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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

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Klausen, Sverre: Das Problem der Schönheit und die Methoden der Ästhetik: Eine Studie auf Kantischer Grundlage
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https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0253
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246 SVERRE KLAUSEN.

sehr bedeutender Vorzug dieser Untersuchungsmethode wie der ganzen
psychologisch betriebenen Ästhetik vor der objektivistischen, daß sie
die Schönheit von der subjektiven Seite aus zu bestimmen versucht.
Eine andere Richtung der psychologischen Ästhetik, die wir die
atomistische nennen können, sucht sozusagen die Atome, die Ur-
elemente des Schönen mit Hilfe des Lustgefühls anzugeben. Im
Gegensatze zu dem, was bei der vorhergenannten Methode der Fall
war, werden hier bestimmte objektive Grundformen der Schönheit
angegeben. Die Voraussetzung auch dieser Methode ist, daß das
unmittelbare Wohlgefallen an einem Gegenstande ein hinlängliches
Kriterium des Schönen sei. Durch Analyse eines schönen Gegen-
standes sucht man zu den objektiven Elementen vorzudringen, an
denen ein selbständiges Wohlgefallen hängt. So kann man bei
einem musikalischen Werke zu einer bestimmten Harmonie gelangen.
Oder man sucht experimentell festzustellen, welche ganz einfachen
Gebilde ein unmittelbares Wohlgefallen zu wecken vermögen. Hierhin
gehört die Konstatierung der Lustwirkung des sogenannten »goldenen
Schnittes«. In beiden Fällen sucht man durch die Lust zu Urformen
des Schönen zu gelangen. Wenn man diese Urformen gefunden hätte,
würde man wohl von ihnen aus die Schönheit des Zusammengesetzten
erklären können, wie Demokrit aus den Atomen die Welt aufbaute?
Die Bedeutung, die die Synthese auf ästhetischem Gebiet hat, erklärt
die Schwierigkeiten, mit denen ein solches Unternehmen zu kämpfen
haben würde. Um diese Bedeutung zu veranschaulichen, benutze ich
ein Beispiel. Ein Musikstück ertönt. Ein musikalischer Zuhörer ist
anwesend. Gegen Ende des Stücks kommt eine andere Person hinzu
und hört den Schluß. Wir nehmen nun an, daß der zuletzt Ange-
kommene dieselbe Empfänglichkeit für Musik besitze, wie der erste.
Spürt er nun dieselbe Wirkung vom Schluß des Stückes wie jener,
mit anderen Worten, ist das Bruchstück des musikalischen Werkes
ihm dasselbe, wie dem anderen? Jedes Kunstwerk, ja jeder schöne
Gegenstand ist ein zusammengesetztes Schönes. Es zeigt sich
nun, daß kein Element dieses Schönen aus seinem Zusammenhang
mit dem Ganzen gerissen werden kann, ohne an seiner Wirkung ein-
zubüßen. Ebenso kann auch die Ordnung der Elemente untereinander
nicht verändert werden, ohne daß das Werk an Wirkung einbüßt.
Spielt der Zusammenhang, die Einordnung der Teile in das Ganze
eine solche Rolle bei dem schönen Gegenstand, so ist es klar, daß
der Schönheitseindruck nicht durch einfache Addierung der Lustwir-
kungen der Schönheitselemente zustande kommt. Die zusammen-
gesetzte, d. h. die eigentliche Schönheit bleibt also für den Atomisten
ein ungelöstes Problem. Seine Untersuchung ist eigentlich nur als
 
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