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DIE ANTIKEN TRIUMPHBOGEN

mutungen, denen sich unmöglich irgendwelche beweisende Kraft beimessen
läßt. Wenn es sich um eine Zeitbestimmung handelt, würde ich vorschlagen,
um ein reichliches halbes Jahrhundert herunterzugehen, so daß der Bogen von
S. Remy nicht allzuweit entfernt bliebe von dem ihm doch sehr verwandten
Bogen von Orange. Damit wäre dann die Bedeutung für Italien beträchtlich
vermindert. Legt man sich aber ganz unabhängig die Frage vor, ob ein Bogen
von S. Remy nötig sei, um die italische Entwicklung zu erklären, so wird man
«nein» sagen müssen. Es ist an architektonischen Motiven hier nichts gegeben,
was nicht auch dem Keime nach in Italien vorhanden wäre. Das Eigentümliche
der südgallischen Monumente, was ihnen ihren Vorsprung verleiht, sind die
Schmuckformen; gerade von diesen auffallenden Details hat man sich aber
in Italien nichts angeeignet. Ohne in der Frage nach dem Zusammenhang der
südgallischen und italischen Bogenbauten ein letztes Wort aussprechen zu wol-
len, muß ich doch sagen, daß für die These von der südgallischen Provenienz
der Triumphbogen ein Beweis noch nicht vorgebracht worden ist. -

Welcher Wert der Lösung des Torproblems beigelegt wurde, die der Titus-
bogen bot, erhellt daraus, daß dieser Typus nun Jahrzehnte lang fast unver-
ändert festgehalten wird. Am Bogen von Benevent1 (i 14 n. Chr.), der eine Gene-
ration später erbaut wurde, finden sich im architektonischen Gerüste noch keine
Abweichungen. Bemerkbar macht sich nur die Abneigung des späteren Ge-
schlechts gegen ruhige Flächen. Man fühlt sich gedrängt, jedes Plätzchen mit
Zierart zu beleben. Hier, wo man die Mittel hatte, gab man Reliefs. Die Ge-
fahr aber dabei ist diese, daß das Gefühl für die Bedeutung der einzelnen Flä-
chen im höheren architektonischen Sinn sich bald verliert. Es ist schon bedenk-
lich, wenn an der Attica neben der vorspringenden Inschrifttafel noch tiefe Re-
liefs ohne Rahmen aus dem Block herausgearbeitet werden: das Auge verlangt
gerade dort einen festen Grund, an den die vortretenden Teile sich anlehnen.
Am Unterbau liegen die Reliefs ebenso ohne wirklichen Rahmen zwischen den
runden Körpern der Halbsäulen, was zur Folge hat, daß die Säulen von der
Mauer fast losgelöst erscheinen. Jedenfalls ist der später wirklich erfolgenden
Loslösung mit dieser Unterhöhlung kräftig vorgearbeitet.

Der fast gleichzeitig mit dem Bogen von Benevent entstandene Bogen von
Ancona2 (115 n. Chr.) ist ein Bau, bei dem gespart wurde, und von so schmalen
Verhältnissen, daß er auch deswegen eine Sonderstellung einnimmt. Das äußere
System ist noch immer das gleiche wie beim Titusbogen, dagegen bedingt die
Schmalheit der Interkolumnien eine andere Füllung: zwei Tafeln teilen die
hohen Flächen in drei (annähernd quadratische) Felder, wovon die zwei obe-
ren mit Bronzefestons dekoriert zu denken sind (s. Fig. 4). Deutlich kommt

1 Rossini, tav. 38-43. - Baumeister, Taf. LXXXI. 9.

2 Rossini, tav. 44-46. - Baumeister, Abb. 1982.

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