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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 25.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.14174#0187
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BESPRECHUNGEN.

173

sein soll: „immer fühlen die großen Geister am Vorabend des Todes das Räum-
liche, das Geheimnis des Räumlichen, ein Geheimnis, das schon ... das Unbegrenzte
durchmißt" (S. 220).

Aus seinem gesteigerten Inhaltsstandpunkt ergibt sich dem Verfasser — um
einen schon wiederholt berührten Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang abzu-
runden — im Verein mit seinem freilich nur dogmatisch vorgetragenen erkenntnis-
theoretischen Denken die Bedeutung des Gemütes oder Herzens für das künstle-
rische Scharfen wie für das künstlerische Genießen: „Man fühlt im Herzen, wo
alle Kunst geboren und gemessen wird" (S. 137). Oder: „Jeder spürt mit unmittel-
barem Gefühl das Gewicht dieser Werke (von Peter Vischer d. Ä.) — spürt es im
Gemüt, wo alle echten Entscheidungen des Lebens fallen" (S. 52; z. v. 94, 290,
291). Hier wird nochmals das Fehlen einer tiefer führenden Analyse fühlbar. Und
hier besonders.

Dem mit Bestimmtheit und Folgemäßigkeit festgehaltenen Inhaltsstandpunkte
fügen sich gut ein die Betonung des menschlichen Wertes des Künstlers
(S. 290, 54), der sonst leicht außerhalb der rechten Beziehung bleibt, die Be-
tonung des Sittlichen, der „tiefer und tonlos-selbstverständlichen ... Lebenshaltung
und Künstlerhaltung" (S. 213 Leibi; 119 allgemein), des Gewissens, „das still und
wahr aus sich selbst wirkt" (S. 56 Vischer. 290 Genie und Gewissen). Auch das
Religiöse wird, wie einst in der Romantik, aufgenommen (S. 297); ja, es erscheint
die Kunst als Botin der Religion (S. 94). Und vom Landschaftlichen heißt es, „es
gehört zum lotrechten Menschen die Bindung in die bestimmte Landschaft" (S. 223):
Corinth der Ostpreuße (S. 238 ff.), Slevogt von Würzburg mehr gebildet als von
Berlin (S. 248 ff.). Selbst das „Äußerlich-Tatsächliche", die Lebensdaten, werden
in die „gegenständliche" Betrachtungsweise einbezogen (S. 52), doch nur in schwa-
chem Zusammenhang mit dem Generationsproblem Pinders (z. v. S. 53).

Bei einer Grundhaltung, der „das Einfache als das gültige Ziel der Mühen"
(S. 8) erscheint, und bei der folgemäßigen Ausformung des grundsätzlichen Stand-
punktes muß es überraschen, noch der dem komplizierten dialektischen Denken zu-
gehörigen Behauptung zu begegnen: „Aber es gibt in den Dingen der Kunst
nichts, das nicht aus einem Widerspruch" (also nicht nur Gegensatz!) „käme oder
in ihn mündete" (S. 140).

Es muß noch betont werden, wie sehr dieses von den Aufsätzen abgezogene
„System" in Wirklichkeit nicht an die Meister und Werke, die vorgeführt werden,
herangebracht wird, sondern aus „ihrer Situation" sich ergibt. Daß nicht alle Auf-
sätze gleichartig sind, wurde schon angemerkt. Einer der sachlichsten und sicher-
sten Aufsätze ist der Nekrolog auf Franz von Stuck. Man sollte darin das Urteil
Münchens über Stuck sehen dü.fen. Besonders verdienstlich erscheinen mir die
Aufsätze über Sperl, Oberländer und den fast vergessenen Schwanthaler, dessen
Museum in der letzten Zeit wohl äußerlich neu geordnet wurde, ohne jedoch an
innerem Leben zu gewinnen. Das nach der einen Seite einschränkende und zu-
gebende, nach der anderen Seite aber werbende und verteidigende Urteil über Lier
verdient gelesen und gewogen zu werden: „Zuweilen aber dennoch ebensoviel wie
Barbizon" (S. 177). Trübner ist aber der ins Extreme geratenen Sach-Ästhetik zum
Opfer gefallen (z. v. S. 234 f.), wenigstens als Landschafter. Auch Hausenstein
tritt für Feuerbach ein. Er findet den Gesichtspunkt: „Das Tragische im Antiki-
schen'" (S. 262). Es wäre dazu im Sinne des Für und Wider zu berücksichtigen
E. Kretschmer, Körperbau und Charakter- u.«, S. 139 f., 139 (1). M. E. ist
Feuerbach doch zu groß gesehen, wenn man von ihm sagt, sein Leben war tra-
gisch, durch und durch (S. 263), weil es die Traurigkeit eines großen Lebens,
eines heroisch gespannten Lebens war (S. 264). Selbst seine Stiefmutter konnte
 
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