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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0367
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BESPRECHUNGEN.

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vergessend, wie viele literarische Fehlurteile von Dichtern die Geschichte vorweisen
kann, vergessend auch, daß er ja nicht nur für sich, sondern für ein Publikum
dichtet, und auch verleugnend, wie willkommen ihm jederzeit eine zustimmende
Haltung von Wissenschaft und Kritik ist. Der Literaturwissenschaftler aber setzt
sich ebenfalls häufig berechtigter Verurteilung durch Dichter und Tageskritiker
aus, indem er sich von der Dichtung der Gegenwart entweder vornehm zurückhält
oder aber sie mit lebensfremden, die Seele der Dichtung vernachlässigenden Me-
thoden bearbeitet. S. führt als Beispiel vor allem Wilhelm Scherer und seine Schule
an. Der Kritik des Tages endlich ist der Vorwurf nicht zu ersparen, daß sie oft
in geradezu gewissenloser Weise nach ganz oberflächlichen, persönlichen, außer-
künstlerischen, häufig vom Verleger durch die sogen. Waschzettel suggerierten
Maßstäben urteilt und sich dadurch sowohl in den Augen des Dichters wie denen
der Wissenschaft um Ruf und Ansehen bringt. — Ich habe zu zeigen versucht, welch
ungeheuren Gedankenreichtum zur Philosophie der Literaturwissenschaft die von
Emil Ermatinger herausgegebenen dreizehn Aufsätze bergen. In ihrer Gesamtheit
bringen sie, sich wechselweise ergänzend, dem Leser durchweg in maßgebender
Fassung alie die Gesichtspunkte nahe, ohne welche eine wirklich verständnisvolle
Beschäftigung mit Literaturwissenschaft nicht möglich ist. So ist unstreitig eines
der wertvollsten Bücher gegenwärtiger Literaturwissenschaft entstanden, erfüllt von
dem Willen, den Forderungen einer idealen Literaturforschung weithin Gehör und
Geltung zu verschaffen.

Greifswald. Kurt Gassen.

Gerhard Fricke (Lic. theol., Dr. phil., Privatdozent f. dt. Literaturgesch. an
der Univ. Göttingen): Die Bildlichkeit in der Dichtung des An-
dreas Gryphius. Materialien und Studien zum Formproblem des deutschen
Literaturbarock. (Neue Forschung Bd. 17.) Berlin, Junker u. Dünnhaupt, 1933.
VI, 273 S. gr. 8°. Brosch. RM. 10.—.

Die literaturgeschichtliche Erforschung des Barockjahrhunderts hat in den
letzten 15 Jahren eine durchaus neue und scharf gegen alles Vorherige abgesetzte
Epoche durchlebt, die noch keineswegs abgeschlossen ist. Das, was diesen neueren
Arbeiten gemeinsam ist, ist die Erkenntnis, daß Dichten für das 17. Jahrhundert
etwas grundsätzlich anderes bedeutete als für die Goethezeit und uns, und daß
wir dies durchaus Fremde erst einmal verstehen und uns in es hineinleben müssen,
um dann gleichsam aus dem Denken der Zeit heraus das Schaffen zu beurteilen
und nicht, indem wir einzelnes heraussuchen, was uns interessant erscheint, und
das übrige als „Schwulst" abtun, wie es vielfach bis in unser Jahrhundert hinein
geschah.

An gründlicher Durcharbeitung einzelner Gebiete hat bereits die ältere For-
schergeneration Vorbildliches geleistet — Höpfner, Könnecke, v. Waldberg, Bo-
rinski, Witkowski, Köster, Schölte u. a.1) — und einzelne — Dilthey, Lemcke, Man-

i) Aus der Fülle der Arbeiten sei wenigstens das Wichtigste genannt: E.
Höpfner, Reformbestrebungen auf dem Gebiete der deutschen Dichtung des 16. u.
17. Jhs. Progr. Berlin 1866. — M. v. Waldberg, Die galante Lyrik. Straßburg 1885.

— M. v. Waldberg, Die deutsche Renaissance-Lyrik. Berlin 1888. — K. Borinski,
Die Poetik der Renaissance. Berlin 1886. — G. Witkowski, Diederich v. d. Werder.
München 1886. — A. Köster, Der Dichter der geharnischten Venus. Marburg 1897.

— G. Könnecke und J. H. Scholle, Quellen und Forschungen zur Lebensgeschichte
Grimmelshausens. 2 Bd. Weimar 1926—28.

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XXVII. 23
 
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