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Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst / Korrespondenzblatt — 12.1893

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Nr. 7 (Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37293#0079
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Tiefe von 7 m unter dem Strassenniveau
gegangen war, ergaben Sondierungen mit
einer Eisenstange, dass die tiefer liegen-
den Schichten durch Wasser aufgeweicht
waren und nichts mehr bargen. Auch Nach-
grabungen in der nächsten Umgebung der
Fundstelle hatten insofern ein negatives
Ergebnis, als sich von Grundmauern keine
Spur zeigte und nur noch vereinzelte orna-
mentale Bruchstücke zum Vorschein kamen.
Das Gebäude, dessen stattliche Überreste
uns ein glücklicher Zufall geschenkt, stand
demnach nicht an der jetzigen Fundstelle,
seine Fundamente sind vielleicht noch un-
ter denen eines modernen Hauses in der
Nachbarschaft verborgen und werden es
wohl bleiben, bis etwa ein neuer Zufall
der archäologischen Forschung zu Hülfe
kommt. Die ungewöhnliche Tiefe, bis zu
welcher die Nachgrabungen fortgesetzt
werden mussten, erklärt sich dadurch, dass
die Trümmer bei der Zerstörung oder Ab-
tragung des Bauwerks in eine Grube ge-
worfen worden waren, die vielleicht zu
irgend einem andern Zwecke bereits vor-
handen war. Dies muss, wie die darüber
bestattete Leiche beweist, schon zu römi-
scher Zeit erfolgt sein.
Aber wenn auch die Grundmauern
fehlen, lässt sich doch die Form des Ge-
bäudes, wenigstens in seiner Fassade, nach
dem Vorhandenen feststellen. Es war ein
stattlicher Giebelbau, dessen Höhe vom
Sockel bis zur Spitze des Mittel - Akro-
terions, nach dem Durchmesser des Pi-
lasters bemessen, etwa 9,50 m betrug. Das
Gebälk ruhte auf zwei Eckpilastern mit
reich entwickelten korinthischen Kapitellen,
welche etwa 4 m von einander entfernt
standen. Die Spannweite des Giebels
umfasste mehr als 6 m. In die aus
Kalksteinblöcken zusammengefügte Stirn-
wand zwischen den Pilastern war die
rechteckige Eingangsthür gebrochen und
der Baum über ihr vielleicht durch ein
Belief, Genien mit einer Inschrifttafel, ge-
ziert. Die Kalksteinmauer setzte sich an
beiden Seiten noch ein Stück rechtwinklig
fort, wie aus dem erhaltenen Teile des
Eckpilasters hervorgeht, und stiess dann
auf Tuffmauern mit Gesimsen von gleichem
Profil, welche den Giebelbau wahrschein-

lich in rechteckigem Grundrisse vervoll-
ständigten. Die Bestimmung des Bauwerkes
steht noch nicht fest; man könnte an eine
imposante Grabanlage denken, die ihre
Schauseite der gräberreichen Trierer Strasse
zukehrte; dem widerspricht aber die Deko-
ration des Giebelfeldes, welche keinen Be-
zug auf den Totenkult hat. Steinböcke
und Weltkugel lassen vielmehr auf ein
sacellum des Divus Augustus, des unter
dem Tierkreiszeichen des Steinbockes ge-
borenen, schliessen.
Nicht weniger erfolgreich waren die
gleichzeitig auf dem benachbarten Grund-
stück vorgenommenen Nachgrabungen, die
wie jene unter Leitung des Museums Wall-
raff-Bichartz standen. Unter einer von
mittelalterlichem Mauerwerk durchzogenen
Erdschicht stiess man in der Tiefe von
4 m auf mehrere Särge, welche zwar schon
die Spuren eines gewaltsamen Einbruchs
trugen, jedoch noch immer eine schöne
Ausbeute gewährten, die früheren Schatz-
gräbern entgangen oder von ihnen nicht
beachtet worden war. Einzelne der hier
gefundenen Gegenstände gehören zu dem
besten, was römische Kleinkunst in den
Bheinlanden geschaffen hat. In einem Blei-
sarge, der bereits seines Deckels beraubt
war, sodass klebriches, feuchtes Erdreich
ihn in allen Winkeln erfüllte, steckte ausser
dem vollständigen Gerippe einer männlichen
Leiche, einer Silbermünze Gordians III.,
einem Tintenfass aus Bronze mit reich-
verziertem Deckel noch ein kleines zier-
liches Kunstwerk der Metalltechnik, das
zu den grössten Seltenheiten gehört. Es
ist der obere Beschlag einer Schwertscheide
in Form einer rechteckigen Silberplatte
von 8,50 cm Breite, an den schmalen
Kanten leicht umgebogen und mit Nieten
versehen, in der Mitte von einem gold-
tauschierten Bande durchzogen, auf wel-
chem in schwarzem Niello zu lesen ist:
Ausoni vivas. Die übrige Fläche füllt ein
äusserst feines Bosetten- und Bankenwerk
in durchbrochener Arbeit, dessen Muster
an Filigran erinnert. Bisher sind nur
wenige derartige Arbeiten aus der Antike
bekannt geworden; ein Gürtelbeschlagstück
mit verwandter Ornamentation besitzt Herr
Forst in Köln und den Beschlag einer
 
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