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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 22.1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.14168#0515
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BESPRECHUNGEN.

nähme des Weltkunstgedankens und in seiner Durchführung. Das will zunächst be-
sagen: es gilt, über Europa hinaus sich mit all den übrigen Kunstprovinzen in
lebendige Beziehung zu setzen (S. 11), alle geographische und geschichtliche Be-
schränkung aufzugeben (S. 53) und das sowohl dem Stoffgebiet nach wie auch der
Methode und den ästhetischen Kategorien nach (S. 15, 166). Genauer: es gilt, über
Griechenland, Italien, Europa, auch über Asien, den Orient im engeren Sinn hinaus-
zukommen: »die Richtung auf das Universale ist nichts als die letzte Konsequenz
aus dem, was die Forschung des Ostens schon erobert hat« (S. 53). Die Fülle des
vom universalen oder Weltstandpunkt aus erschlossenen Stoffes denkt sich der Ver-
fasser dann in der Zukunft »wie auf einer riesigen Ebene nebeneinander ausge-
breitet liegen» (S. 14). Die Bearbeitung sieht er »in der Beschreibung der wesent-
lichen Merkmale« (S. 14). An die Stelle der Geschichte der Kunst wird eine ver-
gleichende Stilforschung, wie sie schon Semper — Kleine Schriften 1884, S. 273 f.
wird zitiert S. 51 — vorgeschwebt hat, treten. Sie müßte »die einzelnen Stilgebiete
des Weltkunstkreises aus sich, aus ihrer geistigen Form heraus verstehen« lehren,
sie »in denkbar größter Plastizität« kennzeichnen und sie alle zusammen »auf ein
und derselben Wissensfläche« ausbreiten, so daß man wie von einer Landkarte ab-
lesen könnte: »wo existiert Zusammengehöriges, wo sind geschichtliche Verbin-
dungsfäden, wo typische Parallelerscheinungen, und wo steht das, was im Wesen
unvereinbar bleibt?« (S. 65). Erst bei solcher Übersicht und Einsicht, die »alle Grund-
formen des bildenden Triebes der gesamten Menschheit« umspannen, soll es mög-
lich sein, ästhetische Folgerungen zu ziehen. Für diese neue Forschung verliert die
philologisch-historische Forschung an Bedeutung. Mehr noch. Der Verfasser glaubt
im Betrieb der bisherigen Kunstgeschichte das Wirken dreier »Fiktionen« nachweisen
zu können. An erster Stelle nennt er den Entwicklungsgedanken, der »gleich von
Anfang an der Grundstein ... im Bau der Kunstwissenschaft gewesen ist« (S. 25).
Die zweite Fiktion sieht der Verfasser in der Erhebung der antik-klassischen Kunst
zur absoluten Norm als Basis für das Entwicklungsdogma (S. 28). Fiktion ist es
auch — die dritte — zu glauben, »ein Kunstwerk könne gar nicht anders gedacht
werden, denn als Erzeugnis einer ,originellen' Persönlichkeit« (S. 31). Dazu findet
sich noch die wichtige Bemerkung, daß jedes Kunstwerk natürlich einen einzelnen
Menschen, ein Individuum zum Verfertiger hat. »Entscheidend aber ist für die Kunst
das Verhältnis des Einzelnen zur Gesamtheit, ob er ein tiefes Gefühl der Verbunden-
heit, ja der Einheit mit ihr, sei es auch nur instinktmäßig, besitzt, oder ob er sich
innerlich von ihr gelöst hat und eigenwillige Pfade sucht« (S. 34). Dieser Frage-
stellung ist der Verfasser eine fundamentale Bedeutung beizumessen geneigt. Und
er bemerkt, die neueste Kunstbewegung und die durch sie zur rechten Wertung
gelangten Gebiete der mittelalterlichen und außereuropäischen, besonders der orien-
talischen, Kunst haben zu dieser Erkenntnis verholten (S. 13).

Es ist von hier aus leicht ersichtlich, wie des Verfassers Kritik der bisherigen
Kunstgeschichte und seine Ideen von der »umgewerteten« Kunstforschung in seiner
Auffassung von der Kunst, wie sie oben skizziert wurde, einmündet oder von ihr
ausgeht, je nach der Blickrichtung. Von der Idee der Gemeinschaftskunst geht er
aus oder auf sie steuert er zu. Diese Geschlossenheit erhöht das Gewicht seiner
sich wirklich um die Kunst als ein »Lebendiges, Gegenwärtiges« (S. 15) bewegen-
den Gedanken. Auch der neue Typus des »Kunstdenkers« (S. 172) ergibt sich dem
Verfasser aus dem Gegenstand der Forschung und der Methode nach seiner Idee.
»Ein neuer Forschertyp wird entstehen müssen, der die Überwindung des alten
bedeutet, ... in dem also sich die Fähigkeit zum philologischen mit starken neuen
Wertgefühlen verbindet, doch so, daß die eigentliche stilwissenschaftliche Forschungs-
 
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