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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 16.1922

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Heft 2
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Dorner, Alexander: Die Erkenntnis des Kunstwollens durch die Kunstgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.3618#0225
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BEMERKUNGEN.

219

Kunstgeschichtliche Entwicklung anpassen können, so könnte jede kunstgeschicht-
Jiche Neuentdeckung es zum Zusammenbruch bringen. Dieses zweite Verfahren
,s* demnach, weil folgerichtiger, mit einem größeren Risiko verbunden. — Erhebt
aber dieses starre Gerüst seinerseits den Anspruch, in alle Ewigkeit hinaus als
der wahre Grund der Entstehung jedes Kunstwerks angesehen zu werden, das über-
haupt jemals entstehen wird, so lohnt es sich trotz aller gegenteiligen Versiche-
rilngen überhaupt nicht, irgend ein Kunstwerk historisch zu untersuchen.
Hier würde das zeichnerische Schema sich folgendermaßen darstellen:

Fig. 2.

Transzendental-
realzstisdi

idealisäsch.-

naturalistiscJi,

Weder durch die erste noch durch die zweite formaltheoretische Methode be-
uhre ich den lebendigen Inhalt des jeweiligen Kunstwollens. Sie erinnern viel-
mehr beide an theologische Abhandlungen vom Ende des 17. Jahrhunderts, beispiels-
weise betitelt: »Die wahren Gründe, warum Paulus gerade auf dem Wege nach
~arnaskus erleuchtet werden mußte.« Denn auch hier wird eine geschichtliche
'-''scheinung nachträglich aus einer zeitlosen Begriffsspekulation heraus für not-
wendig erklärt und dies Verfahren auch auf die Zukunft in Form von Prophezeiungen
"bertragen ')•

Die Meinung Panofskys, einen archimedischen Punkt gewonnen zu haben, von
üet>i aus die Entstehungsursache eines jeden Kunstwerks gleichsam von unten her
erklärt werden kann, läßt sich also verstehen aus der Verwischung der Grenzen,
ö,e die formal zeitlose Begriffsspekulation über das Kunstwerk an sich von der
Praktisch - geschichtlichen Behandlung der Einzelschöpfung trennen. War nach
anofskys richtigem Urteil der einzelpsychologische Entstehungsvorgang keine ge-
schichtliche Wirklichkeit, so ist die von ihm vorgeschlagene, ihrem Charakter nach
2eitIose Begriffskonstruktion es auch nicht.

Die Stellung Panofskys zu Wölfflins »kunstgeschichtlichen Grund-
begriffen« ergibt sich aus dem bisher Gesagten und ist auch von ihm folgerichtig
angenommen:

') Spenglers »Untergang des Abendlandes« ist ähnlich konstruiert.
 
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