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Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst / Korrespondenzblatt — 12.1893

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Nr. 7 (Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37293#0080
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Schwertscheide das Mainzer Museum. Die
Seltenheit des Musters sowie die schwie-
rige und zeitraubende Technik — das
Metall ist vorgebohrt und dann die kleinen
Zwischenräume frei und ohne Anwendung
von Stanzen ausgeschnitten —■ lassen den
Fund besonders wertvoll erscheinen. Un-
weit von dem Bleisarge stiess man auf das
Fassende eines Sarkophags aus rotem Sand-
stein, der, wie der frühere, von Nord nach
Süd gerichtet war. Er enthielt nichts als
die Knochenreste, da er, wie nach der
völligen Freilegung festgestellt werden
konnte, schon in früherer Zeit vom Kopf-
ende aus beraubt worden war. Nur hatte
man hei dieser Gelegenheit versäumt, die
Erde, welche den Sarg am unteren Ende
umgab, zu durchsuchen, und diesem Um-
staude haben wir Epigonen, die dieses
Versäumnis nachholten, einige erfreuliche
Ergebnisse zu verdanken. Zuerst wurde
der vollständige Bronzeheschlag einer
grossen, bis auf wenige Reste vermoderten
Holzkassette zutage gefördert, bestehend
aus Platten und Eckstücken verschiedener
Grösse mit durchbrochenen Bändern, der
Schlossplatte mit dem Schlüsselloch, dem
aus zwei Delphinen gebildeten Henkel, vier
Rundbeschlägen mit Löwenköpfen in Relief
und einer quadratischen Zierplatte mit
einer gestanzten Reliefdarstellung, welche
dem altchristlichen Kreise angehört: In
der Mitte steht eine weibliche Orans mit
betend ausgebreiteten Armen, zu beiden
Seiten, etwas kleiner gebildet, zwei männ-
liche Profilfiguren, welche Binden in den
Händen tragen. Auf altchristlichen Ur-
sprung lässt auch das Material des Sarges
scldiessen. Daneben stand eine Gruppe
von Gläsern, aus deren Mitte eine sog.
Muschelkanne hervorragte, d. li. ein Ge-
fäss, dessen Körper die Form von zwei
geschlossenen Pilgermuscheln hat, an welche
Hals, Fuss und Doppelhenkel anschliessen;
seitwärts befanden sich zwei Traubengläser,
Kannen in Form einer Weintraube, gleich-
falls doppelt gehenkelt, eine Kugelflasche
und in einiger Entfernung eine gebrochene
Cvlinderkanne, deren Boden den Stempel
FRON zeigt. An den erstgenannten Glä-
sern wird der Zusammenhang der antiken
römischen Glastechnik mit der der Re-

naissance besonders klar, denn wir finden
ihre Formen in den venetianischen Gläsern
des 16. Jahrhunderts wieder. Auch eine
grosse Kanne mit trichterförmigem Körper
gehört zu diesen nach Jahrhunderten in
Venedig neubelebten Gefässformen; insbe-
sondere die Art, wie ein dichter Glasfaden
auf den oberen Rand aufgelegt, mittelst
eines Stäbchens in zackige Falten gebracht
ist und sich über dem Henkelansatz zu
einer grossen Schlinge aufbauscht, ist für
die Erzeugnisse Muranos vorbildlich ge-
worden. Eine grosse Cvlinderkanne lehrt
uns wieder eine andere Dekorationstech-
nik, die Übertragung der den Römern
eigentümlichen Aufguss - Ornamentik, der
sog. Barbotine von Thon auf Glas; den
ganzen Gefässkörper überzieht ein in drei
Reihen zwülfmal wiederkehrender phan-
tastischer Schlangenzug, der einige Ähn-
lichkeit mit arabischen Schriftzügen hat,
bald dicker, bald dünner wird und durch
ein in die noch warme und bildsame Glas-
masse eingedrücktes Stäbchen gerieselt er-
scheint. Ausser diesen archäologisch und
kunstgewerblich gleich bedeutenden Funden
lieferte das Grundstück noch zahlreiche
kleinere Gegenstände, eine Bronzefibula
mit gradem, schmelzverziertem Bügel,
einen grossen Armring aus spiralförmig
verschlungenem Bronzedraht, Haarnadeln
aus Bein und Metall, eine Schnalle mit
Tierköpfen u. a.
Ka. in Köln. Ztg. 24. 6. 93 Nr. 515.
Köln. [Christliche Grabinschrift.] Ein 69.
merkwürdiger Fund wurde vor einigen
Wochen in der Ursula-Kirche gemacht. Der-
selbe besteht in einer 49 cm breiten und
15 cm hohen Inschrifttafel von sehr hartem
Stein, welche nach Ablösung des Verputzes
auf dem dritten Pfeiler des rechten Seiten-
schiffes, neben dem sogen. Marienschifte,
zum Vorschein kam. Lesung und Ergän-
zung der oben, unten und zur Linken ver-
stümmelten Inschrift, deren höchst unregel-
mässig eingegrabene Buchstaben noch die
Spuren ehemaliger roter Bemalung zeigen,
gestalten sich folgendermassen: [In hoc \
tumjtdo innocis virgo iacet \ [no]mine Ursula,
vixit | [a]-nnibus octo [mjensibus duobus \
mens ovat. . . Die Köpfe mehrerer Buch-
staben, welche noch hinter dem letzten
 
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