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Woermann, Karl; Woltmann, Alfred [Editor]; Woermann, Karl [Editor]
Geschichte der Malerei (Band 3,2) — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.48522#0076
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604

Sechstes Buch. II. Abtheilung. Zweiter Abfchnitt.

Sein und verblafene »Schmiede Vulkans« von 1683. Als tüchtiger Stillebenmaler
von blondem Hals’fchen Tone zeigt er fich dagegen in dem »Heringsfrühftück«
von 1656 in der Dresdener Galerie und dem ganz ähnlichen Bilde von 1657
im Aachener Mufeum.
Eine »Hiftorienmalerei« im akademifchen Sinne des Wortes konnte fich

Die Haar-
lemer Gefell-
fchaftsmaler
aus der
Schule des
Dirk Hals.

aus der Schule Frans Hals’ niemals entwickeln; wohl aber mufsten, abgefehen
von der Bildnifsmalerei, zunächft die kräftigen Anfätze der eigentlichen Sitten-
malerei, welche die eigene Kunfl des Meifters erzeugt hatte, fich in ihr zu
neuem felbftändigen Leben entfalten.
Zunächft gefchah dies, wie wir fchon gefehen haben, unter feinem Bruder
Dirk Hals auf dem Gebiete der »Gefellfchaftsmalerei«. Die eigentlichen Gefell-
fchaftsmaler der Schule fchloffen fich unter fortwährender mittelbarer Verwer-
thung der von Frans Hals felbft dem Leben abgelaufchten Geflalten und Züge
zunächft an Dirk an, erweiterten aber das Stoffgebiet der Gattung, indem fie das
Leben der Söldner ihrer Zeit in den Kreis ihrer Darftellungen zogen, befonders
ihr Treiben im Frieden oder doch fern vom Schlachtfeld: vor allen Dingen Wach-
ftubenfcenen und Bilder des Lagerlebens. Spiel, Weib, Wein, Mufik war die
Lofung in diefen Söldnerkreifen, wie in denjenigen Kreifen der bürgerlichen
Gefellfchaft, welche in diefer Schule vorzugsweife gefchildert wurden. Das Ge-
fellfchaftsftück und das Soldatenftück fchloffen fich daher unter den Händen

der Maler diefer Richtung unvermerkt zu einer einzigen Gattung zufammen.
Wirkliche Feinheit der Einzelcharakteriftik wurde von ihnen dabei nur feiten

ihnen be-

mit ihrer
hier nur

Pieter
Codde.

Die
Palamedesz.

erreicht oder auch nur erftrebt; aber eine malerifche Anordnung und Farben-
abtönung gab den Bildern diefer Art doch einen gewiffen künftlerifchen Reiz,
und die Treue, mit welcher fie dem Leben abgelaufcht find, macht fie zu
wirklichen Sittenbildern im culturgefchichtlichen Sinne des Wortes.
Merkwürdiger Weife find die meiften Maler diefer Art weder in Haarlem
geboren, noch anfäffig geblieben; ja, felbft dafs fie in Haarlem in der Schule
des Frans und Dirk Hals gelernt haben, ift bei den wenigften von
glaubigt. Nur ihre Bilder thun es in unzweideutiger Weife dar.
Unter diefen Umftänden können wir einige von ihnen, welche
ganzen Wirkfamkeit im Mittelpunkte einer anderen Schule flehen,
nennen, um fie erft im Zufammenhang mit ihren Landsleuten etwas eingehender
zu behandeln.
Dies gilt gleich von den beiden vielfeitigften und bedeutendflen Meiftern
der Reihe, den Brüdern Anton Palamedesz Stevaerts und Palamedes Palamedesz
Stevaerts. Beide find Delfter von Familie, der erftere ift auch Delfter von
Geburt; und beide fchlugen ihre Werkflätten in Delft auf. Sie find mit der
Delfter Schule daher fo verwachfen, dafs wir fie erft mit ihr befprechen können.
Dagegen wollen wir Pieter Codde j), obgleich er Amfterdamer war und in
Amfterdam lebte und flarb, wegen feines offenbaren Schülerverhältniffes zu

1) Sein Leben: Ch. M. Dozy, Pieter Codde, in Oud Holland II (1884), S. 34—67. (Dadurch
als völlig unrichtig erwiefen der Auffatz Havards in «Les Artistes Hollandais» III, p. 139 ff.). —
Für feine Werke: W. Bode, Studien 141 —142 und 613. In Bezug auf einige der hier genannten
Bilder, befonders das Dresdener Bild, welches Soldaten, Bauern peinigend darftellt, können wir Bode’s
Anficht, dafs fie von Codde herrühren, nicht theilen.
 
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