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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Hrsg.]; Woermann, Karl [Hrsg.]
Geschichte der Malerei (Band 3,1) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48521#0455
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Die vläm. Malerei d. ly.Jahrh. C. Ant. v. Dyck u. die übrigen Schüler u. Mitarbeiter des Rubens. 443

er den üppigen Farbenreichthum der Rubens’fchen Gemälde, fo wufste er, in
feiner Art ein nicht minder grofser Colorift, durch einfachere Farbendreiklänge
eine um fo feelenvollere Stimmung hervorzurufen. Seine Hiftorienbilder hellen Stoffgebiet
dementfprechend auch nur feiten äufserlich bewegte Scenen dar. Madonnen,
heilige Familien und die innerlich bewegten Scenen des fterbenden Heilandes
am Kreuze und des todten Heilands im Schoofse feiner Mutter oder umringt
und beweint von all den Seinen begegnen uns in den meiften und fchönften
feiner Compofitionen; mythologifche und allegorifche Stoffe hat er nur feiten
behandelt; da er aber mit allen feinen übrigen künftlerifchen Eigenfchaften
eine aufserordentlich fcharfe Beobachtungsgabe verband, fo war er vor allen
Dingen ein geborener Bildnifsmaler; und je älter er wurde, defto ausfchliefslicher Vad .Dycf
° ° J . . als B'ldmfs-
nahm ihn, wenn auch zum Theil gegen feinen eigenen Wunfch, die Bildnifs- maler-
malerei in Anfpruch; gerade in ihr befreite er fich fchliefslich auch fo gut wie
ganz von den Erinnerungen an die Werkftatt des Rubens, um feinen eigenen
vornehmen Stil, feine eigene, zugleich eindringliche und fluffige, bei aller
Breite der Pinfeiführung doch zarte und leichte Malweife auszubilden. Er

gehört unbeftritten zu den fechs oder heben gröfsten Bildnifsmalern der Welt.
Anton van Dyck wurde am 22. März 1599 als vermögender Leute Kind vJJgJJycks
in Antwerpen geboren; 1609 trat er als Lehrling in die Werkftatt Hendrik sefchichte-
van Balens (oben S. 397) ein1); 1618 wurde er, erft neunzehnjährig, Voll-
meifter der Antwerpener Lukasgilde2). Seine Entwickelung in den dazwifchen-
liegenden neun Jahren ift nicht völlig aufgeklärt. Sicher fcheint, dafs er fchon
1615, obgleich er damals erft fechzehn Jahre alt war, als felbftändiger Künftler
arbeitete3 4). Dafs er vorher die Werkftatt van Balens mit derjenigen des Rubens
vertaufcht habe, ift nicht bewiefen; aber das Gegentheil ift auch nicht dar-

gethan1), und die literarifche Ueberlieferung nimmt es an. Sei dem, wie ihm
wolle, jedenfalls finden wir van Dyck im Frühjahre 1620 in Rubens’Werkftatt;
und es ift um fo wahrfcheinlicher, dafs er damals bereits feit einiger Zeit in
einem näheren Verhältnifs zu dem Grofsmeifter der Antwerpener Kunft geftanden,
als er fchon im Herbfte desfelben Jahres nach England reifte. Aber diefer
erfte Aufenthalt des Meifters in England dauerte nur wenige Monate. Im
Frühling 1621 war er wieder in Antwerpen. Nachdem er hier, jetzt im Wett-
eifer mit Rubens, einige gröfsere Gemälde gefchaffen hatte, zog auch ihn die
Sehnfucht nach dem gelobten Lande der Kunft über die Alpen5).

Van Dyck
in Rubens’
Werkftatt.

Seine erfte
Reife nach
England.

SeineAbreife
nach Italien.

1) Liggeren I, p. 457; 1610 bei F. J. v. d. Branden a. a. O., p 696 kann demgegenüber
nur Druckfehler fein.
2) Liggeren I, p. 545.
3) 7- "J- d. Branden a. a. O., p. 697•
4) Allerdings nimmt F. J. v. d. Branden a. a. O., p. 698 und 701 dies an. Dagegen jedoch
auch Jules Guiffrey a. a. O., p. 10.
5) Die Antwerpener Forfcher (F. J. v. d. Branden a. a. O., p. 704 ff, Booses a. a. O., p. 428)
nehmen an, dafs er erft 1622 oder 1623 nach Italien gegangen und friihftens 1626 heimgekehrt fei,
die franzöfifchen Forfcher dagegen (Michiels a. a. O., p. 53 und 54fr, Guiffrey a. a. O., p. 41)
geben beftimmt an, dafs er fchon am 20. November 1621 in Genua und auf der Heimkehr fchon
am 4. Juli 1625 wieder in Marfeille gelandet fei. Ihnen fchliefst auch der Belgier A. J. Wauters,
»La peinture flamande« , p. 222 fich an. Die Quelle diefer und der übrigen pofitiven Angaben diefer
Forfcher in Bezug auf des Meifters italienifche Reife ift nach Michiels (Preface p. IX) ein Manufcript
 
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