Irifche und germanifche Miniaturen.
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Mafien, die Anmuth der Eintheilung, das wohlgefällige Verhältnifs der Füllung
zu den breiten Rändern und den fchmalen trennenden Leihen. Ebenfo fein
ifi das Farbengefühl, das fich dabei auf die einfachfte Scala, Roth, Blau, Grün,
Gelb, für den Grund Schwarz, für Ränder Weifs befchränkt, gelegentlich zartere
Töne, wie Violett und Rofa, zuläfst, aber die Anwendung des Goldes ganz aus-
fchliefst. In den einzelnen abgetheilten Flächen wechfeln die Hauptfarben
und die Gründe in fein abgewogener Haltung. Ueberall ergibt fich ein reicher,
in den Combinationen unerfchöpflicher Wechfel, der feinen Reiz auf das Auge
übt, und die Anklänge an menfchliche Gehalten und reale Vorgänge inmitten
diefes Spieles fallen doch nur ein Theil deffelben fein. »Das Bild wurde nur
als eine künhlich verzierte Schrift angefehen, es genügte wenn es lesbar war«
(Schnaafe), das heifst, wenn der Befchauer fich an eine heilige Figur oder
Scene erinnert fühlte und es verband, dafs der ornamentale Reichthum zu
deren Verherrlichung aufgewendet worden fei.
Zu den hervorragendhen und ältehen Denkmäler diefes Stils gehören zwei Denkmäler.
Evangeliarien aus dem 7. Jahrhundert in der Bibliothek des Trinity College
zu Dublin, dasjenige des heiligen Columban (Mss. A. 4, 5) und das Book of
Kells. Unter den Meiherwerken aus dem 8. und 9. Jahrhundert, bei denen
die Verfchnörkelung der Gehalten erh vollends den oben gefchilderten Grad
erreicht, feien das von Mac Regol (J- 820) gefchriebene Evangeliarium (Oxford,
Bodleian Library, D. 24 Nr. 3946), das des St. Chad (Lichfield, Capitular
Library), das des Maeiel Brith, Sohn des Mac Durnan (London, Lambeth
House, erzbifchöfliche Bibliothek), aus dem unfere Abbildung (Fig. 54) herrührt,
endlich der Pfalter im St. John College zu Cambridge mit einer grofsen Com-
pofition der Kreuzigung hervorgehoben.
Auch in den irifchen Klöftern auf dem Continent wurde diefe Kunfi Continent.
geübt, durch den heiligen Kilian kam fie nach Würzburg, wo die Univer-
fitätsbibliothek noch einige Handfahriften folcher Gattung (Epihelbuch Nr. 69)
bewahrt. Ein Hauptfitz der Schule war fodann St. Gallen. Ob die zahl- st. Gailen,
reichen irifchen Codices der dortigen Stiftsbibliothek theilweife als Gefchenke
aus der Heimath gekommen, oder ob fie meift an Ort und Stelle angefertigt
worden, ift freilich nicht zu entfcheiden. Das gröfste Prachtwerk ifi das
Evangeliarium Nr. 51, von vollendeter Zartheit in der Ornamentik und von
abfchreckender Ungeheuerlichkeit in den Evangeliftenbildern wie den gröfseren
Compofitionen der Kreuzigung und des Jüngfien Gerichtes.
