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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

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Klausen, Sverre: Das Problem der Schönheit und die Methoden der Ästhetik: Eine Studie auf Kantischer Grundlage
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https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0255
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248 SVERRE KLAUSEN.

Begleiterscheinung zu der Arbeit der Nervensubstanz betrachtet, die
in der Aufspeicherung lebendiger Kraft besteht. Die Leistung dieser
Richtung gehört eigentlich zur inneren Psychophysik. Auch von da
aus kann das ästhetische Gefühl beleuchtet werden. Weil aber das
Interesse, das zu diesen Untersuchungen treibt, kein speziell-ästhetisches
ist, tragen sie wenig zur Lösung des Problems der Schönheit bei.

Die psychologische Analyse des ästhetischen Gefühls, des Vor-
stellungs- und Wahrnehmungsvermögens zergliedert diese Elemente
des ästhetischen Verhaltens. Als ein Bestandteil des ästhetischen Ge-
fühls wird der Lustton bestimmt, der an den sinnlichen Daten des
schönen Gegenstandes hängt, wie z. B. an einer schönen Farbe. Als
ein anderer Bestandteil wird eine Vorstellungslust in Betracht gezogen,
d. h. eine Lust an der Betätigung der Vorstellungskraft bei der Auf-
fassung des zusammengesetzten Schönen. Drittens rechnet man mit
einer Lust durch die Tätigkeit der Phantasie. Wenn man annimmt,
daß auch ein Urteilsakt im ästhetischen Verhalten von statten geht,
kommt auch eine Lust an dieser Tätigkeit hinzu.

Das andere Hauptelement des ästhetischen Verhaltens neben dem
Gefühl gehört der Vorstellungs- und Wahrnehmungsseite des Seelen-
lebens an. Gegenständlich bezeichnet besteht das Ästhetische aus
einem direkten und einem assoziativen Faktor. Von der subjektiven
Seite aus gesehen ist das dem direkten Faktor Entsprechende nicht
nur in der sinnlichen Empfindung zu suchen, sondern auch in der
Vorstellungskraft, die die mannigfaltigen Empfindungen erst zu einer
einheitlichen Vorstellung, zu einem Bild des Gegenstandes ordnet1).
Der assoziative Faktor ist auf die reproduktive Tätigkeit der Vorstel-
lungskraft zurückzuführen. Durch sie wird z. B. eine Gegenstands-
vorstellung mit nicht wahrgenommenen Eigenschaften des Gegen-
standes verbunden. So ergänzt sie z. B. die Gesichtsvorstellung bei
einem Gemälde zur Gegenstandsvorstellung, indem das, was als Zwei-
dimensionales gesehen, als Dreidimensionales vorgestellt wird. Zu
einer Gegenstandsvorstellung können ganz andere Vorstellungen repro-
duktiver Natur hinzutreten. Ich sehe eine Zitrone, und das sonder-
bare Gesicht eines Kaufmanns kommt mir in Gedanken, bei dem ich
gestern einige solche Früchte kaufte. Solche Vorstellungen werden
zu dem sinnlich Wahrgenommenen durch die reproduktive Einbildungs-
kraft hinzugefügt. Noch eine andere Funktion der Einbildungskraft
wird in Betracht gezogen. Die Einbildungskraft, die im Toben des

') Hier spielt die Einbildungskraft schon in der unmittelbaren Wahrnehmung
eine Rolle.
 
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