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Ahrens, Beatrix [Hrsg.]; Seiter, Josef [Hrsg.]
Pfarrkirche St. Blasius, Wyhl am Kaiserstuhl — Wyhl, [2008]

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https://doi.org/10.11588/diglit.25564#0027
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IV. Erdteile

1. Huldigungdes Namen Jesu

Erdteil-Darstellungen in personifizierter Erscheinung gab es bereits in der Antike, im Mittelalter gingen
diese allerdings weitgehend verloren. In der Kunst des Barock und Rokoko kam die personifizierte
Darstellung der VIER ERDTEILE (Europa, Afrika, Amerika und Asien) jedoch zu ihrer Blüte. Besonders
beliebt wurde das Thema bei weltlichen Fürsten, v.a. in Freskenzyklen von Palästen, man denke etwa an
Giovanni Battista Tiepolos Ausmalung des Würzburger Treppenhauses. Aber auch kirchliche
Würdenträger entdeckten die Erdteil-Darstellung als Ausdruck ihres missionarischen Weltanspruchs.
Dabei war die in den barocken Darstellungen suggerierte Einheit der vier Kontinente eine Pseudo-Einheit:
im Vordergrund und auf höchster Zivilisationsstufe stand stets Europa.

Die künstlerische Entwicklung des Themas nahm im Norden und im Süden Europas zunächst einen
unterschiedlichen Verlauf, glich sich jedoch seit dem 17. Jahrhundert zunehmend an. Typisch für den
Barock wurde es, die Erdteile austauschbar darzustellen. In Johann Pfunners Aufsatzbild sind die Attribute
der Erdteile entsprechend reduziert. Die Identifizierung der Figuren ist dennoch leicht möglich, verraten
doch Kleidung und Hautfarbe die Herkunft der jeweiligen Repräsentanten. Akzentuiert im linken
Vordergrund ist Europa als hellhäutiger, blonder Herrschertypus mit Musselinmantel. Ihm gegenüber kniet
sein mit einem türkischen Turban bekleideter Antipode, ein Sultan aus dem ebenfalls als reich geltenden
Asien. Die noch unzivilisierten und aus Sicht der Europäer unterlegenen, deshalb auch halbnackten und
dunkelhäutigen Kontinente befinden sich im Hintergrund: Rechts beugt sich der Repräsentant Afrikas nach
vorne, links steht ein Indianer mit Zopf, das Sinnbild Amerikas. Zusammen huldigen die vier Kontinente
dem Namen Jesu in Form der Buchstabenkombination IHS. Die Darstellung wird dann zum Politikum, wenn
man bedenkt, dass Kontinente wie Afrika und Amerika erst durch die Missionierung der Europäer dem
christlichen Glauben nahe gekommen waren.

2. Flammendes Herz

Eine besondere Variante der Erdteile ist deren Darstellung mit vier flammenden Herzen. Dem
FLAMMENDEN HERZEN kommt in der ehemaligen Prioratskirche St. Blasius in Wyhl eine besondere
Bedeutung zu. Neben dem Altarbild mit den vier Erdteilen greifen auch das Fresko des heiligen Augustinus
und die Skulptur der heiligen Gertrud das Motiv auf. Im süddeutschen Raum und insbesondere in der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts war das flammende Herz ein zentrales Symbol der Verehrung und
Kontemplation. Das in Liebe zu Jesus Christus entbrannte Herz gehörte zu den typischen Elementen
barocker Kirchenprogramme. Üblicherweise war die bildnerische Darstellung gekennzeichnet durch eine
klaffende und Blut tropfende Seitenwunde sowie eine Öffnung in der Herzmitte, aus welcher Flammen und
ein Kreuz hervorkamen.

In der kleinen Pfarrkirche St. Blasius in Wyhl am Kaiserstuhl variiert Johann Pfunner diese Bildvorgabe,
indem er das Kreuz in einem großen Sonnenkranz zeigt, über dem der Namen Jesu schwebt. Dem Kreuz
gegenüber liegt ein von Gott mit Hilfe eines Blitzstrahles besiegter DRACHEN. Das auf dem Boden liegende
Untier, dessen Unheil bringende Flammen am erlöschen sind, kontrastiert umso eindrücklicher mit den
durch den christlichen Glauben entflammten Herzen. Im Vordergrund steht das Motiv des Triumphes über
das Böse, welches sich aus der spätantiken Herrscher-Ikonographie ableitet und das man auch aus anderen
religiösen Darstellungen wie etwa der des heiligen Erzengels Michael kennt.

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