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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,2) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48522#0022
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Sechstes Buch. II. Abtheilung. Zweiter Abfchnitt.

wurde, welche die Städte Utrecht, Amfterdam, Haarlem, Leiden, Haag, Delft,
Rotterdam, Dordrecht und Gorkum bilden. Um fo leichter dagegen laffen die
gegebenen Verhältniffe fleh überfehen, welche der holländifchen Malerei diefer
Zeit ihre befondere Richtung gaben.
Der Mangel yor apen Dingen müßen wir daran erinnern, dafs die eigentliche Kirchen-
an decorati- &
ven und mo- malerei, welche in den katholifch gebliebenen Südniederlanden, wie wir geiehen
Aufgaben, haben, eine Hauptrolle fpielte, in dem Lande des bilderfeindlichen Calvinismus
felbftverftändlich ausgefchloffen war. Zum erften Male entwickelte fich die
ganze Malerei eines Volkes ohne gottesdienftlichen Antrieb. Die grofsen kirch-
lichen Aufgaben, welche in den übrigen Ländern gerade im 17. Jahrhundert
der Malerei geftellt wurden, waren aber ihrer Natur nach zugleich decorati v,
in einzelnen Fällen fogar monumental. Eine Hauptgelegenheit, fich im moumen-
talen oder auch nur im decorativen Stile zu üben, entging den holländifchen
Künfllern daher von vornherein; und auch die fchmalen, hohen, im Innern
ziemlich dunkel gehaltenen Wohnhäufer der reichen Holländer dellten den
Künfllern keine ähnlichen decorativen Aufgaben, wie z. B. die Paläfte der
italienifchen oder der Pariser Grofsen. Es ift daher kein Wunder, dafs die
holländifchen Meifter in den Ausnahmefällen, in denen fie trotzdem gröfsere
Wand- und Deckengemälde zu malen hatten, fich nicht von ihrer flärkften
Seite zeigten; es ift vielmehr natürlich, dafs die holländifche Malerei fafl aus-
fchliefslich Staffeleimalerei wurde und dafs fie von der Freiheit, die ihr hieraus
erwuchs, nach und nach den vollften Gebrauch zu machen lernte. Freilich
Gegenftücke konnte auch fie fich nicht von allen decorativen Rückfichten losfagen. Die
für Privat- , ....
Läufer, immerhin zum Schmuck der Privathäufer beftimmten Bilder mufsten fich oft
als Gegenftücke paarw’eife zufammenfinden; und in diefen Fällen war die decora-
tive Abhängigkeit des einen Bildes vom andern eine gegebene Sache; der
Linienflufs und der Lichtfall von weit mehr holländischen Bildern, als dem
Befchauer heute zum Bewufsfein zu kommen pflegt, erklären fleh eben nur auf
diefe Weife. Aber diefe paar weife decorati ve Gebundenheit beeinträchtigte
die Freiheit des Künftlers doch nur in geringerem Mafse; und die Regel bildete
die Herftellung von Gegenftücken doch auch kaum; in der Regel war der
holländifche Maler vor feiner Staffelei vielmehr an keine äufsere Gefetzmäfsigkeit
gebunden, fondern nur an die innere, welche fleh aus dem Stoffe selbft und
der Nothwendigkeit, ihn zu einer künftlerifch abgerundeten Einheit zu geftalten,
ergab. Die Freiheit von kirchlichen, decorativen und conventionellen Rückfichten
jeder Art geftattete jedem, feine ganze Kraft auf die individuelle, naturwahre
und doch durchgeiftigte Durchbildung des Stoffes zu verwenden, alfo Realift
im beften Sinne des Wortes zu fein und jeden Gegenftand durch die Erfaffung und
Darftellung feiner innerften Wefenheit aus fich felbft heraus geiftig zu vertiefen.
Die rehgiöfe Dem entfprechend ift auch das Stoffgebiet der holländifchen Kunft im
Malerei in x ö
Holland. Wefentlichen realiftifch. Das Fehlen einer kirchlichen Malerei fchlofs allerdings
nicht zugleich jede religiöfe Malerei aus; aber der religiöfen Malerei widmeten
fleh in Holland einerfeits, wenn auch die bedeutendften, fo doch nur die wenigften
Meifter, und auch diefe wenigen keineswegs ausfchliefslich, und andererfeits
, wurde fie hauptfächlich zur biblifchen Malerei und bevorzugte, da eine gewiße
bibhfchen . . x . . o ' o
Gegenftände. heilige Scheu, vielleicht auch die Furcht, katholifirend zu wirken, viele Maler
 
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