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Zeitschrift für bildende Kunst — 1.1866

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[Rezension von: Rudolph Weigel, die deutschen Maler-Radierer]
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Lützow, Carl von: [Rezension von: Jacob Falke, Geschichte des modernen Geschmacks]
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https://doi.org/10.11588/diglit.68868#0177

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Geschichte des modernen Geschmacks von Jakob Falke.

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jüngere Kräfte wirken will. Möchte doch dieses Ziel des Unternehmens von Erfolg gekrönt sein!
Möchten unsere Künstler daraus ersehen, daß die Radirung ihren unschätzbaren Werth in den Augen
der Kenner nicht eingebüßt habe! Als wahre unverfälschte und dauerhafte Handschrift des Künstlers
bleibt dieselbe nach wie vor das würdigste Mittel malerischer Publicität. Wie lange wollen unsere
Künstler darauf verzichten, um ihren Namen, ihre Popularität, vielleicht ihre Zukunft von einem
chemisch-optischen Fabrikate abhängig zu machen, oder ihre Werke der Hand eines gedankenlosen
Technikers preiszugeben? Ist auch das künstlerische Schaffen im Großen erfreulicher und lohnender,
so schließt dasselbe doch die Ausführung im Kleinen nicht aus und verträgt sich recht wohl mit der
Sorge um eine treue Reproduktion. Wir können eben nicht immer bloß mit großer Münze zahlen,
wir brauchen auch Scheidemünze; und hat diese nur ihr richtiges Gepräge, dann hat sie auch bald
einen um so besseren Cours. *)

Geschichte des modernen Geschmacks von Jacob Falke. Leipzig, T. O. Weigel. 1866. 8.
Wie Zettel und Einschlag des Gewebes durchkreuzt sich bekanntlich ein Spiel zusammenwirkender
Fäden in allem Denken und Schassen der Menschheit. Aus der dunklen Verflechtung ursprünglicher
Naturanlagen mit dem unabwendbaren Drange der Verhältnisse bildet sich der Charakter des ein-
zelnen Individuums wie ganzer Stämme und Nationen, ja was man so den Geist der Zeiten heißt,
ist in Wahrheit auch nichts Anderes, als die verhängnisvolle Komplikation von Kräften, welche sich
zuwider zu laufen scheinen und doch ewig an einander gebunden sind.
Im Heros erblicken wir die Personifikation der einen dieser Kräfte; das Gute, Große, Ideale,
was iu der Menschheit steckt, ist in ihm verkörpert, und unter allen Eigenschaften, die wir ihm
beilegen, ist die Sieghaftigkeit über das Gewöhnliche, das Niedrige und Schlechte, eine der
hervorragendsten. Ob es einen Stall auszumisten, einen Löwen zu bezwingen oder ein Volk zu
civilisiren giebt, ist gleichgültig: Kampf und heiße Arbeit kostet es in allen Fällen, und der Heros
vollbringt sie.
Auch aus dem Felde des Geistes und der Kunst giebt es, wie Jedermann weiß, derartige
Heroen. Nur sind wir übereingekommen, sie hier anders zu nennen. Die Sprache wechselt gleichsam
ihre Symbole; an Stelle des Keulenschlages des Heros tritt der Flügelschlag des Genius. Aber in
Wahrheit schwebt auch dieser uicht über der Welt, sondern auch für ihn gilt es, die Welt zu erobern,
indem er sie überwindet. Auch ihm ist die Verflechtung mit ihr und der Kampf nicht erspart.
Was uns der sinnige Verfasser dieses Buches hier verführt, ist eigentlich eine Reihe von
solchen Kampfscenen, von Schlachtgemälden aus der Geschichte des Geistes. Er will nicht das in
sich zusammenhängende Werk „bestimmter historischer Persönlichkeiten" schildern, wie es die Kunst-
geschichte in den Vordergrund ihrer Betrachtung stellt, sondern er sieht vielmehr von allem Indivi-
duellen und Subjektiven ab, um vorzugsweise den „Geschmack des personisizirten Zeitgeistes", wie
er sich in den allgemeinen Formen des Lebens, in Sitte, Tracht, Kunstanschaunngen und im Stil
der dem Leben dienstbaren Kunstgewerbe darstellt, in großen Zügen zu entwickeln. Man erkennt
hieraus deutlich, daß das Falke'sche Buch eine sehr willkommene, um ihrer Neuheit wegen doppelt
erwünschte Ergänzung unserer kunstgeschichtlichen Literatur bieten muß. Diese Eigenschaft liegt aber
nicht nur in der angedeuteten Wahl des Gesichtspunktes, sondern sie überträgt sich auch auf das
ganze Detail der Darstellung, welches ebenfalls nur an einzelnen Stellen das landläufige Material
der kunstgeschichtlichen Literatur berührt, in der großen Masse dagegen völlig frisch und selbständig
aus reicher eigener Anschauung erwachsen ist. Allerdings hat sich der Autor hiermit selbst eine ganz be-
stimmte Grenze gezogen. Er läßt uns jene Heroen der Menschheit, welche sich über dem Dahinrollen
*) Indem wir die obigen Worte des geehrten Herrn Referenten aus voller Seele unterstützen, fordern
wir die Leser d. Bl., Künstler und Kunstfreunde anf, uns durch Beschaffung von Radirungen lebender
Meister, die sich zu künstlerischen Beilagen dieser Zeitschrift eignen, behülflich sein zu wollen. Dieselben finden
stets bereitwillige Aufnahme. A. d. R.
Zeitschrift für bildende uunst. ' f
 
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