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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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Laurila, Kaarle S.: Zur Lehre von den ästhetischen Modifikationen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0008
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KAARLE S. LAURILA.

halten ist ein reines, verweilendes Gefühlsverhalten, ein Stehenbleiben
bei dem reinen, unmittelbaren Gefühlswert der Erscheinungen. Und
der Eindruck, der in uns sich dann entwickelt, wenn wir uns zu den
Erscheinungen so verhalten, ist eben der ästhetische Eindruck.
Die Ermittlung der Eigenart dieses ästhetischen Verhaltens und der
Eigenart des dadurch bedingten ästhetischen Eindrucks wird also,
wenn man von dem ausgeht, was dem Ästhetiker tatsächlich gegeben
ist und worüber er sich und anderen Klarheit schaffen muß, zum
Angelpunkt und zur Kernfrage der ganzen Ästhetik.

Liegt nun aber der Schwerpunkt der Ästhetik hier, dann leuchtet
ein, daß die Fragen der Modifikationslehre keine Zentralfragen der
Ästhetik sind. Die ästhetischen Modifikationen sind ja weiter nichts
als verschiedene Arten des ästhetischen Eindrucks, oder objektiv aus-
gedrückt, verschiedene Typen des ästhetisch Wirksamen; eine genauere
Einsicht aber in die Verschiedenheiten des ästhetisch Wirksamen ist keine
notwendige Bedingung zur Lösung derjenigen Fragen, auf die es uns
eigentlich in der Ästhetik ankommt. Ferner ist zu erwägen, daß die
Einteilung des ästhetisch Wirksamen in seine Unterarten, ihre Begriffs-
bestimmung, Benennung und Gruppierung — denn alles dies bildet
ja den Inhalt der Modifikationslehre — immer in erheblichem Grade
etwas Konventionelles, ja beinahe etwas Willkürliches an sich hat, sie
ist, wie übrigens die meisten Klassifikations- und Rubrizierungsfragen,
zum großen Teil eine Geschmackssache. Schon die Auswahl ist in
erheblichem Grade eine Geschmackssache. Alle ästhetischen Typen
kann man nie aufzählen und beschreiben, weil ihre Anzahl unendlich
ist. Man muß sich auf die wichtigsten und charakteristischsten be-
schränken. Aber welche Typen die wichtigsten sind, hängt eben oft
vom persönlichen Dafürhalten ab. Auch noch etwas anderes ist zu
bedenken. Zwei Ästhetiker mögen das Komische oder das Pathetische
oder irgend eine andere Variation des Ästhetischen ganz verschieden
erklären und sie können trotzdem in den Wesensfragen miteinander
übereinstimmen. Ja, es gibt Ästhetiker, die z. B. über das Komische
keine eigene Ansicht haben, und dennoch in den Wesensfragen eine
sehr tief begründete, eigene Anschauung besitzen. Dies ist deshalb
möglich, weil die Fragen der Modifikationslehre in keinem direkten
Zusammenhang mit den Wesensfragen der Ästhetik stehen, sondern
nur Fragen von untergeordneter Wichtigkeit sind.

Man könnte nun fragen: Warum ist es nötig, die untergeordnete
Bedeutung der ästhetischen Modifikationslehre so besonders zu be-
tonen? Es gibt ja in der Ästhetik viele andere Fragen von unter-
geordneter Wichtigkeit, denn eine ganze Wissenschaft kann doch nicht
aus lauter Zentralfragen bestehen, es muß auch peripherische Fragen
 
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