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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0368
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354

BESPRECHUNGEN.

heimer2) — sind bereits zu sehr beachtlichen geistesgeschichtlichen Ergebnissen
vorgedrungen; aber man ging damals vielfach an das Barockjahrhundert entweder
von dem weit besser bekannten Reformationsjahrhundert aus heran und richtete
den Blick dann hauptsächlich auf Männer, in denen die Bürgerkultur dieses Jahr-
hunderts weiterlebte, wie Moscherosch und Lauremberg, oder man kam von dem
gleichfalls viel mehr bearbeiteten 18. Jahrhundert her und griff dann Ausnahme-
erscheinungen heraus, deren Subjektivismus bereits vorwärts weist, wie Grim-
melshausen oder Günther. Gleichzeitig stellte die sorgfältige philologische For-
schung fest, daß gerade in dieser Zeitspanne starke Einflüsse des Auslandes zu
bemerken wären, was ohne Zweifel — soweit Dichtung im 17. Jahrhundert lehr-
bar und lernbar war ■— eine richtige Feststellung ist.

Demgegenüber warf dann eine jüngere Forschergeneration die Frage auf, ob
hinter diesem scheinbaren Schwulst nicht ein besonderes, uns nur fremdartiges
Formwollen stünde, ob hinter diesen übernommenen Äußerlichkeiten nicht ein sehr
eigener Kern stecke, ob letztlich nicht zwischen Gotik und Romantik das Barock
ein gleichwertiges Zwischenglied und speziell germanisch-deutscher Prägung sei.
Das Blickfeld änderte und erweiterte sich, weil man nun stärker soziologisch,
psychologisch und kunstgeschichtlich eingestellt war — dafür freilich leider meist
nicht mehr altphilologisch und theologisch, was gerade zur Erkenntnis des 17. Jahr-
hunderts in gewissem Grade unentbehrlich ist.

Die Kunstgeschichte war in der Erforschung des 17. Jahrhunderts nach neuen
Gesichtspunkten der Literaturgeschichte voraus: Sie hatte die allgemeine Stilentwick-
lung durchverfolgt (von Michelangelo bis zum späten Rokoko), die Geschichte der
einzelnen Gattungen geschrieben (und nicht nur der umfassenden wie Kirchen-
bau usw., sondern auch der speziellen wie Architekturbild oder Gruppenbild),
die geistesgeschichtlichen Grundlagen aufzudecken versucht (Gegenreformation
usw.), den Anteil der Nationen und Landschaften abgewogen und dabei auf den
eigenen Geist des germanischen Barock hingewiesen3). Die bewährte Methode des
Vergleichs und Gegensatzes hatte sich dabei immer mehr ausgebildet und er-
reichte einen Höhepunkt in H. Wölfflins epochemachendem Werk „Kunstgeschicht-
liche Grundbegriffe" (München 1915 u. ö.). Jedoch besaß auch die Kunstgeschichte
noch große Lücken im Sachwissen — so war z. B. nie von der deutschen Kunst
des 17. Jahrhunderts die Rede, immer nur von der niederländischen —, und erst
in der letzten Zeit hat man jene Lücken zu füllen begonnen5). Die Literatur-
geschichte ließ sich nun auf den neuen Wegen zunächst in vielem von der Kunst-
geschichte leiten. Sie übernahm sogar Wölfflins feste Formeln5), und diese wirkten
anregend, erwiesen sich aber nachträglich als nicht ganz passendes Werkzeug:

2) W. Dilthey, Gesammelte Schriften. Bd. 2 u. 3. Berlin u. Leipzig 1923 u.
1927. — C. Lemcke, Von Opitz bis Klopstock. Leipzig 1871. — V. Manheimer, Die
Lyrik des A. Gryphius. Berlin 1904.

3) Nicht einzeln genannt seien hier die zahlreichen wichtigen Werke der neue-
ren Kunstgeschichte des Barock von C. Gurlitt, A. Schmarsow, A. Riegl, H. Jantzen,
M. Dvorak, F. Roh, M. Wackernagel, W. Weisbach, W. Pinder u. a. Im Zusam-
menhange des Gesagten seien nur hervorgehoben: O. Hagen, Deutsches Sehen.
München 1920. — G. Dehio, Gesch. d. dt. Kunst. 3. Bd., 2. Abt. Berlin u. Leipzig
1926. Und dazu die Besprechung von C. Neumann unter dem Titel „Ist wirklich
Barock und Deutsch das Nämliche?" Histor. Ztschr. 138 (1928), 544—549. —
C. Neumann, Rembrandt. Berlin u. Stuttgart 1901. 3. Aufl. München 1922. —
H. Wölfflin, Italien und das deutsche Formgefühl. München 1931. — A. E. Brinck-
mann, Von Guarino Guarini bis Balthasar Neumann. Berlin 1932. — Wichtige
Anregungen gaben der Barockforschung auch: W. Worringer, Formprobleme der
Gotik. München 1910 u. ö. sowie O. Spengler, Der Untergang des Abendlandes I.
München 1917 u. ö.
 
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