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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 27.1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14172#0216
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Besprechungen.

Ernst Cassirer: Die platonische Renaissance in England
und die Schule von Cambridge. (Studien der Bibliothek Warburg,
herausg. von F. Saxl). Leipzig und Berlin 1932. VIII u. 143. S.

Es sei verstattet, diese Anzeige mit einem persönlichen Dank zu beginnen.
Als ich vor einer Reihe von Jahren (bei Studien über die englische Renaissance
und den Puritanismus) die sog. Cambridge-Platoniker in Gegensatz stellte zu
allen kalvinistischen Denominationen und damit Tullochs Grenzziehung der „ra-
tional theology" zögernd überschritt, da ahnte ich nur die Zusammenhänge, die
Cassirer nun weitschauend in beglückender Klarheit entfaltet. Auch G. Bullough,
der im vorigen Jahr die Philosophical Poems von Henry More (Manchester Univ.
Press) herausgab mit einer ausführlichen und tiefdringenden Vorrede, zögerte am
Schluß, dieser Dichtung mehr zuzugestehen als psychologische Bedeutsamkeit
und Ausdruck des religiösen Denkens einer bestimmten Epoche. Dies Zögern ist
verständlich, denn die Cambridger Schule engt die Philosophie ein auf metaphy-
sische und theologische Fragen und wählt für ihren Ausdruck eine scholastische
Form, die gerade vom Gesichtspunkt des damals leuchtend aufsteigenden Empiris-
mus aus altertümlich anmuten mußte. Nimmt man noch die Neigung zu Kabba-
listik und Wunderglauben hinzu, so scheint die Cambridger Schule für die Ge-
schichte des modernen philosophischen Denkens ohne Bedeutung.

Cassirer faßt die Frage anders an und sagt: die ganze philosophische The-
matik ist veraltet, lebendig aber ist die geistige Problematik, aus der sie erwuchs.
Und nun entsteht in sechs Kapiteln ein neues Bild der Cambridge-Platoniker, das
ihre Rolle in einem großen geistesgeschichtlichen Werden zwingend dartut. Das

1. Kapitel entwickelt den von Nik. von Kues ausgehenden Ideenkreis, der an der
Florentiner platonischen Akademie eine Pflegstätte fand und in Ficinos Satz „una
est religio in rituum varietate" grundsätzliche Prägung erhielt. Während aber
diese Bindung von Wissen und Glauben, diese Theologia Platonica in Italien sich
bald auflösen sollte, wird das Florentiner Platobild von England aufgenommen.
Die englischen Humanisten Colet und Morus und mit ihnen Erasmus führen die
Bestrebungen zur Wiedergewinnung des schlichten praktischen Sinnes des Chri-
stentums fort mit der Forderung, daß sich dieser nur vom Mittelpunkte des sitt-
lichen und persönlichen Lebens her erschließe. Daran anknüpfend kann nun das

2. Kapitel die Idee der Religion in der Schule von Cambridge entwickeln. Die dort
vertretene Harmonisierung von Piatonismus und christlichen Lehren ist nichts
Äußerliches sondern geht auf Plotins Lehre von der Seele zurück, der ihr Sein
von ihrem aktualen Verhalten abhängen läßt. „Keine Seele sieht das Schöne,
welche nicht schön geworden ist", sagt Plotin, und analog sagt More „Jedes leben-
dige Gut kann nur vom Leben selbst erfaßt und begriffen werden: man muß das
Gute sein, um das Gute zu sehen". So wird das dogmatische Wissen zurück-
geschoben und der Schwerpunkt der Religion in die sittliche Grundhaltung ver-
legt. Das alte humanistische Ideal der Religion wird inmitten der Glaubenskämpfe
 
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