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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 10.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.3818#0370
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BESPRECHUNGEN. 353

tümliche, vielleicht halbironische, Bescheidenheit läßt ihn einmal sich einen müden
alten Simpel nennen. Der Burckhardtsche Pessimismus macht sich in köstlichen
Sentenzen Luft. So z. B. bei Gelegenheit der 7. Auflage des Cicerone: »wer
steinalt wird, kann hie und da noch Anerkennungen erleben; es steht aber ge-
schrieben, daß solche in der Nähe des Todes nur noch einen mäßigen Wert haben«.
In dem Briefe vom 8. Mai 1891 richtet der Historiker das durchdringende Auge auf
die eigene Zeit. Er will das Zeitalter der großen Städte und der Nervosität nicht
verstehen. Nicht das Zeitliche und Gegenwärtige, das Ewige, »das große Ver-
gangene« ist es das ihn beglückt. Hier spricht nicht nur der alte Mann. Eine
Geisteshaltung findet hier Ausdruck. Man darf sie vielleicht die klassische nennen.

Den wirklichen alten Burckhardt finden wir in dem letzten der mitgeteilten
Briefe. Noch ist er voll Interesse, aber er kann sich über nichts mehr zusammen-
hängend äußern. Wir stehen am Ende; das Bild des verlöschenden Kant taucht
vor uns auf.

Einen Zug will ich am Ende nicht unterdrücken. Bei einer geringfügigen Ge-
legenheit (Burckhardts Beteiligung an der 5. Auflage des Cicerone) schreibt er an
den Freund: »wenn Sie mich konsultiert hätten, so würde ich flehentlich darum er-
sucht haben, meine Nennung zu unterlassen, indem mir in meinem Alter kaum ein
größeres Herzeleid angetan werden kann, als vor das Publikum gezogen zu werden«.

Was hätte wohl Jakob Burckhardt zu der Veröffentlichung dieser Briefe gesagt?

Berlin.

Alfred Baeumler.

Karl Herke, Hebbels Theorie und Kritik poetischer Muster. Mit
besonderer Rücksicht auf die Entwicklung seiner Lyrik unter Uhlands Ein-
fluß. Berlin o. J. 103 S.

Diese Arbeit will sich um das Wesen der Darstellung, und zwar der Darstel-
lung von Zuständen, im Gegensatz zur Menschendarstellung in Novelle und Drama,
bemühen. Dazu dient dem Verfasser die Scheidung des begrifflich Allgemeinen
vom ideell Allgemeinen. Nicht der Begriff, nur die Idee kann an der einzelnen
Erscheinung aufgefaßt werden. Ganz unnötig stellt der Verfasser dieses einfache
Resultat als Ergebnis »langer Denkarbeit der verständnislosen Kritik der Ideenlehre
durch Aristoteles und Kant« gegenüber. Die Behauptung, »Kants ästhetisches Ideal
einer ... absolut reflexiven Zweckmäßigkeit vorgestellter Gegenstände« sei von
K. Ph. Moritz beeinflußt, läßt jedenfalls die Berechtigung zu einer Kritik an Kant
und Aristoteles nicht ersehen.

Unter fortwährender Zitierung Hebbelscher Tagebuchstellen (vom Ideal wissen-
schaftlicher Darstellung ist diese Arbeit recht weit entfernt) sucht der Verfasser die
Art des Uhlandschen Einflusses auf Hebbel zu veranschaulichen. Alles Räsonne-
ment ist einseitig, alles Tatsächliche und Gegenständliche (hierzu gehören auch die
Naturlaute, in denen ein Zustand offenbar wird) ist unendlich (Hebbel). Das voll-
endete Gedicht muß »an der singulären Erscheinung das Unendliche veranschau-
lichen«. Das war die Erkenntnis, die Hebbel ffech der ersten Lektüre der Gedichte
Uhlands kam. Was ist nun aber dieses Unendliche, der »Lebenspunkt« jedes Ge-
dichts? Er ist zu suchen in der »wundersamen Situation«. Gedichte von Uhland
wie: Ritter Paris, Der Räuber, St. Georgs Ritter, Des Sängers Fluch, Bertran de
Born zeigen Uhlands Stilbewußtsein in betreff der wundersamen Situation auf einer
erstaunlichen Höhe. Der Stil dieser Gedichte wird auch für Hebbel maßgebend.

Um zu veranschaulichen, was Hebbel unter dem Lebenspunkt eines Gedichtes
versteht, sei das von ihm selbst erläuterte Gedicht »Das Grab« (1837) hier angeführt:
 
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