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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0513
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500 BESPRECHUNGEN.

keit in der Natur fordern. Er ist also auch dazu verpflichtet, Ursache und Idee
ineinander zu weben, die Natur sowohl kausalbestimmt als auch zum Zielerfüllen
bereit anzunehmen. Sonst darf er sein Lieblingswort »die Ideologie* nicht ge-
brauchen.

Merkwürdig, daß der marxistische Kritiker in seinen eigenen Äußerungen über
die Kunst nichts aussagt, was durch Kants Ästhetik nicht begründet werden könnte.
Kunst als Erzeugung aus einer besonderen »Kraft« des Bewußtseins (S. 105), Kunst
als Spiel (in dem aber der Zuschauer nicht nur zuschaut, sondern auch aktiv mit-
wirkt, S. 116), Kunst als emotionale Übertragung und Verlebendigung von Klassen-
ideologien (S. 103), wobei aber das Schönheitsmoment nie vom übertragenen Inhalt,
sondern nur von der Vollkommenheit der ästhetischen Form abhängen darf (S. 137)
(Relativität des Geschmacksurteils), — dies alles stimmt theoretisch mit Kants Ästhetik
überein. Nichts würde Kant auch gegen den Oedanken haben, daß der Kunststil,
geschichtlich betrachtet, von der allgemeinen Kulturstimmung der Epoche abhängt
(S. 69). Übrigens findet die Verfasserin auch in Kants Ästhetik etwas marxistisch
Annehmbares, nämlich den Satz von der Uninteressiertheit des ästhetischen Erlebens,
der angeblich bedeuten soll, daß das Schöne den Menschen von der Enge seiner
persönlichen Interessen befreit und ihn zum sozialen Wesen erhebt (S. 110). Im
allgemeinen wird aber Kant als Vertreter der Bourgeoisie abgelehnt. Wir haben
gesehen, daß diese Ablehnung auch vom Standpunkt des Marxisten aus keine ver-
ständnisvolle ist.

Im ganzen Buch macht sich das Bestreben fühlbar, aus geschichtlichen Persön-
lichkeiten absolute Vertreter der Idee ihrer Epoche zu machen. Trotz der Abneigung,
die der Marxismus gegen alles Absolute hat, versucht er immer wieder, aus der
geschichtlichen Wirklichkeit eine Leiter von streng abgeschlossenen Kulturstufen
zu bilden, zwischen denen kein anderer Zusammenhang als derjenige der dialek-
tischen Überwindung besteht. Darum verkennt Frau S. so gründlich, daß in der
Wirklichkeit, die keine absoluten Einteilungen duldet, Kant und Marx nicht nur als
dialektische Gegenpole aufeinander bezogen sind, sondern daß Kants Lehre eine
tiefgehende Begründung auch für eine revolutionäre Denkweise geben könnte und
— durch die Vermittlung Hegels — bei Marx tatsächlich gegeben hat.

Berlin.

__ Josef Billig.

Beyer, Oskar, Weltkunst. Von der Umwertung der Kunstgeschichte. Dresden,
Sibyllenverlag, 1923. 200 S. mit 23 Abb.

Beyers Schrift von der Umwertung der Kunstgeschichte, mag dieser Untertitel
nun sprachlich-logisch einwandfrei sein oder nicht, verdient zweifellos Beachtung.
In ihr sind Forderungen erhoben, die zum Teil wenigstens im Zeitbewußtsein liegen,
wie der Verfasser selbst weiß (S. 11, 13, 16, 81), zum Teil schon erfüllt werden.
Beyer aber hat sie zusammengefaßt und aus einem einheitlichen Prinzip entwickelt.
Dem Ernst, der aus dem Buche spricht (beispielsweise S. 162), wenn er sich auch
von Ideologischem nicht freihält (z. B. im Glauben an eine Bruderschaft S. 176, 177),
wenn er auch gegenüber der griechischen Kunst in maßlose Kritik umschlägt (S. 12,
52, 64, 133 f.), muß man gerecht werden. Mehr aber will es bedeuten, daß die
Schrift methodisch und sachlich von Belang ist.

Die Keimzelle der Gedanken und Forderungen Beyers liegt in seiner Auffas-
sung von der Kunst. Da lautet der Grundsatz also: »Mit der Welt der aus Gemein-
schaft geborenen Stile muß begonnen werden, denn Gemeinschaftskunst, das ist
das Ursprüngliche, Mächtige, Primäre, das was immer da war und, aller westlichen
 
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