im Runden geformt hat. Es muß ihn doch
in allen Fingern danach gezogen haben. In der
Tat gibt es ein paar Skulpturen, die auf seinen
Namen gehen, aber es ist fraglich, ob mit Recht,
und selbst wenn Originale dabei wären, so ist

Weiblicher Akt. Relief. es nicht das> was man erwartet: es sind nur

Sammlung P. Morgan, New York kleine Reliefs, und nichts Freiplastisches1).

Dagegen war die Werkstatt gewiß voll von
plastischen Modellen, wie solche ja auch im Dresdner Skizzenbuch vorkom-
men2).

Dürers Sinnlichkeit erschöpfte sich aber doch nicht in dem plastischen Gehalt der
Welt. Es kommen Oberflächengefühle hinzu, nicht sehr viele und nicht gleichmäßig
in allen Perioden, aber in ihrer Hauptgruppe von einer großen Kraft. Was am stärksten
zu ihm gesprochen hat, ist das Metallisch-Blanke. Ich meine nicht nur wirkliches Me-
tall, auch Seide und Federn und weiches Haar haben ja etwas Metallisches. Es sind
lauter Dinge, wo das widerstrahlende Licht zum Glanzblick sich sammelt. Mag sein,
daß bei diesem Urteil die Erinnerung an den Kupferstich den Ausschlag gibt, doch
schadet das nichts: der Kupferstich ist ja der Ort, wo Dürer eben aus Wahlverwandt-
 
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