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Ahrens, Beatrix [Hrsg.]; Seiter, Josef [Hrsg.]
Pfarrkirche St. Blasius, Wyhl am Kaiserstuhl — Wyhl, [2008]

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https://doi.org/10.11588/diglit.25564#0019
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IV Kirchenprogramm

St. Blasius in Wyhl kombiniert Bilder, Fresken und Figuren zu einem komplexen Programm, das auf vier
Themen aufbaut: I. den Nothelfern, 2. den Kirchenlehrern, 3. der Heiligen Familie und 4- den Erdteilen.
Barocke Konzeptoren und Künstler betrachteten den Kirchenraum als ein Gesamtkunstwerk, bei dem jedes
einzelne Element mit den anderen in engstem Bezug zueinander steht, sowohl vom Inhalt als auch von der
Form her. Die Kirchgänger wurden in dieses umfassende Verweisprogramm direkt miteinbezogen. Für jeden
Besucher der Kirche, sei es ein einfacher Bauer, eine gehobene Bürgerstochter oder ein studierter Kleriker,
wurden unterschiedliche Bedeutungs- und Verständnisebenen bereitgehalten.

I. Nothelfer und Heilige

1. Blasius und Sebastian

Der heilige BLASIUS war Arzt, bevor er Anfang des 4. Jahrhunderts das Amt des Bischofs von Sebaste im
heutigen Armenien übernahm. Von den Christen unter Kaiser Diokletian verfolgt, floh er in eine Höhle, wo er
wilde Tiere vor Jägern verbarg und heilte. Von seinen Verfolgern entdeckt und gefangengenommen, wurde
der ehemalige Würdenträger für viele Menschen zum Helfer und Tröster. Das Martyrium des Heiligen war
schließlich besonders groß. Der heilige Blasius wurde ausgepeitscht, mit eisernen Kämmen gemartert, in
einen Teich geworfen und im Jahr 3 16 enthauptet. Die Attribute des heiligen Blasius, welche auf seine Vita
Bezug nehmen, sind ein Bischofsstab, eine Mitra, eine Hechel, ein Schweinskopf und zwei gekreuzte,
brennende Kerzen. Die Symbole „Kerze und Schweinskopf“ gehen auf eine Legende zurück, bei der der
heilige Blasius das Schwein einer armen Frau aus den Klauen eines Wolfes rettete. Aus Dankbarkeit soll die
Frau dem Heiligen Kopf und Füße des Schweins mit Früchten und eine Kerze in das Gefängnis gebracht
haben. Eine der bekanntesten Geschichten ist außerdem die Legende um Blasius' Rettung eines kleinen
Jungen, der an einer Fischgräte zu ersticken drohte. Ab dem 14. Jahrhundert rechnete man den Heiligen den
vierzehn Nothelfern zu. Der heilige Blasius gilt heute noch als Schutzheiliger gegen Halskrankheiten,
Husten, Blasenbeschwerden, Blutungen und Zahnschmerzen. Auch bei Gefahr durch wilde Tiere oder Sturm
- zwei Feinde, die in Wyhl immer wieder gefürchtet wurden - hat man seinen Namen angerufen.

Die Blasius-Darstellung in der ehemaligen Prioratskirche in Wyhl folgt der tradierten Darstellungsweise.
Johann Pfunner zeigt eine der Hauptszenen der Blasius-Vita (Abb. 20): den in einer Landschaft stehenden,
Tiere und Menschen segnenden Bischof, neben dem die Hechel als Symbol seines Martyriums liegt.
Überraschend ist weniger die Art als vielmehr die Platzierung des Bildes im Seitenaltar. Dass der heilige
Blasius als Patron der Kirche den Hochaltar schmücken sollte, schien noch bei der Lieferung und Weihung der
neuen Altäre im Jahr I 765 offensichtlich. Erst im Jahr I 777 entschied man sich, den heiligen Blasius durch
die Heilige Familie zu ersetzen. Johann Pfunner verewigte den Heiligen außerdem bei seiner Aufnahme in den
Himmel im Hauptfresko des Chores (Abb. 21). Der göttlichen Dreifaltigkeit huldigend, wird hier der heilige
Blasius1 Bezug zum Hochaltar mit den Darstellungen des Heiligen Wandels und der Erdteile hergestellt. Durch
diese Änderungen wurde das ikonographische Bildsystem in seiner Komplexität gesteigert und die Rolle der
Heiligen Familie gestärkt.

Der heilige Bischof Blasius kontrastiert im Aufsatzblatt des Seitenaltars mit der Figur eines Kriegers und
Soldaten (Abb. 22): SEBASTIAN wurde in Mailand geboren und starb den Märtyrertod in Rom gegen Ende des
3. Jahrhunderts. Der Legende nach war Sebastian ein sich zum christlichen Glauben bekennender Offizier der
kaiserlichen Garde, der auf Befehl Diokletians mit Pfeilen erschossen werden sollte. Als tot liegen gelassen
wurde er von der Witwe Irene wieder gesund gepflegt. Erneut zeigte er sich dem Kaiser, der ihn schließlich
mit Keulen erschlagen ließ. Der Legende nach barg die heilige Lucina den Leichnam und setzte ihn in der

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