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Ahrens, Beatrix [Hrsg.]; Seiter, Josef [Hrsg.]
Pfarrkirche St. Blasius, Wyhl am Kaiserstuhl — Wyhl, [2008]

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https://doi.org/10.11588/diglit.25564#0021
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Apostelbasilika (heutiges S. Sebastiano) an der Via Appia in Rom bei. Im Zeitalter des Barock wurde der Kult
um den Heiligen erneut stark belebt. Der heilige Sebastian ist einer der wichtigsten Patrone gegen die Pest.
Die in Wyhl favorisierte Darstellung des Martyriums mit dem heiligen Sebastian als einem fast nackten,
lediglich mit einem Lendenschurz bekleideten jungen Mann, der, von Pfeilen durchbohrt, an einem Baum
lehnt, ist nicht ungewöhnlich. Sie ist eine in der barocken Malerei (Süd)deutschlands gängige Einzelszenen-
darstellung aus der Vita des Heiligen. Johann Pfunner orientierte sich dabei an jenem nördlichen Bildtypus,
der sich unter dem Einfluss spätmittelalterlicher Schmerzensmann- und Ecce-homo-Darstellungen
entwickelte und der zum häufigsten Bildtyp zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert wurde.

2. Barbara und Gertrud

Nach den Heiligen Blasius und Sebastian sind es mit den Heiligen Barbara und Gertrud zwei Frauen, die im
Mittelpunkt des Kirchenprogramms stehen. Die heilige BARBARA (Abb. 23) wurde wahrscheinlich im 3.
Jahrhundert geboren und war die Tochter eines reichen Mannes aus Nikomedien in der heutigen westlichen
Türkei. Zum Christentum bekehrt, wurde die heilige Barbara von ihrem Vater verurteilt und in einen Turm
gesperrt. Als Zeichen an ihren Glauben an die Dreifaltigkeit ließ die heilige Barbara ein drittes Fenster in das
Gemäuer brechen. Die Heilige konnte schließlich entfliehen und fand in einem sich wundersam öffnenden
Felsen Zuflucht. Ein Hirte entdeckte die junge Frau und verriet sie. Trotz ihrer Folterung mit Ruten und
Fackeln, blieb die heilige Barbara auch in der Gefangenschaft glaubensstark. Der Legende nach brachte ihr
ein Engel die Hostie in den Kerker. Die heilige Barbara betete zu Gott und bat diesen, die Menschheit vor der
Pest, dem Tod und dem Gericht Gottes zu bewahren. Barbaras heidnischer Vater enthauptete die eigene
Tochter, wurde dabei jedoch von einem Blitz getroffen. Wie schon die Heiligen Blasius und Sebastian so ist
auch Barbara Nothelferin und gilt als Sterbe- und Bauernpatronin. Sie gibt Hoffnung in der Finsternis, ist
Trösterin der Gefangenen und Beschützerin vor Gewitter, Feuersnot, einem frühen Tod und Patronin der
Bergleute.

Barbaras legendäre Schönheit forderte die Maler des Barock immer wieder aufs Neue heraus, so auch den
Kirchenmaler Johann Pfunner. ln Wyhl nimmt die heilige Barbara als weibliche Gegenfigur zum Bischof und
Kirchenpatron Blasius eine wichtige Position ein: sie erscheint zum einen im Hauptblatt des rechten
Seitenaltars, zum anderen im Fresko an der Chordecke. Bei der Aufnahme der Heiligen in den Himmel sehen
wir die heilige Barbara als eine vornehme Königstochter mit Krone und wallendem Kleid, den Kelch mit der
Hostie in der rechten Hand erhoben, Schwert und Lilie (als Symbol der Jungfräulichkeit) mit der linken Hand
umklammert. Dieselben Attribute sind auch auf dem Blatt des Seitenaltars dargestellt. Die Heilige
präsentiert den Kelch und die Hostie, das Schwert liegt neben ihr. Im Hintergrund ist symbolisch derTurm
zu erkennen. Die Jungfrau tritt hier jedoch barfuss auf und hat auch sonst einen lebendigeren und
irdischeren Ausdruck als im Fresko der Chordecke.

Über der schönen Barbara ist eine im Habitus und im Ausdruck entgegengesetzte Figur dargestellt: die
heilige GERTRUD (die Große) von Helfta (Abb. 24). Die heilige Gertrud ziert außerdem als eine um das Jahr
1765 entstandene Schnitzfigur die südliche Seitenwand der Kirche. 1256 wahrscheinlich in Thüringen
geboren, kam die heilige Gertrud bereits mit fünf Jahren zur theologischen Erziehung in das Kloster Helfta.
Nach einer Vision im Jahr 1281 lebte sie als Nonne in inniger Verbundenheit mit Christus. Die heilige
Gertrud war die größte deutsche Mystikerin und starb im Jahr 1302. Sie trug entschieden zur Verehrung des
Herzens Jesu bei. Matthias Fallers Skulptur zeigt eine Gertrud, deren Herz von Jesu entfacht ist, ein Motiv,
das sich im Aufsatzblatt des Hochaltars wiederholt. Johann Pfunners Bild im Seitenaltar zeigt die Heilige
hingegen als Nonne mit Stab und ihrem typischen Attribut, dem aufgeschlagenen Buch.

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