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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0514
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BESPRECHUNGEN.

501

Zivilisation zu Trotz, immer da sein wird, so lange die Erde ist« (S. 87). Dazu der
zweite Satz: »Gemeinschaftskunst ist immer auch im höchsten Maße ,Ausdrucks-
kunst', und zwar Ausdruckskunst in Reinkultur, d. h. instinktiv, nicht aber mit Hilfe
von Reflexion erzeugt, sie ist nichts weiter als die normale Kunstbetätigung kulturell
einheitlicher, schöpferisch-lebendiger Zeiten und Völker. Sie bedeutet immer auch
,Volkskunst', eine allen geläufige, umfassende Stilsprache, wie sie nur in Zeiten
der ,Kultur' entstehen kann.« In der Bestimmung dessen, was Kultur denn ist, folgt
der Verfasser Achelis und sieht in der Kultur den Ausdruck einer festen, geistig
gebundenen Einheit der produktiven Kräfte eines Volkstums, das sich als Ganzheit,
als Zusammengehöriges empfindet, dessen apolitisches, religiöses, künstlerisches, sitt-
liches Leben ein untrennbares Ganzes« bildet (S. 87 f.). Der Ausdruckskunst ent-
gegengesetzt der Art und dem Worte nach ist die Darstellungskunst (der Zusammen-
hang mit Worringer, Abstraktion und Einfühlung, ist leicht zu erkennen, übrigens
wird er vom Verfasser offen dargelegt [S. 75 f.]). Das im Sinne des Verfassers ab-
schreckendste Beispiel der Darstellungskunst stellt die »hohe« Kunst — im Gegen-
satz etwa zu den von Kunsthandwerkern gefertigten Grabfigürchen (S. 134) — der
Griechen dar, d. h. »Nachbildung harmonisch ,schöner' Naturvorbilder, deren be-
wundernswerte sinnliche Vollkommenheit solche nachbildende Verewigung ohne
weiteres zu rechtfertigen schien« (S. 134). Wichtig ist noch der Zusatz, daß nicht
das Nachahmungsstreben an und für sich die Darstellungskunst degradiert, sondern,
auf den griechischen Künstler bezogen, ein Nachahmen, bei dem seine Phantasie
nicht arbeitete, die geistige Bedeutung der Formen ihn nicht bewegte, eine Nach-
ahmung, bei dem er schöpferisch unerregt blieb und nur die Übereinstimmung des
Nachbildes mit dem schönen Vorbild im Auge hatte: also vielmehr wissenschaftlich
als künstlerisch eingestellt war (S. 135). Daß die archaischen Bildwerke >zum großen
Teil« einen anderen Kunstgeist offenbaren, sei mit dem Verfasser kurz angemerkt.
Die Scheidung in Ausdruckskunst«, die schließlich Kunst schlechthin ist, und »Dar-
stellungskunst« ist noch eine andere, die in »Stil > und »Kunst» (S. 155) übergeordnet.
»Stil ist immer ein Bedingtes, d. h.: die charakteristische und besondere Art einer
formalen, symbolischen Äußerung ist stets von zeitlichen, räumlichen, kulturellen,
ethnologischen und persönlichen Voraussetzungen abhängig« (S. 156). Eine metho-
dische Folge davon ist, daß sich jeder Stil analysieren läßt. Was aber Kunst im
eigentlichen und vollen Sinne ist, kann »auf rationalem Wege überhaupt nicht er-
reicht werden« (S. 22, 157 f.), da »der Kunstwert (also das, was einzig wichtig und
entscheidend ist) immer ein Unmittelbares, nur im Erlebnis Faßbares sein kann«
(S. 14). Und die Kunst als Ganzes kann zwar nur innerhalb der Stilschranken erlebt
werden, gehört aber einer anderen Welt als der der Stile an, einer unermeßlich
höheren, »die wir als metaphysisch, als Welt der Werte, als Welt des Geistes und
der übergeordneten, ewigen Tatsachen empfinden« (S. 156 f.). Diesen Sinn der Kunst
hat »vor allem die neueste Stilbewegung« — nach der Kunst der »Bildungsgriechen«
(S. 134), nach der italienischen Renaissance, nach dem Impressionismus — wieder
ans Licht gehoben (S. 156; z. v. 24). Wird zuletzt jetzt noch der Geist echter Wissen-
schaftlichkeit aufgerufen, der sich im schlechthin universalen Forschungsstreben kund-
gibt (S. 53, 160; z. v. 49 der Forscher!), der mit dem letzten Nietzsche sich bewußt
ist, »daß unser Erkennen, auch das historische, sich stets unter einem ganz bestimm-
ten, doch im wirklich konstanten Gesichtswinkel vollzieht, daß es durch den Cha-
rakter des Perspektivischen bestimmt wird- (S. 22), dann sind in der Hauptsache
die Gründe angegeben, die den Verfasser eine Umwertung der bisherigen Kunst-
geschichte fordern lassen.

Worin besteht nun diese Umwertung? Mit einem Wort gesagt: in der Auf-
 
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