Etwas abweichend geftaltet fich die Malerei in den fränkifchen, weh- Germanifche
gothifchen, burgundifchen Handfahriften derfelben Zeit. Sie ifi eben-
falls rein kalligraphifch und befteht in reicherer Ausbildung der Initialen,
anfangs in einfacher Federzeichnung, dann mit leichter Angabe der Farben in
Aquarell. Die Hauptmotive find auch hier Bandgeflecht, Riemenwerk, Linien-
fpiele, aber diefelben gehen häufig in einfache Blattwerkmotive über, wie fie
diefen Völkern bei ihrer Berührung mit antiker Kunfi nicht ganz fremd bleiben
konnten. Zuweilen wird der Körper der Buchftaben ganz oder theilweife
durch Thiergeftalten, Fifche, Vögel, Schlangen gebildet, die fich feiner Form
bequem anpaffen laffen, und nach denen man die Initialen als ichthyomorphe
(fifchförmige), ornithoidifche (vogelförmige) u. f. w. claffificirt (Fig. 55). Oft
find ganze Schriftreihen aus folchen Buchhaben zufammengefetzt. Allmählich
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Mafien, die Anmuth der Eintheilung, das wohlgefällige Verhältnifs der Füllung
zu den breiten Rändern und den fchmalen trennenden Leihen. Ebenfo fein
ifi das Farbengefühl, das fich dabei auf die einfachfte Scala, Roth, Blau, Grün,
Gelb, für den Grund Schwarz, für Ränder Weifs befchränkt, gelegentlich zartere
Töne, wie Violett und Rofa, zuläfst, aber die Anwendung des Goldes ganz aus-
fchliefst. In den einzelnen abgetheilten Flächen wechfeln die Hauptfarben
und die Gründe in fein abgewogener Haltung. Ueberall ergibt fich ein reicher,
in den Combinationen unerfchöpflicher Wechfel, der feinen Reiz auf das Auge
übt, und die Anklänge an menfchliche Gehalten und reale Vorgänge inmitten
diefes Spieles fallen doch nur ein Theil deffelben fein. »Das Bild wurde nur
als eine künhlich verzierte Schrift angefehen, es genügte wenn es lesbar war«
(Schnaafe), das heifst, wenn der Befchauer fich an eine heilige Figur oder
Scene erinnert fühlte und es verband, dafs der ornamentale Reichthum zu
deren Verherrlichung aufgewendet worden fei.
Zu den hervorragendhen und ältehen Denkmäler diefes Stils gehören zwei Denkmäler.
Evangeliarien aus dem 7. Jahrhundert in der Bibliothek des Trinity College
zu Dublin, dasjenige des heiligen Columban (Mss. A. 4, 5) und das Book of
Kells. Unter den Meiherwerken aus dem 8. und 9. Jahrhundert, bei denen
die Verfchnörkelung der Gehalten erh vollends den oben gefchilderten Grad
erreicht, feien das von Mac Regol (J- 820) gefchriebene Evangeliarium (Oxford,
Bodleian Library, D. 24 Nr. 3946), das des St. Chad (Lichfield, Capitular
Library), das des Maeiel Brith, Sohn des Mac Durnan (London, Lambeth
House, erzbifchöfliche Bibliothek), aus dem unfere Abbildung (Fig. 54) herrührt,
endlich der Pfalter im St. John College zu Cambridge mit einer grofsen Com-
pofition der Kreuzigung hervorgehoben.
Auch in den irifchen Klöftern auf dem Continent wurde diefe Kunfi Continent.
geübt, durch den heiligen Kilian kam fie nach Würzburg, wo die Univer-
fitätsbibliothek noch einige Handfahriften folcher Gattung (Epihelbuch Nr. 69)
bewahrt. Ein Hauptfitz der Schule war fodann St. Gallen. Ob die zahl- st. Gailen,
reichen irifchen Codices der dortigen Stiftsbibliothek theilweife als Gefchenke
aus der Heimath gekommen, oder ob fie meift an Ort und Stelle angefertigt
worden, ift freilich nicht zu entfcheiden. Das gröfste Prachtwerk ifi das
Evangeliarium Nr. 51, von vollendeter Zartheit in der Ornamentik und von
abfchreckender Ungeheuerlichkeit in den Evangeliftenbildern wie den gröfseren
Compofitionen der Kreuzigung und des Jüngfien Gerichtes.
Etwas abweichend geftaltet fich die Malerei in den fränkifchen, weh- Germanifche
gothifchen, burgundifchen Handfahriften derfelben Zeit. Sie ifi eben-
falls rein kalligraphifch und befteht in reicherer Ausbildung der Initialen,
anfangs in einfacher Federzeichnung, dann mit leichter Angabe der Farben in
Aquarell. Die Hauptmotive find auch hier Bandgeflecht, Riemenwerk, Linien-
fpiele, aber diefelben gehen häufig in einfache Blattwerkmotive über, wie fie
diefen Völkern bei ihrer Berührung mit antiker Kunfi nicht ganz fremd bleiben
konnten. Zuweilen wird der Körper der Buchftaben ganz oder theilweife
durch Thiergeftalten, Fifche, Vögel, Schlangen gebildet, die fich feiner Form
bequem anpaffen laffen, und nach denen man die Initialen als ichthyomorphe
(fifchförmige), ornithoidifche (vogelförmige) u. f. w. claffificirt (Fig. 55). Oft
find ganze Schriftreihen aus folchen Buchhaben zufammengefetzt. Allmählich