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Wurzbach, Alfred von [Bearb.]
Niederländisches Künstlerlexikon: mit mehr als 3000 Monogrammen (Band 1): A - K — Amsterdam, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.18166#0011
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Vorwort zum ersten Bande.

Die Kunstgeschichte gleicht einer weitläufigen, schönen Landschaft, über welche
unzählige topographische Beschreibungen, aber keine Landkarten existieren.

Es fehlen ihr mit anderen Worten die umfassenden, kritisch bearbeiteten Nach-
schlagebücher, ohne welche sich weder der Laie noch der Sachkundige zurechtzufinden
vermag. Dieser Mangel wird täglich mehr fühlbar, denn die Hochflut der neuen Ent-
deckungen und der neuen Kunstliteratur in allen Sprachen hat einen nahezu beängstigen-
den Grad erreicht.

Die wichtigste Forderung wäre demnach ein sogenanntes „Allgemeines Künstler-
Lexikon", ein Repertorium, welches die zahllosen Künstler und die Millionen Kunst-
werke aller Art, die mit jenen in Verbindung gebracht werden, nebst den historischen
Nachrichten, nebeneinander verzeichnen würde. Das wäre das Ideal des Kunsthistorikers,
es scheint aber, wie alle Ideale, leider nicht realisierbar zu sein.

In Erkenntnis dieses Bedürfnisses machte bereits in den Siebzigerjahren die Ver-
lagsfirma Wilhelm Engelmann in Leipzig den Versuch, das gänzlich veraltete und
unbrauchbar gewordene NaglerscheKünstler -Lexikon durch eine verbesserte Auf-
lage zu ersetzen. Wer aber sollte diese Riesenarbeit, die weit über die Kraft und die
Geduld des einzelnen hinausgeht, übernehmen und diese sibirische Eisenbahn bauen,
die alle künstlerischen Errungenschaften der zivilisierten Welt zugänglich machen sollte ?

Es fand sich in der Person des Münchner Professors Dr. Julius Meyer ein
Generalunternehmer, der unter Mithilfe einer bedeutenden Zahl von Fachgenossen sich
dieser Aufgabe gewachsen dünkte. Der erste Band erschien im Jahre 1872 und der
Herausgeber beeilte sich, diese Trophäe des Friedens, das heißt den ersten Band, dem
damaligen deutschen Kronprinzen zu widmen. Die Widmung verfehlte nicht ihre Wirkung
und Dr. Julius Meyer wurde als Direktor der Gemäldegalerie an die Berliner Museen
berufen, deren gänzliche Umgestaltung mit bedeutenden Mitteln für neue Erwerbungen
ins Auge gefaßt worden war. Leider trat bei dem „Berufenen" in Kürze eine Über-
bürdung mit Amtsgeschäften ein, welche ihn nötigte, die Last der Herausgabe auf andere
Schultern abzuwälzen. Der zweite Band erschien erst im Jahre 1878 und die Interessenten
bemerkten bereits, daß das Eingehen dieses Riesenwerkes, welches mindestens 100 Bände
umfaßt hätte, unmittelbar bevorstehe. Es war nur noch eine Anzahl stecken gebliebener
Karren unterwegs, welche zuvor ins Trockene gebracht werden mußten. Dieser Auf-
gabe unterzog sich ein namenloser Partieführer, dem es auch gelang, im Jahre 1885
einen dritten Band, der das Alphabet bis Bezzuoli fortsetzte, unter Dach zu bringen. Auf
den Fußstapfen seines Vorgängers schlängelte auch er sich in die Berliner Museen, wo
seine geläuterten Kunstanschauungen eine schöne Erinnerung zurücklassen werden. Mit
dem so zu Tage geförderten dritten Bande hatte aber das Allgemeine Künstler-Lexikon
sein Ende gefunden und die Abonnenten hatten die Gewißheit erlangt, daß sie nur ein
Placierungsinstitut für unverdauliche Abhandlungen und eine Dienstvermittlung für stellen-
suchende Kunstgelehrte gefördert hatten.

Heute ist der Nimbus dieses Allgemeinen Künstler-Lexikons ziemlich verblaßt und
es ist nur als eine der merkwürdigsten literarischen Erscheinungen des XIX. Jahrhunderts
erwähnenswert. Epochemachend war es durch eine Spezialität, die der Herausgeber in
Schwung brachte, eine Art siamesischen Zwilling, den Artikel, der nicht einem, sondern
zwei Autoren seine Entstehung verdankt. Diese sonderbare Kompagniearbeit, bei welcher
 
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